Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

Benutzerspezifische Werkzeuge

Sektionen

Sie sind hier: Startseite / 2023 / Beitrag zum Einheitsfront-Webinar am 11. Dezember 2022

Beitrag zum Einheitsfront-Webinar am 11. Dezember 2022

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

der ILPS ist Ende Juni 2022 nach 1,5-jähriger guter Zusammenarbeit und einem Jahr der »Denkpause« aus der internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront ausgeschieden. Der ILPS und seiner Vertreter wollten damals keine Gründe dafür angeben, sondern erklärten nur lapidar, dass sie »Gründe haben, diese aber nicht nennen wollen«.

Anfang Oktober erfuhren wir, dass unter federführendem Einfluss des ILPS am 29. September nunmehr eine „Internationale Volksfront“ (IPF) eine Gründungsveranstaltung durchgeführt hat. Der dabei publizierte Aufruf macht die von uns bereits vermuteten Differenzen deutlich, auf die wir eingehen möchten.

  1. Im gemeinsamen Aufruf von ILPS und ICOR zum Aufbau der internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront vom 30. Dezember 2019 heißt es treffend: „Die internationale Arbeiterklasse muss Rückgrat und führende Kraft der antiimperialistischen Einheitsfront sein. (…) Das Weltproletariat braucht Verbündete und sucht das Bündnis mit allen unterdrückten Völkern dieser Welt.“ Im Aufruf zur Gründung der IPF spielt die Arbeiterklasse dagegen kaum eine Rolle. Schon der Titel einer „Internationalen Volksfront“ legt den Schwerpunkt einseitig auf die Kämpfe der Völker. Benannt werden dann „antiimperialistische Volksorganisationen“ oder »Massenbewegungen, Volksorganisationen und demokratische antiimperialistische politische Organisationen“. Diese spielen eine wichtige Rolle in einer Reihe von Ländern. Nur wenn die Arbeiterklasse und das internationale Industrieproletariat gesamtgesellschaftlich auf den Plan treten, bekommt der Kampf Klarheit, Organisiertheit, Durchschlagkraft und Perspektive. Das ist auch die Lehre aus den Volksaufständen im Mittleren Osten nach den demokratischen Revolten 2011/2012 oder 2017/2018 und 2022 im Iran.

  2. Der antiimperialistische Kampf braucht die Perspektive der internationalen sozialistischen Revolution. Deshalb muss der Sozialismus selbstverständlicher Bestandteil der Einheitsfront sein, auch wenn natürlich nicht jedes Mitglied/ jede Organisation der Einheitsfront programmatisch für den Sozialismus sein muss. So hieß es im gemeinsamen Aufruf von Dezember 2019 zur Perspektive des Kampfes: „Für die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung – für nationale und soziale Befreiung, Demokratie, Freiheit und Sozialismus!“ Zum Weltkongress besteht bereits ein Vorschlag zur Verdeutlichung: »Die antiimperialistische und antifaschistischen Einheitsfront führt eine intensive Strategiediskussion über eine gesellschaftliche Alternative zum überlebten imperialistischen Weltsystem. Viele sehen darin den Sozialismus, was aber keine Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Einheitsfront ist. Wohl aber, ohne Antikommunismus offen zu sein für die Perspektivdiskussion.« Im Aufruf zur IPF taucht das Wort Sozialismus überhaupt nicht auf, genauso wenig übrigens wie der Kampf um nationale und soziale Befreiung.

  3. Die kämpferische Frauenbewegung kommt im Aufruf zur Gründung der IPF nicht vor. Dabei erwachsen aus den Kämpfen der Frauenmassen der Welt – wie heute im Iran – mächtige Kräfte gegen Feudalismus, Kapitalismus und Imperialismus. Auch die antiimperialistische Jugendbewegung als wichtige zukunftsorientierte Kraft findet im Aufruf keine Erwähnung.

  4. Der gemeinsame Aufruf nahm völlig zu Recht den „US-Imperialismus“ als „nach wie vor die stärkste Macht und Hautkriegstreiber“ ins Visier. Er wies aber auch darauf hin, dass heute zugleich „eine multipolare Welt entstanden“ ist und dass die der Kampf gegen das gesamte imperialistische Weltsystem richten muss. Im Aufruf zur Gründung des IPF erscheinen dagegen nur der US-Imperialismus als „Hegemon“ und China als „aufstrebender Gegenhegemon“. Was ist mit all den anderen imperialistischen Staaten, mit Deutschland, Russland oder der Türkei? Antiimperialisten können niemals den einen Imperialisten gegen den anderen schonen. Das würde unweigerlich im Sozialchauvinismus landen.

  5. Im Aufbau der Einheitsfront wurde von Anfang an das demokratische Konsensprinzip propagiert, verwirklicht und in den „Regeln“ vom 30. Dezember 2019 festgeschrieben. Der Aufruf zur Gründung des IPF schreibt dagegen: »Die IPF ist keine strukturierte Formation, sondern wird von einer Internationalen Koordinierenden Körperschaft verwaltet, die sich aus Vertretern internationaler Organisationen zusammensetzt, die auf eine unstrukturierte Art und Weise zusammenarbeiten«. Wie will man »unstrukturiert« jemals wirkungsvoll gegen den hoch organisierten und hoch »strukturierten« Imperialismus kämpfen? Zielklare Koordinierung auf der Grundlage von Beschlüssen bei gleichzeitig größtmöglicher Demokratie und Freiwilligkeit sind unverzichtbar. Mitarbeitende Organisationen müssen Rechte und Pflichten haben. Das wird in den gemeinsamen Regeln von Ende 2019 vereinbart. Solche Verpflichtungen fehlen im Aufruf der IPF völlig. Das gibt Spielraum für jedwede Beliebigkeit.

Durch die weltpolitische Entwicklung gewinnt die internationale antiimperialistische und antifaschistische Einheitsfront enorm an Bedeutung und gleichzeitig ausgehend von den richtigen Dokumenten von Dezember 2019 und der seither praktizierten Arbeit und den Meinungsaustausch in Webinar an Zuspruch und wird intensiviert aufgebaut.

Wir hoffen, dass es mit der IPF trotz der Differenzen in Zukunft an verschiedenen Punkten zu einer Zusammenarbeit in der Praxis kommen wird.

 

Artikelaktionen