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Die siegreiche Oktoberrevolution und die Strategie der internationalen proletarischen Revolution

von MLPD, Stefan Engel, 12. Oktober 2017

 

Der Kapitalismus trat Anfang des 20. Jahrhunderts in ein neues, höheres Stadium ein: den Imperialismus. Der Ausbruch des I. Weltkriegs war verbunden mit zunehmender Komplexität aller grundlegenden Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft und mit ihrer Verschärfung bis zum Äußersten. Das erforderte die Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen der revolutionären Arbeiterbewegung.

Während die Opportunisten von der Versöhnung der Widersprüche träumten, musste die materialistische Dialektik, die »fundamentale theoretische Grundlage« des Marxismus (Lenin, Werke, Bd. 17, S. 23), im Kampf gegen Eklektizismus und Sophistik verteidigt und auf die wesentlichen Veränderungen der kapitalistischen Entwicklung angewendet werden. Lenin entdeckte bei der dialektischen Analyse des Imperialismus das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung als »ein unbedingtes Gesetz des Kapitalismus«. (Lenin, Werke, Bd. 21, S. 345) Daraus schlussfolgerte er,

»daß der Sieg des Sozialismus zunächst in wenigen kapitalistischen Ländern oder sogar in einem einzeln genommenen Lande möglich ist.« (ebenda)

Die erfolgreiche Oktoberrevolution in Russland fußte wesentlich auf der Anwendung dieser Erkenntnis. Sie bedeutete eine Weiterentwicklung der Strategie von Marx und Engels über die internationale Revolution.

Die erste siegreiche sozialistische Revolution

Wie konnte die Epoche der proletarischen Revolutionen ausgerechnet in dem rückständigen Russland beginnen, einem Land, dessen Bevölkerung zu fast 80 Prozent Bauern waren? Stalin bemerkte zu den Umständen der »verhältnismäßigen Leichtigkeit« des Sturzes der Bourgeoisie,

»daß die Oktoberrevolution in der Periode des verzweifelten Kampfes der beiden grundlegenden imperialistischen Gruppen, der englisch-französischen und der österreichisch-deutschen, ihren Anfang nahm, als diese Gruppen, durch den gegenseitigen Kampf auf Tod und Leben in Anspruch genommen, weder Zeit noch Mittel hatten, dem Kampf gegen die Oktoberrevolution ernsthafte Aufmerksamkeit zuzuwenden.« (»Die Oktoberrevolution und die Taktik der russischen Kommunisten«, Stalin, Werke, Bd. 6, S. 320)

Russland war ein Knotenpunkt aller grundlegenden Widersprüche der damaligen Zeit und daher das schwächste Kettenglied des imperialistischen Weltsystems. Das zaristische Riesenreich vereinigte kapitalistischen Imperialismus mit vorkapitalistischen Produktionsverhältnissen. Mit der Entwicklung des Kapitalismus hatte sich die Klasse der Lohnarbeiter herausgebildet, die, obwohl noch relativ klein, unter der revolutionären Führung der Bolschewiki zur entscheidenden Kraft der russischen Revolution wurde.

Lenin brach mit dem Dogma verschiedener sozialdemokratischer Parteien der II. Internationale, dass eine sozialistische Revolution erst möglich, erst »erlaubt« wäre, wenn die kapitalistischen Produktivkräfte in dem Land vollständig ausgereift wären und das Proletariat die absolute Mehrheit der Bevölkerung bildete. Auf diesem Dogma gründete die menschewistische Diffamierung der Oktoberrevolution als »Putsch«, doch das war letztlich nur ein Versuch der Opportunisten, ihre Kapitulation vor den Aufgaben der sozialistischen Revolution theoretisch zu rechtfertigen.

Die russische Oktoberrevolution eröffnete 1917 die Epoche der proletarischen Revolution zum Sturz des imperialistischen Weltsystems. Sie war die erste siegreiche Revolution mit dem Ziel der Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen als Voraussetzung des Übergangs zu einer klassenlosen Gesellschaft. Zu ihrer historischen Bedeutung sagte Stalin:

»Die Oktoberrevolution ist vor allem dadurch bedeutsam, daß sie die Front des Weltimperialismus durchbrochen, die imperialistische Bourgeoisie in einem der größten kapitalistischen Länder gestürzt und das sozialistische Proletariat an die Macht gebracht hat.« (»Der internationale Charakter der Oktoberrevolution«, Stalin, Werke, Bd. 10, S. 208)

