Afrika und die Oktoberrevolution
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Die Oktoberrevolution war eines der größten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit. In diesem Jahr der Feier des hundertsten Jahrestags dieses Ereignisses, das das Leben von Millionen Menschen geprägt und bestimmt hat, nicht nur innerhalb der geografischen Grenzen des ersten sozialistischen Staats der Arbeiter, sondern auch in jedem Winkel des Planeten, wo es über Jahrzehnte wirkte, wollen wir den Widerhall, den die Oktoberrevolution in Afrika hatte, in diesem Artikel Revue passieren lassen und die notwendigen Lehren für die Perspektiven ziehen.
Zu dem Zeitpunkt, als die Oktoberrevolution stattfand, war Afrika, zumindest seine Eliten, nicht in der Lage, ihre Tragweite zu erfassen. Eine Situation, die sich verstehen lässt aus der Tatsache seiner geografischen, weit von Russland entfernten Lage, und vor allem, weil die afrikanischen Völker dabei waren, die Traumata, die durch den Sklavenhandel und die Kolonialisierung verursacht waren, zu verarbeiten. Heute, bei der Feier des hundertsten Jahrestages der Oktoberrevolution, kann an der Bewertung seiner Wirkungen auf diesem Planeten auch Afrika teilnehmen.
Ausgehend von den 1950er-Jahren, begünstigt durch die Herausbildung der Befreiungsbewegung, begann die Debatte über die Oktoberrevolution in Afrika Gestalt anzunehmen. Dabei dominierte die Bewunderung für dieses Ereignis, das das definitive Ende der Sklaverei voraus ahnen ließ. Seine Auswirkungen waren auch noch in der Periode nach dem II. Weltkrieg spürbar. Unter den bemerkenswertesten Erscheinungen der Oktoberrevolution konnte man feststellen: die Tatsache der Existenz des ersten sozialistischen Landes auf der Welt; die Geschwindigkeit des Wiederaufbaus der Sowjetunion, und das trotz der tiefgreifenden Zerstörung während des Krieges und die Fähigkeit, eine abschreckende Verteidigung angesichts der alten imperialistischen Mächte zur errichten, wie auch die Sympathie und Solidarität mit den Kämpfen unterdrückter Völker zu organisieren. Bei all diesem lag der Schlüssel des Erfolges in der Aneignung des Marxismus durch die russischen Revolutionäre. Dieses Werkzeug hat sich als notwendig herausgestellt, um die kapitalistische Welt und ihre plötzlichen Erschütterungen zu begreifen.
Die marxistische Lehre ist vor allem die Frucht der Analyse der kapitalistischen Gesellschaft des Westens, die russischen Revolutionäre haben sie unbefangen zu der ihren gemacht. Im Prozess dieser Aneignung haben sie große Anstrengungen unternommen, um zu vermeiden, die allgemeinen marxistischen Schlussfolgerungen unterschiedslos auf alle Aspekte des Kampfes in Russland anzuwenden. Um die Revolution in Russland erfolgreich durchzuführen, brauchte es zweifellos eine spezifische Analyse jedes Bereichs des Lebens ihrer Gesellschaft. Die Russischen Revolutionäre haben Bewunderung nicht mit unkritischer Nachahmung verwechselt. Davon legen die ideologischen Kämpfe von Lenin gegen die Opportunisten beredtes Zeugnis ab, die diese Analysen (des Marxismus – Übers.) im Copy-and-paste-Verfahren anwenden wollten. Lenin hat unerschütterlich insbesondere die Thesen verteidigt von der Revolution in zwei Etappen, und vom Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und der armen Bauernschaft. Diese Thesen waren nie zuvor von den Marxisten des Westens verteidigt worden.
Was die afrikanischen Revolutionäre angeht, scheint es ihnen schwer gefallen zu sein, über die einfache Bewunderung der Oktoberrevolution und ihrer Wirkungen hinaus zu gehen. Was hätte getan werden müssen ist jedoch, entsprechend den marxistischen Methoden unvoreingenommen diese russische Erfahrung zu studieren und zu analysieren, die voll von Lehren für die Umwandlung einer Gesellschaft ist. Offensichtlich sind die afrikanischen Revolutionäre an die Begegnung mit dem Marxismus und den Lehren der Oktoberrevolution nicht mit einem Raster herangegangen, das auf das Ziel der Revolution in Afrika und die Umwandlung ihrer Gesellschaft ausgerichtet war. Dieses Anliegen verweist auf eine unumgängliche historische Aufgabe: Afrika endgültig aus den Klauen des Imperialismus zu befreien und den Aufbau des Sozialismus ins Visier zu nehmen. Während die russischen Revolutionäre die theoretische Arbeit zur Entwicklung des Kapitalismus im Westen respektierten, fühlten sie sich dabei nicht davon entbunden, eine Arbeit zur Entwicklung des Kapitalismus in Russland zu machen.
