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Die aktuelle politische Situation in Nepal im Kontext des Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung (CAB)

von Mohan Bikram Singh, Nepal Communist Party (Mashal), 24. Dezember 2016

Geographisch ist Nepal von Ost nach West in drei Regionen geteilt. Im Norden sind hohe Berge oder der Himalaja, in der Mitte sind Hügel und im Süden die ebenen Flächen, die auch Terai oder Madhesh genannt werden. Der Norden grenzt an China und der Osten, Süden und Westen grenzen an Indien. Nepal ist ein Binnenstaat. Zwischen Nepal und China liegt der hohe Himalaja; der Osten, Süden und Westen haben eine offene Grenze zu Indien.

Gegenwärtig ist die Frage des Terai ein sehr ernstes, kritisches und kompliziertes politisches Problem für Nepal geworden, und es ist auch weltweit bekannt. Das Terai wird überwiegend von Menschen der Madhesi und Tharu bewohnt, und sie sind zumeist hart arbeitende Bauern. Sie wurden und werden von Feudalherren oder Grundbesitzern ausgebeutet und unterdrückt, die sowohl aus der Hügel-Region als auch dem Madhesh stammen. In der Vergangenheit hat die Kommunistische Partei Nepals große Bauernkämpfe gegen die feudale Ausbeutung im Terai organisiert. Aber gegenwärtig ist die Bauernbewegung im Terai wegen wachsender regionaler Richtungen so gut wie erlahmt.

Um das Problem des Terai richtig zu verstehen, sollten wir eine Unterscheidung zwischen den zwei Begriffen – Menschen der Madhesi und Madheshbadis – machen. Auf den ersten Blick scheinen beide Begriffe dieselbe Bedeutung zu haben. Aber in Wirklichkeit unterscheiden sich beide Begriffe fundamental. Madhesis sind die ausgebeuteten Menschen des Terai. Aber Madheshbadis sind eine Handvoll Personen, die daran arbeiten, die Interessen des Indischen Expansionismus (IE) in Nepal zu erfüllen. In den letzten Jahrzehnten haben sie mit Unterstützung des IE verschiedene politische Organisationen gebildet.

Die Führung der Madheshbadis setzt sich vor allem aus eingebürgerten Einwohnern zusammen, die aus Indien eingewandert sind, und aus großen Madhesh-Grundbesitzern des Terai. Viele von ihnen waren Minister in verschiedenen Kabinetten Nepals, und einige von ihnen sind sogar heute Parlamentsmitglieder. Politisch repräsentieren sie eine reaktionäre Richtung. Im Parlament waren sie immer entschiedene Gegner jeglicher Art von Landreformen. Sie setzen immer alles daran, das bestehende feudale System aufrechtzuerhalten. Der Regionalismus ist in ihren Händen eine Waffe geworden, um ihre pro-indischen und feudalen Interessen zu wahren und die ausgebeuteten Menschen im Terai unter ihrem Einfluss zu halten. Sie sind dafür, die den örtlichen Organen gewährten Rechte zu beschneiden.

Die politischen Parteien in Nepal einschließlich der Kommunistischen Partei haben nie gefordert, das föderale System in Nepal einzuführen. Die Madheshbadis waren die ersten, die den Föderalismus für Nepal forderten. Unter dem Druck des Indischen Expansionismus haben sich die politischen Parteien in Nepal, unter der Führung von Girija Parasad Koirala, darauf geeinigt, die Interimsverfassung zu ändern und darin die Föderalismus-Klausel einzufügen. Unsere Partei war jedoch von Anfang an gegen den Föderalismus.

Schon lange hat Indien die Politik angewandt, dass viele gegenwärtige Madheshbadi-Führer bedeutende politische Parteien Nepals unterwandern, vor allem den Nepali Congress und auch in gewissem Ausmaß die UML. Aber später betrieb der Indische Expansionismus die Bildung eigener politischer Organisationen der Madheshbadis. Vor diesem Hintergrund entstanden verschiedene politische Organisationen der Madheshbadis im Terai, die jetzt planmäßig daran arbeiten, die expansionistischen Interessen Indiens in Nepal zu erfüllen.

