Über die heutige Anwendung von Lenins These zur Herausbildung neuer imperialistischer Länder
Bestehende Übersetzungen
- Über die heutige Anwendung von Lenins These zur Herausbildung neuer imperialistischer Länder
- On Today's Application of Lenin's Thesis on the Emergence of New Imperialist Countries
- Sobre la aplicación actual de la tesis de Lenin sobre la formación de nuevos países imperialistas
- Sur l'application actuelle de la théorie de Lénine sur la formation de nouveaux pays impérialistes
- О сегодняшнем применении тезиса Ленина о возникновении новых империалистических стран
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Lenins theoretischer und praktischer Forscherdrang richtete sich stets auf das aus, was neu und für zukünftige Klassenschlachten bedeutsam ist. In seinen Forschungen zur Herausbildung des Imperialismus untersuchte er besonders neu entstehende imperialistische Mächte.
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In der Auseinandersetzung mit dem Schweizer Genossen Greulich betont er die notwendige Verallgemeinerung, dass „der Kapitalismus, (…) in allen zivilisierten Ländern, auch in der Schweiz, zum imperialistischen Kapitalismus geworden ist“. (Lenin, Zwölf kurze Thesen über H. Greulichs Verteidigung der Landesverteidigung, Januar 1917, Werke Bd. 23, Seite 265/266, Hervorhebung MGE) Er kritisiert in diesem Zusammenhang dessen Verkennung der Spaltung der revolutionären Weltbewegung: „Er ignoriert die Spaltung der Sozialisten der ganzen Welt in Sozialpatrioten und revolutionäre Internationalisten.“ (ebenda, Seite 267)
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Die erfolgreiche Oktoberrevolution 1917 fußte also nicht allein auf der grundsätzlichen Analyse des allgemeinen Wesens und Charakters des Imperialismus durch Lenin, wie es einige Dogmatiker in der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung vertreten. Seine kühne Strategie und Taktik gründete sich insbesondere auch auf der jederzeit treffenden Beurteilung der Veränderungen im imperialistischen Weltsystem maßgeblich durch die Herausbildung neuer imperialistischer Länder.
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Im Geiste dieser dialektisch-materialistischen Anleitung von Lenin hat die MLPD im Juli 2017 einen Diskussionsbeitrag des Leiters ihres theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG, Stefan Engel, zur Anregung der internationalen Debatte herausgegeben. Die Broschüre trägt den Titel: „Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder“. Sie enthält nicht nur die Ausarbeitung selbst, sondern auch eine Sammlung 41 wichtiger Zitate von W. I. Lenin zum Thema „neuimperialistische Länder“ sowie Literaturhinweise und wird in sechs Sprachen übersetzt.
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Seit den 1980-er Jahren sind demnach mindestens 14 neuimperialistische Länder entstanden, wovon vier – China, Russland, Indien und die Türkei – beispielhaft analysiert werden und weitere sich im Übergang befinden. Damit lebt inzwischen mindestens 65,5 Prozent der Menschheit in imperialistischen Ländern, also dem höchsten und letzten Stadium des Kapitalismus als unmittelbarer Vorstufe des Sozialismus.
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Der Anteil der 14 neuimperialistischen Länder an der weltweiten industriellen Wertschöpfung verdoppelte sich von 19,7 % im Jahr 2000 auf 40,2 % im Jahr 2014. Ihrer gewachsenen ökonomischen Rolle entspricht die Erweiterung der G7 auf das international nunmehr bedeutsamere imperialistische Gremium der G20.
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Mit dieser Entwicklung von der imperialistischen Bipolarität zur ausgeprägten Multipolarität wird nicht etwa das imperialistische Weltsystem gestärkt, sondern sein bisheriges Gefüge dramatisch infrage gestellt, seine Labilität erhöht und die allgemeine Krisenhaftigkeit des Imperialismus vertieft.
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Diese multipolare imperialistische Welt ist kein monolithischer Block, sondern besteht aus imperialistischen Gruppen unterschiedlicher Qualität bezogen auf die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Potenziale des jeweiligen Landes. Die USA sind nach wie vor die einzige Supermacht und die Hauptgefahr für den Weltfrieden.