Lenin sah in der Oktoberrevolution den Auftakt der internationalen Revolution gegen den Imperialismus. Er betonte deshalb:

»Dieser erste Sieg ist noch nicht der endgültige Sieg, und unsere Oktoberrevolution hat ihn nur unter beispiellosen Mühsalen und Schwierigkeiten, unter unerhörten Qualen, begleitet von größten Mißerfolgen und Fehlern unserseits davongetragen. … Wir haben dieses Werk begonnen. Wann, in welcher Frist, die Proletarier welcher Nation dieses Werk zu Ende führen werden, das ist unwesentlich. Wesentlich ist, daß das Eis gebrochen, daß die Bahn frei gemacht, daß der Weg gewiesen ist.« (»Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution«, Lenin, Werke, Bd. 33, S. 36/37)

Die Oktoberrevolution wurde den kommunistischen und Arbeiterparteien der ganzen Welt zum Vorbild.

Die Oktoberrevolution und die modernen Revisionisten und Neorevisionisten

Die modernen Revisionisten wagten es nicht, sich offen von der Oktoberrevolution zu distanzieren, selbst als sie sich auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 vom Marxismus-Leninismus verabschiedet hatten. Die Jubelfeiern zum Jahrestag der Oktoberrevolution von Chruschtschow bis Gorbatschow sollten den Massen vorgaukeln, die revisionistische Politik der neuen herrschenden bürokratischen Monopolbourgeoisie stünde in der Kontinuität der revolutionären Politik Lenins.

Was bei den modernen Revisionisten vom Geist der Oktoberrevolution übrig geblieben ist, lässt sich in einem Artikel nachlesen, den Willi Gerns, ein führender Theoretiker der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), zum 85. Jahrestag der Oktoberrevolution verfasst hat. Zunächst rühmt er die Oktoberrevolution als »zweifellos das den Gang der Geschichte prägendste Ereignis im 20. Jahrhundert. Sie war die erste siegreiche sozialistische Revolution.« (»Unsere Zeit«, 15. November 2002) Dann aber unterschlägt er die entscheidenden Lehren der Oktoberrevolution. Er verliert kein Wort darüber, dass die Oktoberrevolution die Epoche der proletarischen Revolutionen im Zeitalter des Imperialismus eröffnet hat. Er vertuscht, dass der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium ein sterbender Kapitalismus und dass die historische Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus eine Epoche proletarischer Revolutionen ist. Damit unterschlägt er den entscheidenden Maßstab für die Beurteilung der Politik einer marxistisch-leninistischen Partei: ob sie nämlich auf diese proletarische Revolution hinarbeitet oder nicht.

In ihrem Programm räumt die DKP seit einigen Jahren ein, dass der »revolutionäre Bruch mit den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen« notwendig wäre. (Programm der Deutschen Kommunistischen Partei, Beilage zu »Unsere Zeit«, April 2006, S. 1) Damit reagiert sie auf die seit über 40 Jahren geübte marxistisch-leninistische Kritik an dem revisionistischen Konzept des »friedlichen Wegs zum Sozialismus«, ohne sich jedoch prinzipiell von ihm zu lösen. Charakteristisch für diese Position ist, dass sie nun vage die Notwendigkeit eines »revolutionären Bruchs« einräumt und zugleich völlig im Dunkeln lässt, worin er bestehen und wie er ausgeführt werden soll. Diese scheinbare Veränderung ihrer programmatischen Position zur Revolution erfolgt bezeichnenderweise ohne selbstkritische Korrektur der illusionären revisionistischen Strategie und Taktik der »Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals«, an der die DKP ausdrücklich festhält:

»Je mehr es dabei gelingt, Veränderungen im Sinne von Selbstbestimmung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft, von demokratischer Kontrolle, von Entmilitarisierung und Demokratisierung in Staat und Gesellschaft zu erreichen, je größer der Einfluss der demokratischen und sozialistischen Kräfte überall dort ist, wo Meinungsbildung stattfindet, desto besser sind die Chancen im Kampf um die Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals und für die Öffnung des Weges zum Sozialismus.« (ebenda, S. 9)

Die Verknüpfung der revisionistischen Strategie und Taktik der »Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals« mit dem Zugeständnis eines wie auch immer gearteten »revolutionären Bruchs« kennzeichnet den Übergang der DKP vom gescheiterten modernen Revisionismus zum Neorevisionismus. Dieser ist eine Modifikation des modernen Revisionismus, der vom XX. Parteitag der KPdSU 1956 ausging und mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 seine verheerendste Niederlage erlebte. Die DKP ist heute in mehrere einander offen bekämpfende Flügel gespalten. Moderne Revisionisten, Neorevisionisten und Linksreformisten kämpfen um die Vorherrschaft in dieser Partei, die sich seit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Verschwinden der DDR in einer tiefen Krise befindet. Doch es gibt auch eine wachsende Zahl von DKP-Mitgliedern und -Anhängern, die sich subjektiv als Revolutionäre verstehen und die Zusammenarbeit mit den Marxisten-Leninisten suchen.

