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Zur tiefen gesamtgesellschaftlichen Krise in Frankreich

Beitrag zum Einheitsfront-Webinar am 23.4.2023 von Marc, UPML Frankreich

 

Die Kämpfe gegen die Rentenpläne der Regierung stehen im Mittelpunkt einer gesamtgesellschaftlichen Krise, doch die Regierung und ihre gesamte Politik sind im Visier verbunden mit einer Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen. Sämtliche Institutionen und gesellschaftlichen Fragen sind betroffen und die Regierung taumelt von einer Krise in die nächste : Schließung von Schulklassen, Fischerkrise, Wasser- und Umweltkrise, die öffentlichen Dienste, Krankenhäuser, Bildungswesen, Gleichstellung der Frau … Eine besonders brennende Frage sind die steigenden Lebenshaltungskosten, die zugleich Ausdruck der Klassenrealität im Kapitalismus sind.

In einer Umfrage des « Instituts für Wirtschaft und Konsum » sprachen sich über 90 Prozent der Befragten für eine Änderung der Organisierung der Gesellschaft aus, davon 24 Prozent für eine « radikale » Änderung ! Nur 2 Prozent glauben, dass die Herrschenden dazu bereit sind und 51 Prozent (!) denken, dass eine solche Änderung nicht ohne Gewalt herbei geführt werden kann.

 

Die gesamtgesellschaftliche Krise entwickelte und vertiefte sich jeweils mit der Behandlung der Rentengesetzes in den staatlichen Institutionen, ohne dass große Illusionen existierten. Vielmehr bestätigte jede volksfeindliche staatliche Entscheidung die Kampfbereitschaft und entfachte den Zorn nur umso mehr.

Das Gewerkschaftsbündnis hält aufgrund des Drucks der Basis, trotz der starken Tendenz zur Klassenzusammenarbeit einiger Organisationen, wird durch diese Tatsache aber auch gebremst. Es konnte seit Januar zu den wöchentlichen Aktionstagen immer wieder bis zu 2,5 Millionen Menschen mobilisieren und zu Streiks aufrufen.

Nach einer ersten Verabschiedung des Gesetzes im Parlament, gab es unbegrenzte Streiks in mehreren Bereichen, ständige Aktionen, Blockaden von Kreuzungen, Ausfahrten, Betrieben etc. Vor allem die Beschäftigten der Öffentlichen Dienste standen an der Spitze der Kämpfe, doch das Ziel eines Generalstreiks wurde nicht erreicht. Wichtige Bereiche fehlten vor allem in der Industrie, wie z.B. die Autoindustrie, Airbus usw. Zehntausende neue Mitglieder wurden für die verschiedenen Gewerkschaften gewonnen. Die Streikkassen explodieren mit Ende März auf 2,5 Millionen Euros. Auf dem Gewerkschaftskongress der CGT Ende März geht in einem entfalteten Linienkampf der linke Flügel gestärkt hervor, auch wenn die neue Generalsekretärin in Kompromiss ist.

Nach den Beratungen des Gesetzes im Senat, wendet die Regierung den Notparagraphen 49.3 der Verfassung aus, denn sie ist einer Mehrheit für die Endabstimmung im Parlament nicht sicher. Dieser Vorgang zeigt die Schwäche der Regierung und die anhaltende Zerstrittenheit der rechten bürgerlichen Kräfte : die Herrschenden konnten nicht in der alten Weise weiter regieren.

Ein Aufschrei ging durch das Land und die Aktivität der Massen steigerte sich. Der Streik der Müllabfuhr führte zu 10 t Abfälle, die sich in Paris anhäufen, die Transportmittel und Schulen wurden bestreikt, Raffinerien, Stromzentralen usw. Die Regierung wendete dagegen zunehmend Repression an, zwang Beschäftigte notwendige Bereiche zur Arbeitsaufnahme, was das Streikrecht missachtete !

Die Repression wollte den Kämpfen den Boden zu entziehen, einzuschüchtern und erreicht einen Höhepunkt bei den Protesten gegen Mega-Wasserbecken und Privatisierung des Wassers – ein regelrechter Krieg von Polizei und Gendarmen (Militär) gegen bis zu 30 000 Jugendliche aus ganz Europa führte zu Verletzte, davon weitaus die meisten unter den Demonstranten:Ein Demonstrant liegt anhaltend im Koma. Die Brutalität wird breit im Land und international verurteilt. Der französische Innenminister will die Liga für Menschenrechte in Frankreich wegen ihrer Kritik nicht mehr subventionieren und eine neue Vereinigung « Les soulèvements de la Terre » (« Die Aufstände der Erde ») verbieten. Diese Vereinigung muss genquer untersucht werden, sie gewinnt Einfluss und zielt auf antikapitalistische ökologische, aber auch soziale Massenaktionen.

Die Beteiligung bei den Demonstrationen geht tatsächlich zurück, aber die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Kämpfe weiterhin. Ablehnung und Hass gegen die Regierung Macron-Borne wachsen ständig und drücken sich in den Demos mit Schildern und Sprüchen zur französische Revolution und der Guillotine aus.