Im Vergleich zu anderen Teilen Nepals greift der Feudalismus am stärksten im Terai um sich. Deshalb ist es das Hauptproblem des Terai, den Feudalismus abzuschaffen. Aber die Madheshbadis haben dazu eine ziemlich entgegengesetzte Position. Sie sind daran interessiert, ihre Ausbeutung und Unterdrückung der Menschen mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten. Der Föderalismus und der Regionalismus sind die hauptsächlichen Waffen, die ihnen dabei dienen. Im Parlament haben sie hart darum gekämpft, dass das Thema der Bodenordnung den Pradesh(Provinz-)-Regierungen vorbehalten bleibt, damit sie immer in der Lage sein würden, die Landreform zu blockieren. Eine solch reaktionäre Sichtweise macht sie unfähig, das Problem der Menschen im Terai richtig zu sehen.

Seit die Briten Indien verlassen haben, hat die herrschende Klasse Indiens eine expansionistische Politik gegenüber Nepal verfolgt. Es geht ihnen nicht nur um politische oder wirtschaftliche Dominanz, sondern auch darum, Nepal Indien einzuverleiben. Sardar Ballavbhai Patel, der frühere Stellvertretende Premierminister und Innenminister von Indien, äußerte die Ansicht, dass, wie beim Nizam von Hyderabad [Anm. Übers.: fürstlicher Herrscher in Britisch Indien], bewaffnete Kräfte eingesetzt werden sollten, um Nepal der Indischen Union einzuverleiben. Von Anfang an sind die herrschenden Klassen Indiens der Linie von Sardar Patel auf die eine oder andere Art gefolgt. Aber in jüngerer Zeit verfolgen die verschiedenen Regierungen Indiens mehr oder weniger den Umweg einer liberalen Politik, statt die von Patel benutzte Hyderabad-Methode direkt anzuwenden. Einer der wichtigen Faktoren, die mehrfach zu Nepals Unabhängigkeit beitrug, ist die fortdauernde Bewegung des nepalesischen Volkes zur Verteidigung der Nationalität, Souveränität und Integrität Nepals gegen die indische Einmischung. Weitere wichtige Faktoren sind die internationale öffentliche Meinung und die Präsenz von China im Norden von Nepal.

Es gab einen gewissen Unterschied zwischen der Linie von Patel und Nehru. Ersterer war, wie oben erwähnt, für die direkte Aktion zur Verschmelzung Nepals mit Indien, während Nehru die vergleichsweise liberale Politik der Vorherrschaft über Nepal bevorzugte.

Der gegenwärtige Premierminister von Indien, Narendra Modi, unterstützt eher die Linie von Patel als die von Nehru.

Die Regierung Modi tut alles, um den Traum von Sardar Patel Wirklichkeit werden zu lassen: das Terai von Nepal zu annektieren als erster Schritt zur Erreichung jenes Ziels. Vorläufig liegt ihr Schwerpunkt auf der Änderung der von der Verfassunggebenden Versammlung (CA) von Nepal beschlossenen Verfassung. Der Vorschlag für die Verfassungsänderung wurde zuerst von der indischen Regierung vorgebracht, obwohl sie das immer geleugnet hat. Eine führende indische Zeitschrift, „India Today“, hat den vollständigen Text des von der indischen Regierung vorgebrachten Vorschlags für die Verfassungsänderung veröffentlicht. Die Madheshbadis haben dafür geworben, um Druck auf das Parlament oder die Regierung zu machen, die Änderungen anzunehmen. Es war unter dem direkten Druck der Madheshbadis und dem indirekten Druck der indischen Regierung, dass die Regierung Prachanda die Vorlage zur Verfassungsänderung (CAB) eingebracht hat. Der Gesetzentwurf zielt hauptsächlich darauf, aus den 5 Bezirken des Terai, die zu Provinz Nr. 5 gehören, eine getrennte Provinz (Bundesstaat) zu machen und sie so von der Hügel-Region zu trennen. Was das Problem sehr ernst macht, sollte der Gesetzentwurf vom Parlament beschlossen werden: Es wird den Weg dafür bereiten, den Prozess der Bildung von Madhesh-Provinzen im gesamten Terai zu verstärken und es vollständig von der Hügel-Region zu trennen.