Das Wesen des Revisionismus ist die Verwischung des Unterschieds zwischen Sozialismus und Kapitalismus. In der revisionistischen Strategie und Taktik wird deshalb der Unterschied zwischen Reform und Revolution verwischt. Im Parteiprogramm der DKP führt dies zu immer neuen Verrenkungen:

»Die DKP ist stets davon ausgegangen, dass die antimonopolistische und die sozialistische Umwälzung miteinander verbundene Entwicklungsstadien in dem einheitlichen revolutionären Prozess des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus sind.

Antimonopolistische Umwälzung bedeutet eine Periode des revolutionären Kampfes, in der noch Elemente des Kapitalismus und schon Keimformen des Sozialismus vorhanden sind. Zunächst werden noch die Elemente des Alten überwiegen, im Klassenkampf aber werden mehr und mehr die Wesenselemente der neuen Gesellschaft das Übergewicht erlangen müssen, wenn es der Konterrevolution nicht gelingen soll, den revolutionären Prozess zu ersticken.« (ebenda, S. 10)

Damit landet die DKP wieder bei der Illusion aller Opportunisten: beim evolutionären Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Das soll eine allmähliche Entwicklung sein, »in der noch Elemente des Kapitalismus und schon Keimformen des Sozialismus vorhanden sind«. Lenin kritisierte diese Verwischung von Kapitalismus und Sozialismus grundsätzlich, vom Standpunkt der Dialektik aus:

»Die Dialektik negiert absolute Wahrheiten, sie stellt den Wechsel der Gegensätze und die Bedeutung der Krisen in der Geschichte klar. Der Eklektiker will keine ›allzu absoluten‹ Behauptungen, um seinen kleinbürgerlichen, philisterhaften Wunsch, die Revolution durch ›Übergangsstufen‹ zu ersetzen, anbringen zu können.

Daß die Übergangsstufe zwischen dem Staat als Herrschaftsorgan der Kapitalistenklasse und dem Staat als Herrschaftsorgan des Proletariats eben die Revolution ist, die im Sturz der Bourgeoisie und im Zerbrechen, im Zerschlagen der Staatsmaschine der Bourgeoisie besteht, darüber schweigen die Kautsky und Vandervelde.« (»Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky«, Lenin, Werke, Bd. 28, S. 325)

Gerns erwähnt mit keiner Silbe die allgemeingültige Lehre der Oktoberrevolution, dass das revolutionäre Proletariat die bürgerliche Staatsmaschine, das zentrale Machtorgan der Diktatur der Monopole, zerschlagen und an ihrer Stelle seine Diktatur errichten muss, um die Ausbeuterklassen zu unterdrücken und sie als Klassen auszuschalten. Gerns verhält sich wie der Ahnvater aller Opportunisten, der Renegat Kautsky, den Lenin verspottete:

»Kautsky entnimmt dem Marxismus das, was für die Liberalen, für die Bourgeoisie annehmbar ist … und streicht, verschweigt und vertuscht vom Marxismus all das, was für die Bourgeoisie unannehmbar ist (die revolutionäre Gewalt des Proletariats gegenüber der Bourgeoisie, um diese zu vernichten).« (ebenda, S. 241)

Scheinbar geht die DKP auf die geschichtlichen Erfahrungen der Arbeiterbewegung ein, wie sie etwa 1973 in Chile gemacht wurden, als Panzer des Militärs die Hoffnung auf einen friedlichen Übergang zum Sozialismus niederwalzten:

»Die Erfahrungen des Klassenkampfes lehren, dass die Monopolbourgeoisie, wenn sie ihre Macht und Privilegien bedroht sah, stets versucht hat, den gesellschaftlichen Fortschritt mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern, bis hin zur Errichtung faschistischer Diktaturen und zur Entfesselung von Bürgerkriegen.« (Programm der DKP, S. 10)

Umso unverantwortlicher ist es, wenn die DKP – wider besseres Wissen – weiter die Illusion des friedlichen Wegs zum Sozialismus propagiert:

»Im harten Kampf muss ihr unvermeidlicher Widerstand überwunden und ein solches Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte erreicht werden, das es ermöglicht, die Reaktion an der Anwendung von Gewalt zu hindern und den für die Arbeiterklasse und ihre Bündnispartner günstigsten Weg zum Sozialismus durchzusetzen.« (ebenda)

Die revisionistische Konzeption einer strategischen »Gegenmacht« im Rahmen des Kapitalismus, welche die herrschenden Monopole daran hindern soll, ihren Gewaltapparat gegen die revolutionären Massen einzusetzen, soll nur den Verzicht auf den revolutionären Klassenkampf beschönigen.

Gegen die Methode, mit der Willi Gerns die Oktoberrevolution abhandelt, polemisierte schon Lenin in seiner Schrift »Staat und Revolution«:

»Mit der Lehre von Marx geschieht jetzt dasselbe, was in der Geschichte wiederholt mit den Lehren revolutionärer Denker und Führer der unterdrückten Klassen in ihrem Befreiungskampf geschah. … Nach ihrem Tode versucht man, sie in harmlose Götzen zu verwandeln, sie sozusagen heiligzusprechen, man gesteht ihrem Namen einen gewissen Ruhm zu zur ›Tröstung‹ und Betörung der unterdrückten Klassen, wobei man ihre revolutionäre Lehre des Inhalts beraubt, ihr die revolutionäre Spitze abbricht, sie vulgarisiert.« (Lenin, Werke, Bd. 25, S. 397)

Revolutionäre haben die Verantwortung, der Arbeiterklasse und den breiten Massen reinen Wein einzuschenken. Deshalb heißt es im Programm der MLPD:

»Die Arbeiterklasse wünscht, dass sich die Revolution ohne Gewaltanwendung durchsetzen würde. Doch die Frage der Gewalt stellt sich unabhängig vom Willen des Proletariats. Wenn die Kämpfe einen revolutionären Aufschwung nehmen, werden die Monopole nach allen geschichtlichen Erfahrungen versuchen, ihre Macht mit brutaler Gewalt aufrechtzuerhalten. Deshalb muss sich die Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei zum bewaffneten Aufstand erheben. Mit dem Sturz des Imperialismus und der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats erreicht der Klassenkampf des Proletariats seine höchste Form im Kapitalismus.« (»Programm der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands«, Januar 2000, S. 53/54)

Verrat an den allgemeingültigen Lehren der Arbeiterbewegung – das ist das Verhältnis der Revisionisten zur Oktoberrevolution!

Dogmatische Missachtung der Lehren der Oktoberrevolution

Die Dogmatiker in der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung beten die Oktoberrevolution Buchstabe für Buchstabe als »Allerheiligstes« an. Jede sachliche, historische oder gar kritische und schöpferische Beurteilung geißeln sie als Verrat. Die Gruppe »Trotz alledem« beispielsweise überschlägt sich in Vorwürfen gegen die MLPD. Die Notwendigkeit der prinzipiellen Auseinandersetzung mit ihren Auffassungen liegt weniger in der praktischen Relevanz dieser Gruppierung für den Klassenkampf in Deutschland als in der Klärung des grundsätzlichen Gehalts der Angriffe. In einer ihrer Veröffentlichungen ist zu lesen:

»In der Frage nach der Bedeutung der Oktoberrevolution zeigt sich der völlige ideologische Bankrott der MLPD … Ihre Haltung zur Oktoberrevolution bedeutet einen offenen Angriff auf den Marxismus-Leninismus, bedeutet, überhaupt die Revolution in Frage zu stellen.« (»Trotz alledem«, Nr.11/Dezember 1998, S. 1)

Diesem pompösen Rundumschlag folgt eine Kanonade übler Verfälschungen der Positionen der MLPD, um sie in die Ecke des Trotzkismus und Kautskyanismus zu rücken. Die Autoren von »Trotz alledem« können für ihren ausgemachten Unsinn weder einen einzigen Beleg anführen, noch können sie sich mit Unkenntnis der ideologisch-politischen Linie der MLPD herausreden. Sie streuen nur absurde Behauptungen aus, um Vorbehalte zu schüren. Vor allem bleibt ihnen die dialektische Betrachtung, die die MLPD leistet, ein Buch mit sieben Siegeln:

»Für einen klar denkenden Menschen ist diese Einschätzung der MLPD zunächst mal völlig unverständlich. Wieso soll die Oktoberrevolution eine weltweite Bedeutung, aber keinen internationalen Charakter haben.« (ebenda, S. 6)

Stalin erläuterte zum 10. Jahrestag 1927, »weshalb die Oktoberrevolution eine Revolution von internationaler, von Weltbedeutung ist«. (»Der internationale Charakter der Oktoberrevolution«, Stalin, Werke, Bd. 10, S. 208) Weiter führte er aus:

»Die Oktoberrevolution, die den Imperialismus erschüttert hat, schuf gleichzeitig in Gestalt der ersten proletarischen Diktatur eine mächtige und offene Basis der internationalen revolutionären Bewegung, wie diese sie vorher nie besessen hatte und auf die sie sich jetzt stützen kann. Sie schuf jenes mächtige und offene Zentrum der internationalen revolutionären Bewegung, wie sie es vorher nie besessen hatte und um das sie sich jetzt zusammenschließen kann bei der Organisierung der revolutionären Einheitsfront der Proletarier und der unterdrückten Völker aller Länder gegen den Imperialismus.« (ebenda, S. 212/213)

Damit beschrieb Stalin das allgemeine Wesen der Oktoberrevolution und ihre allgemeine Bedeutung für die Förderung der revolutionären Bewegung in allen Ländern. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Oktoberrevolution von ihrem konkreten Wesen her, in ihrer Form, eine Revolution von nationalem Charakter blieb. Willi Dickhut beurteilte 1991 den Charakter der Oktoberrevolution im Rahmen der Epoche der proletarischen Weltrevolution und vom Standpunkt des historischen Materialismus:

»Die russische Oktoberrevolution 1917 läutete die Umbruchphase vom Kapitalismus zum Sozialismus ein. Sie wurde das große Beispiel für die kommunistischen Arbeiterparteien in der Welt. Trotzdem hatte die Oktoberrevolution nationalen Charakter. Sie war siegreich, weil das zaristische Russland das schwächste Kettenglied in der Reihe der imperialistischen Staaten war. Die Oktoberrevolution bewirkte den Aufbau des Sozialismus in einem Lande. Die Revolution dehnte sich aber nicht weiter aus, revolutionäre Bewegungen in anderen Ländern wurden unterdrückt.« (»Über den internationalen Charakter der proletarischen Revolution«, Dokumente des IV. Parteitags der MLPD, S. 243)

Mit ihrer metaphysischen Einschätzung der Oktoberrevolution blockieren die Dogmatiker die Erkenntnis der Notwendigkeit der internationalen Revolution. Sie wollen ein Revolutionsmodell, das unter den besonderen Bedingungen von 1917 richtig – ja genial – war, starr auf die heutige Zeit übertragen. Dazu müssen sie wesentliche Veränderungen im Imperialismus und die unterschiedlichen Bedingungen in verschiedenen Ländern ignorieren.

Die Oktoberrevolution als Umsetzung der Strategie der internationalen Revolution

In grundlegender Übereinstimmung mit Marx und Engels nahm Lenin die internationale Revolution zum Ausgangs- und ständigen Bezugspunkt seiner revolutionären Strategie. Er sah in der russischen Revolution nur den Auftakt der internationalen Revolution, »nur ein Glied in der Kette der internationalen Revolution«. (Lenin, Werke, Bd. 31, S. 313)

Auf der Grundlage der durch den I. Weltkrieg hervorgerufenen revolutionären Krise, ausgelöst durch die Oktoberrevolution und den Bürgerkrieg in Russland, entfalteten sich in einer Reihe von kapitalistischen Ländern, Kolonien und Halbkolonien revolutionäre Bewegungen. Entgegen Lenins Erwartungen löste die Oktoberrevolution jedoch keine internationale Revolution aus. In keinem weiteren Land konnten sich Revolutionäre siegreich gegen die Konterrevolution durchsetzen. Dennoch hinderte die revolutionäre Bewegung in vielen Ländern den Weltimperialismus daran, seine Kräfte auf die Niederschlagung der russischen Revolution zu konzentrieren. Das unterstrich den untrennbaren Zusammenhang der Oktoberrevolution mit dem internationalen Klassenkampf.