Die Aktionen richten sich gegen die Rentenpläne, die Arroganz der Regierung Macron, die Missachtung jeglicher Demokratie, die Repression durch Staatsapparat und Justiz. Auch die Ökologie kommt mehr ins Spiel. Macron personifiziert für viele das herrschende System.

Die Mehrheit der Menschen ist aber auch überrascht durch seine Kompromisslosigkeit und die Ablehnung von jeglichem noch so kleinen Zugeständnis. Das versteht man nur vor dem Hintergrund des brutal zugespitzten weltweiten Konkurrenzkampfs, in dem der französische Imperialismus ökonomisch, politisch und militärisch Niederlagen überwinden muss.

Die Existenz einer wenn auch kaschierten Diktatur in Frankreich verbreitet sich unter den Massen. Für eine relativ große und wachsende Minderheit heißt die Schlussfolgerung aktiver Widerstand und Rebellion, wobei die Methoden und vor allem die Perspektive oft noch nicht klar sind. Die Verbindung zum Finanzkapital wird mehr oder weniger klar gesehen. Vor allem unter der Jugend, nimmt die Offenheit für die Revolution und den Kommunismus enorm zu: Ein entfalteter Meinungskampf um die Perspektive des Sozialismus gegen den „linken“ Antikommunismus beherrscht das Bild: Bei vielen gibt es Konfusion nur sehr unklare Vorstellungen oder schlagen verschiedene Reformmaßnahmen (Gesetze, Volksabstimmungen etc) vor.

In unserer Propaganda müssen wir uns auf Fakten, uns den Leuten verständlich machen. Wissenschaftliche Begriffe erklären und gleichzeitig dem Antikommunismus Rechnung tragen. Die Pariser Commune gibt uns Zugang zu den Hirnen und Herzen.

Der Krieg spielt in den Kämpfen so gut wie keine Rolle. Frankreich ist nicht führend am Ukraine-Krieg beteiligt, wie die RF am 12.4.23 erklärt. Aber Frankreich führt gegenwärtig gigantische Manöver im Land durch, rüstet auf wie nie und militarisiert die gesamte Gesellschaft. Ein mehrmonatiger « Service national universel », « SNU » (« allseitiger Nationaler Dienst ») ab 13 Jahre wird eingeführt, um die Jugend ideologisch zu trimmen. Das ist kaum Thema aber einzelne Initiativen von Intellektuellen und Organisationen nehmen zu. Hier müssen wir unsere Politik konkretisieren, gegen die Militarisierung der Gesellschaft.

Seit der Abstimmung im Verfassungsrat und dem unmittelbaren Inkrafttreten des Rentengesetzes Mitte April, reißen ungeachtet ihres Verbotes tägliche die unzähligen Aktionen, Demos, Casserolatas, Sabotageakte (Stromabschalten bei den Elektrizitätsverteilern) nicht ab. Sie werden durch örtliche Organisationsformen organisiert . Neben den Gewerkschaften vor allem durch Versammlungen verschiedener Berufsbereiche Studenten und Aktivisten aller Art. Sie erfassen jedoch nur einen kleineren Teil der Bevölkerung.

Der Einfluss der Marxisten-Leninisten ist gering. Kampfkraft, Organisiertheit und Bewusstheit reichen noch nicht aus für den qualitativen Sprung zu einem gesellschaftsverändernden Kampf. Dem echten Sozialismus eine neues Ansehen zu erkämpfen ist die Kernfrage und muss einher gehen mit dem Parteiaufbau gegen Aktivismus und Anarchosynidkalismus. Spontanen Zulauf haben « La France insoumise » als linksradikale reformistische Partei im Parlament, die die Kämpfe überwiegend unterstützt. Und, noch radikaler, die trotzkistische Gruppierung « Revolution permanente », die mit revolutionären Phrasen auf die Arbeiterkämpfe zielt, einige Arbeiterführer in wichtigen Bereichen hat und vor allem die studentische Jugend anzieht (starke Internetpräsenz).

Wir waren bei fast allen Aktionstagen dabei – mit einem Büchertisch oder mit Teilnqhme an den Demos. Mit Kurzreden und offenem Mikrofon stellen wir einen gesellschaftlichen Anspruch und gehen wir in die Offensive. Unser Stand wird von vielen beachtet und Leute kommen vorbei, die uns allmählich kennen oder Interviews wollen. Teilnahme auch an verschiedenen Aktionen und Stände in der Banlieue. Weiterhin ist Kleinarbeit Trumpf auf einer breiteren Ebene. Eine wachsende Zahl von Sympathisanten unterstützt unsere Aktivitäten: Die Studiengruppe zu den Grundfragen des Marxismus-Leninismus und unserem Programmentwurf ist wesentlich, um die Verbindungen zu festigen. Im Mai ist ein Café militant vorgesehen, zu dem wir breit einladen, vor allem die zahlreichen Adressen von unseren Ständen „Schluss mit dem überlebten Kapitalismus – für den echten Sozialismus“!

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