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Der wesentliche ökonomische Ausgangspunkt für die Herausbildung einer ganzen Reihe neuer imperialistischer Länder ist die Entstehung einheimischer Monopole in neokolonial abhängigen Ländern, v.a. in Verbindung mit der Neuorganisation der internationalen Produktion seit den 1990-er Jahren. Die Politik des Neoliberalismus, vor allem der Privatisierung früher staatlicher Betriebe unterwarf die Länder einerseits der Herrschaft des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals, förderte aber zugleich auch die Bildung einheimischer Monopole. 1969 zählte man 7300 internationale Monopole mit 27.300 Tochtergesellschaften. Heute prägen 114.000 internationale Monopole mit rund 900.000 Tochterfirmen, davon etwa 500 internationale Übermonopole als führende Schicht des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals das Gesicht der Weltwirtschaft.
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Der gesetzmäßige Drang von Monopolen nach Expansion kann nur in Verbindung mit staatsmonopolistischen Strukturen zur imperialistischen Macht werden. Die Voraussetzungen dafür waren insbesondere in Ländern gegeben, die von bürokratisch-kapitalistischen Strukturen oder Militärregierungen geprägt waren.
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Die Besonderheit dieser staatsmonopolistischen Strukturen in früher neokolonial abhängigen Ländern ist die Unterordnung des Staats sowohl unter die Interessen der einheimischen Monopole als auch des internationalen Finanzkapitals. Transnationale imperialistische Akteure wurden dabei IWF, Weltbank und WTO.
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In der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008-2014 exportierten die internationalen Übermonopole als Teil ihres Krisenmanagements ihre chronisch überakkumulierten, im eigenen Land nicht mehr Maximalprofit bringend anzulegenden Kapitalmassen außerhalb der alten imperialistischen Metropolen. Das wurde zum Motor der weiteren Herausbildung und rasanten Entwicklung neuimperialistischer Länder. Von 2007-2014 verdreifachte sich der Anteil der neuimperialistischen Länder am weltweiten Kapitalexport und 10,2 auf 30,9 %.
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Politisch haben auf der Basis der verschärften Konkurrenz um Märkte und Einflussgebiete die imperialistischen Regierungen der neuimperialistischen Länder einen weiteren Rechtsruck vollzogen, die Faschisierung der Staatsapparate vorangetrieben, nationalistische und reaktionäre Strömungen gefördert. Die verstärkte Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative, ein eingeleiteter fortschrittlicher Stimmungsumschwung in der Arbeiterklasse und den breiten Massen, Kämpfe des internationalen Industrieproletariats, Massenkämpfe für Freiheit und Demokratie werden brutal unterdrückt. Dafür stehen als Speerspitze Wahl und Amtsausübung von Donald Trump in den USA.
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Weltanschaulich schafft die Ausdehnung der imperialistischen Mächte eine erweiterte Grundlage für das Vordringen des Opportunismus und seinen Übergang zum Sozialchauvinismus. Materielle Grundlage ist die Herausbildung privilegierter Schichten im Kleinbürgertum und unter Industriearbeitern. Revisionistische Kräfte adeln Russland und China zu Friedensmächten und vollziehen damit den Übergang vom Opportunismus zum Sozialchauvinismus und Sozialimperialismus. Vielfach wird die EU als „angenehmerer“ Imperialismus und Alternative zur offen aggressiven US-Regierung unter Trump dargestellt. Die Bevorzugung des einen oder anderen Imperialismus ist jedoch offener Sozialchauvinismus und führt in einer weltpolitischen Situation der dramatisch gewachsenen Kriegsgefahr unweigerlich zur Burgfriedenspolitik.
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Während der Dogmatismus qualitative Veränderungen im imperialistischen Weltsystem leugnet, geht die Anbetung der Spontanität angesichts der wachsenden Labilität des imperialistischen Weltsystems fälschlich von seiner absoluten Ausweglosigkeit aus. Demgegenüber müssen die Revolutionäre der Welt sich auf der Grundlage der richtigen Qualifizierung der objektiven Entwicklung auf die Stärkung des subjektiven Faktors konzentrieren: den Aufbau und die erhebliche Stärkung revolutionärer Parteien in immer mehr Ländern, den Aufbau einer internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront und die Stärkung und Höherentwicklung der ICOR.
Monika Gärtner-Engel, Internationalismusverantwortliche der MLPD