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Was die politische Lage in Bulgarien angeht ...

Brief von Spas, Bulgarische Kommunistische Partei an Genossen der ICOR, September 2020

 

Liebe Genossen,

Danke für euer Interesse. Bis jetzt sind wir vom Corona verschont geblieben.

Ich hoffe so ist es auch bei euch.

Was die politische Lage in Bulgarien angeht, die Proteste dauern schon mehr als zwei Monate. Nach der ersten Phase der Epidemie zeigten die soziologischen Umfragen eine hohe Zustimmung für die Regierung. Das hat sich aber manipulativ oder kurzfristig und situationsbedingt erwiesen. Sofort nach der Lockerung der antiepidemischen Maßnahmen (etwa Mitte Mai) begannen Proteste gegen die Regierung. Sie wurden von einer kleinen nationalistischen (ausgeprägt antikommunistischen) Partei organisiert. Daran aber nahmen Teil Leute mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen. Diese Proteste waren nicht besonders zahlreich – nur der erste war ca. 2- 3000 Mann stark, mit einer fallenden Tendenz. Einen neuen Impuls der Proteste gaben hauptsächlich zwei Ereignisse: 1. Der Leader einer kleinen bürgerlichen Partei, der für kurze Zeit Justizminister in der 2. Regierung von Borisov war, machte eine Aktion am Strand, wo der Leader der türkischen Partei (Ahmet Dogan) ungesetzliche Gebäuden errichtet hat und verfassungswidrig den Zutritt zum Strand mit der Unterstützung von Bodyguards vom Geheimdienst versperrt hatte. Dies rief eine große Empörung hervor, weil Dogan ständig verdächtigt wird die Fäden im Hintergrund zu ziehen. 2. Die Staatsanwaltschat hat die Büros von zwei Beratern des Staatspräsidenten im Präsidentenamt durchsucht und sie wegen Korruption angeklagt. Der Präsident hat seine Berater verteidigt und zum Protest gegen die Regierung aufgerufen und ihm wurde vorwiegend von Anhängern der soz. Partei gefolgt.

Dazu wurden auch Bilder vom Borisov-Schlafzimmer veröffentlicht, an dennen große Summen in 500 Euro Scheine, Goldbarren und eine Pistole zu sehen sind und auch Audioaufnamen von seinen Gesprächen mit seiner vulgären Sprachweise und Bedrohungen einer sozialistischen Abgeordneten am Europaparlament.

Eine Kulmination der Proteste war am 30. Juli. Im August war das Parlament in Ferien und die Proteste waren nicht besonders aktiv aber es wurden 3 wichtige Kreuzungen in Sofia mit Zeltlagern blockiert. Proteste gibt es auch in anderen Grosstaedten wie Varnaq Plovdiv u.a., jedoch nicht so regulaer und nicht so zahlreich, wie es 2013 war.

Zum 2. und zum 10. Sept. wurden große Proteste als „Großer Volksaufstand“ angekündigt, was ziemlich hochgegriffen war, aber an 2.9. gab es vielleicht 10.000 Protestierenden und es kam zu Konflikte mit der Polizei mit Schallbomben (wie bei Fußballspiel) seitens des Protestes und Trennen Gas und Polizeibrutalität von der anderen Seite. Am 10. Sept. hat die Polizei Vorsorge-Maßnahmen ergriffen und es kam zu keinen Auseinandersetzungen.

Seinerseits hat Borisov auch Kundgebungen in Unterstützung der Regierung und gegen die Blockade der Kreuzungen organisiert, die nicht besonders beeindruckend waren. Wie üblich hat er auch fünf Minister ausgewechselt um die Empörung vom sich abzulenken. Darunter auch solche wichtigen Personen wie der Finanzminister und der Innenminister. Später hat auch der Justizminister gekündigt. Borisov hat auch ein neues Großes (verfassungsgebendes) Parlament und ein neues Verfassungsentwurf vorgeschlagen, was eigentlich eine von den Forderungen der Proteste war, aber die Proteste kaufen es ihm nicht ab.

Die Proteste haben 4-5 unterschiedliche Zentren, die wichtigsten 2 sind rechts-bürgerlich geprägt. Es werden keine sozialen Forderungen gestellt und überhaupt nichts im positiven Sinne, sondern nur im negativen – wogegen sie sind. Sie fordern den Rücktritt von Borisov mit seiner Regierund und des Generalstaatsanwalts, sowohl als auch vorgezogenen Parlamentswahlen, organisiert von einer Amtsregierung, angestellt vom Präsidenten, durch Maschinen-Abstimmung. Aber die regulären Wahlen sind im Marz und Borisov hat durchaus das Potential und die parlamentarische Unterstützung damit er diesmal die Amtsperiode vollendet.

Die Losungen der Proteste sind „Mafia“ und „Kündigung“ (oder „Rücktritt“- was richtiger auf Deutsch ist). Das soziale Basis der Proteste sind mittlere Schichten und es fehlt an Klassenbewusstsein der Arbeiter. Es gibt nur einzelne antikapitalistische Plakate, welche keine massenhafte Unterstützung bekommen. Unter diesen Umstanden sind wir leider nicht in der Lage die Proteste bedeutend zu beeinflussen.

Sollten zusätzliche Erläuterungen notwendig sein, stehe ich gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße

Spas

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