Im Ausbleiben der internationalen Revolution sah Lenin keinen Grund für Pessimismus und Resignation. Obwohl seine Erwartungen nicht erfüllt wurden, verteidigte er, »daß wir alles auf die Karte der internationalen Revolution setzten – und das war unbedingt richtig«. (Lenin, Werke, Bd. 31, S. 391/392)

Auf dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale im Sommer 1921 wertete Lenin kritisch und selbstkritisch aus:

»Als wir seinerzeit die internationale Revolution begannen, taten wir es nicht in dem Glauben, daß wir ihrer Entwicklung vorgreifen könnten, sondern deshalb, weil eine ganze Reihe von Umständen uns veranlaßte, diese Revolution zu beginnen. Wir dachten: Entweder kommt uns die internationale Revolution zu Hilfe und dann ist unser Sieg ganz sicher, oder wir machen unsere bescheidene revolutionäre Arbeit in dem Bewußtsein, daß wir selbst im Falle einer Niederlage der Sache der Revolution dienen und daß unsere Erfahrungen den anderen Revolutionen von Nutzen sein werden. Es war uns klar, daß ohne die Unterstützung der internationalen Weltrevolution der Sieg der proletarischen Revolution unmöglich ist. Schon vor der Revolution und auch nachher dachten wir: Entweder sofort oder zumindest sehr rasch wird die Revolution in den übrigen Ländern kommen, in den kapitalistisch entwickelteren Ländern, oder aber wir müssen zugrunde gehen. Trotz dieses Bewußtseins taten wir alles, um das Sowjetsystem unter allen Umständen und um jeden Preis aufrechtzuerhalten, denn wir wußten, daß wir nicht nur für uns, sondern auch für die internationale Revolution arbeiten. Wir haben das gewußt, wir haben dieser Überzeugung wiederholt Ausdruck gegeben, sowohl vor der Oktoberrevolution als auch unmittelbar nach ihr und während des Abschlusses des Brest-Litowsker Friedens. Und das war, allgemein gesprochen, richtig.« (»III. Kongreß der Kommunistischen Internationale«, Lenin, Werke, Bd. 32, S. 502/503 – Hervorhebung Verf.)

Lenin hatte die objektiven Gesetzmäßigkeiten im Zeitalter des Imperialismus erkannt und ging deshalb in seiner Strategie strikt von der internationalen proletarischen Revolution aus. In seiner Rede zum dritten Jahrestag der Oktoberrevolution stellte er fest:

»Wir wußten damals, daß unser Sieg nur dann von Dauer sein wird, wenn unsere Sache in der ganzen Welt siegt, denn wir hatten ja unser Werk ausschließlich in der Erwartung der Weltrevolution begonnen(Lenin, Werke, Bd. 31, S. 391 – Hervorhebung Verf.)

Lenins konkrete Erwartung erfüllte sich nicht. Die Faktoren der proletarischen Revolution waren zwar in Russland gegeben, aber objektiv und subjektiv in den übrigen kapitalistischen Ländern noch nicht ausgereift. Eine internationale Kettenreaktion von Revolutionen zum Sturz des Imperialismus und zur Errichtung einer »Union der sozialistischen Räterepubliken der Welt und des wirtschaftlichen Zusammenschlusses der Werktätigen aller Länder in der einheitlichen Weltwirtschaft des Sozialismus, die das Weltproletariat nach der Eroberung der Staatsmacht verwirklichen muß«, kam nicht zustande. (Protokoll des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, in: »Die Kommunistische Internationale in Thesen, Resolutionen, Beschlüssen und Aufrufen«, Bd. 2, S. 322)

Trotz dieser Erfahrung wies die Führung der KPdSU völlig berechtigt jegliche Kapitulation zurück und bewies in den folgenden Jahrzehnten, dass in Russland nicht nur die proletarische Revolution siegen, sondern auch der Sozialismus aufgebaut werden konnte. Entgegen der theoretischen und praktischen Herangehensweise Lenins betrachten die Dogmatiker mit ihrer metaphysischen Denkweise die Oktoberrevolution nicht als Bestandteil der internationalen Revolution. Das mag in Zeiten relativer Ruhe im Klassenkampf noch entschuldbar sein, weil dann alles darauf ankommt, die revolutionäre Arbeiterbewegung in den einzelnen Ländern wieder aufzubauen, zu stärken und zu festigen. Seit der Einleitung der neuen Umbruchphase vom Kapitalismus zum Sozialismus durch die Neuorganisation der internationalen Produktion ist diese Position aber unverzeihlich, denn sie würde unweigerlich in die Niederlage führen.

Stefan Engel, „Die siegreiche Oktoberrevolution und die Strategie der internationalen proletarischen Revolution“ aus „Morgenröte der internationalen sozialistische Revolution“ S. 32-45



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