Der Verfassung nach ist Nepal in sieben Provinzen geteilt. Von diesen Provinzen setzt sich die Nr. 2 vollständig aus Bezirken zusammen, die zum Terai gehören. Alle anderen Provinzen verbinden Bezirke sowohl aus dem Terai als auch aus der Hügel-Region miteinander. Indien hat immer betont, dass aus allen Bezirken des Terai zwei getrennte Provinzen gemacht werden sollen, so dass sie jeweils von der Hügel-Region getrennt werden. Dies ist ein Teil ihrer Strategie, um erst einmal das gesamte Terai abzutrennen, um es frei zu machen und später Indien einzuverleiben. Ein solcher Erfolg seitens des Indischen Expansionismus würde dessen Linie deutlich machen, ganz Nepal unter indische Vorherrschaft zu bringen und den Traum von Sardar Patel zu erfüllen.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen setzt sich die Regierung zusammen aus Maoist-Centre und der Nepalesischen Kongresspartei und wird von Prachanda geführt unter dem „großen Plan“ Indiens, dass sie im Sinne der Verwirklichung von dessen expansionistischen Zielen in Nepal arbeitet. Aufgrund einer solchen Verpflichtung hat die Prachanda-Regierung den Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung vorgelegt.

Als Erstes hat die Modi-Regierung in Indien eine Blockade gegen Nepal verhängt, um zu erzwingen, dass die Verfassungsänderungen angenommen werden. Das Ziel dieser Änderungen war es, den Weg dafür zu bereiten, dass Nepal schließlich ein zweites Sikkim wird. Nachdem die indischen Bemühungen gescheitert sind, versuchte Indien als Zweites, das Problem des Madhesh und der Verfassung Nepals zu internationalisieren. Sich auf zwei hauptsächliche Punkte konzentrierend versucht Indien, Einfluss zu gewinnen, indem es gegenüber der internationalen Gemeinschaft den Eindruck erweckt, dass 1. Die Verfassung Nepals unvollständig sei und 2. die Rechte der Madhesh-Menschen in der Verfassung nicht gut verteidigt seien. Auch unsere Partei, die NCP (Mashal), hat viele grundlegende Differenzen mit den Bestimmungen der Verfassung, und wir haben dafür gekämpft, sie zu verändern. Von Anfang an waren wir gegen den Föderalismus mit dem Fokus darauf, die Bestimmung des Föderalismus zu ändern. Ebenso sind wir mit vielen anderen Bestimmungen nicht einverstanden, die die Bürgerrechte und die Bodenordnung betreffen. In strategischer Hinsicht ist es unser grundlegendes Ziel, das bestehende politische System einschließlich der Verfassung durch ein neudemokratisches System zu ersetzen. Aber in taktischer Hinsicht kämpfen wir darum, die Verfassung, die Republik, den Säkularismus und viele andere positive Bestimmungen zu verteidigen. Die Art und Weise jedoch, wie Indien Veränderungen der Verfassung veranlassen will, entspricht weder dem nationalen Interesse Nepals noch dem Interesse der Madeshi oder Tharu-Menschen im Terai.

Aber die Madheshbadis sind nicht zufrieden mit dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf, da er nur fünf Bezirke zu Provinz Nr. 5 machen will. Es ist weit weniger als ihre Forderung, zwei Madhesh-Provinzen im gesamten Terai von Osten nach Westen zu machen.

Nachdem der Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung beim Sekretariat eingereicht wurde, findet eine Massenbewegung statt im gesamten Land im Allgemeinen und in der Provinz Nr. 5 im Besonderen. Es ist erwähnenswert, dass fast alle Parlamentsmitglieder der herrschenden Parteien und ihre Parteiarbeiter an der Basis ebenfalls ihre Stimme gegen den Gesetzentwurf erhoben und sich der Bewegung angeschlossen haben. Wegen solch einer starken Opposition innerhalb und außerhalb des Parlaments ist die Regierung bisher nicht in der Lage, den Gesetzentwurf dem Parlament vorzulegen.

Der Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung erfordert für seine Billigung eine Zweidrittelmehrheit aller Parlamentsmitglieder. Aber nicht nur die gemeinsame Parlamentsopposition, sondern auch viele Parlamentsmitglieder, die den herrschenden Parteien, Maoist-Centre und Nepali Congress, angehören, haben auch bereits erklärt, dass sie gegen den Gesetzentwurf stimmen werden, wenn er im Parlament zur Abstimmung gestellt wird. Es ist also offensichtlich, dass die Chance seiner Verabschiedung im Parlament sehr klein ist.