Wenngleich die umfangreiche theoretische Arbeit, die zur Oktoberrevolution geleistet wurde, von sehr hoher Qualität ist, kann sie dennoch nicht als ausreichend für die Vorbereitung der Revolution in Afrika angesehen werden. Die theoretische Arbeit ist eine absolute Notwendigkeit und ein Auftrag, die Besonderheiten zu erfassen, die mit der einzigartigen Situation Afrikas verbunden sind. Wenn man daran festhält, dass der Marxismus eine Wissenschaft ist, bedeutet das selbstverständlich, dass er eine Gesellschaftswissenschaft ist. Daraus ergibt sich, dass seine Anwendbarkeit auf ein neues Gebiet zweifellos erfordert, dass eine zusätzliche, spezifische theoretische Arbeit gemacht wird in Bezug auf die gesellschaftliche Formation, die untersucht wird.
Der Kapitalismus drang in Afrika wesentlich auf militärischem Wege ein. Unter diesen Umständen konnte er keine sozialen Strukturen herausbilden, die vergleichbar sind mit denen in anderen Regionen der Welt. Die nicht-einheimische Wirtschaft am Rande der meisten afrikanischen Länder hat kein Ausreifen von Klassen erlaubt, die, wie im Westen, die Basis des Kapitalismus sind, in diesem Fall die Bourgeoisie und die Arbeiterklasse. Das Zentrum staatlicher Macht ist auf örtlicher Ebene diffus geblieben. Diese Situation wird verstärkt durch eine große Beweglichkeit an der Spitze der Gesellschaft: der sehr häufige Wechsel zwischen der bürokratischen Bourgeoisie und dem Kleinbürgertum und das in beiden Richtungen. Der Kolonialismus und der Neo-Kolonialismus haben in Afrika eine feudale Vorstellung von Staatsmacht begünstigt und verfestigt. Da, wo man andernorts von einer Gruppe an der Macht spricht, ist das in Afrika ein Individuum, das ganz allein die Staatsmacht verkörpert. Das kommt den imperialistischen Mächten sehr gelegen, die nicht erleben wollen, dass sich Gemeinschaften und die Möglichkeiten demokratischer Kontrollen entwickeln. Ihnen liegt daran, die Initiative in der Hand zu behalten, Macht zu verleihen und zu nehmen, bei Bedarf nach ihrem Belieben ihre Agenten an der Staatsspitze zu ersetzen.
Diese Praxis, die örtlichen Mächte unter ihrer Fuchtel zu halten, erlaubt ihnen noch für lange Zeit, über die Reichtümer der afrikanischen Länder zu verfügen. Das kann noch dauern, gegebenenfalls Jahrhunderte, so lange die große Mehrheit der Bürger nicht geschult sind, alle diese Mechanismen der Kontrolle der örtlichen Mächte durch die Imperialisten zu verstehen. Im revolutionären Prozess ist die Schulung der Massen durch eine große demokratische Bewegung ein Faustpfand, um die Veränderung der Gesellschaft voran zu bringen. Der Oktoberrevolution gingen zwei demokratische Revolutionen voraus (1905 und März 1917), was es erleichtert hat, die subjektiven Voraussetzungen für die Verwirklichung der sozialistischen Revolution zu vereinigen.
Die Rückkehr der afrikanischen Marxisten zu den Grundlagen der Lehren der Oktoberrevolution ist eine Grundvoraussetzung für die Neuorientierung des Befreiungskampfs, der im Schlamm der opportunistischen ideologischen Konfusion fest zu stecken scheint. Die Auszeit der Ideale der Oktoberrevolution in Russland darf in keiner Weise zum Vorwand werden, sich dieses Beitrags für die Menschheit in der Frage der nationalen und sozialen Befreiung zu berauben. Der Grad der Aneignung der Lehre des Marxismus durch die afrikanischen Revolutionäre wird in der Fülle der Bildung neuer Thesen über Afrika zum Ausdruck kommen. Es gibt noch zu viele Bereiche, die ergründet werden müssen, unter anderem: über die Entwicklung des Kapitalismus, über die Strategie und Taktik in der Vorbereitung der demokratischen und der sozialistischen Revolution.
Damit die freien Völkers Afrika hoch leben, damit der Sozialismus hoch lebt!
Shambuyi Kalala