Die indische Regierung hat den Gesetzentwurf öffentlich unterstützt, obwohl er weit hinter den Anforderungen Indiens zurückbleibt. Anscheinend denken sie, dass es besser ist, das zu sichern, was man erreicht hat, und dann ihre Bemühungen fortzusetzen, das zu erreichen, was noch ausgelassen wurde. Die Teilung der Provinz Nr. 5 und die Bildung einer Madhesh-Provinz daraus wäre auch ein großer Gewinn für sie. Andererseits ist das ein taktisches Manöver von ihnen. Die indische Botschaft hat ein Treffen mit allen bedeutenden Madheshbadi-Führern durchgeführt und sie instruiert, ihrem taktischen Manöver zu folgen. Solch eine Anweisung von Seiten der indischen Botschaft gegenüber den Madheshbadis zeigt auch, dass die sogenannte Bewegung der Madheshbadis keine unabhängige ist, sondern ein Teil der indischen expansionistischen Strategie.

Indien hat in den letzten Monaten viele Misserfolge gehabt. Es gelang nicht, die politischen Parteien oder die Regierung Nepals zu zwingen, die Verfassung so zu schreiben, wie Indien es sich wünscht, und auch der Versuch, sie zu veranlassen, die Verkündung der Verfassung zu verschieben, erwies sich als ein aussichtsloses Unterfangen. Sie sind auch damit gescheitert, Sushil Koirale, den Präsidenten der Nepalesischen Kongresspartei zum Premierminister Nepals zu machen. Auch die Blockade erreichte nicht ihr Ziel, nämlich die Regierung Nepals zu zwingen, die von Indien vorgebrachten Verfassungsänderungen durchzusetzen. Allerdings waren sie teilweise damit erfolgreich, die Oli-Regierung zu stürzen und sie durch eine Koalitionsregierung aus Maoist-Centre und Nepali Congress unter Führung von Prachanda zu ersetzen. Dieser Erfolg ihrerseits wurde ermöglicht durch Maoist-Centre, einen wichtigen Partner in der Oli-Regierung, die ihre Unterstützung für die Oli-Regierung zurückzog. Als Preis dafür wurde Prachanda mit der Unterstützung von Nepali Congress und dem Indischen Expansionismus zum Premierminister gemacht.

Der Druck auf die Prachanda-Regierung wächst immer mehr, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Aber Prachanda hat wiederholt erklärt, er werde auf keinen Fall den Entwurf zurückziehen. Er fürchtet, die Unterstützung der Madheshbadis und der indischen Regierung zu verlieren, wenn er den Gesetzentwurf zurückzieht, und das könnte dazu führen, dass er sofort den Posten des Premierministers räumen muss. Gemäß der Übereinkunft zwischen Maoist und Congress wird er nach fünf Monaten die Macht an Sher Bahadur Deuba, dem Präsidenten der Nepalesischen Kongresspartei, übergeben. Also ist er (Prachanda) nur Premierminister auf Zeit. Aber dessen ungeachtet versucht er sein Möglichstes, den Interessen des Indischen Expansionismus zu dienen, indem er Druck für den Gesetzentwurf macht. Selbst wenn der Gesetzentwurf nicht verabschiedet wird, wird er so sein Gesicht wahren können mit der Begründung, dass er sein Bestes gegeben habe, damit der Gesetzentwurf im Parlament verabschiedet würde.

Gegenwärtig konzentriert sich die landesweite Bewegung in Nepal gegen den Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung. Aber selbst wenn die Bemühungen der Regierung scheitern, den Gesetzentwurf im Parlament durchzubringen, wird die vom Indischen Expansionismus ausgehende Gefahr nicht gelöst sein. Der Indische Expansionismus und die Madheshbadis werden einen anderen Schritt unternehmen, um die Koalitionsregierung aus Unity Centre und Nepali Congress dazu zu bringen, ihren expansionistischen Zielen zu dienen. Deshalb hat die Gefahr, die der Indische Expansionismus für die Nationalität, Souveränität und Integrität bedeutet, einen langfristigen Charakter. Die Situation, die heute durch den Gesetzentwurf für die Verfassungsänderung geschaffen wurde, hat einen langen Hintergrund, und es ist sicher, dass sie in Zukunft verschiedene Phasen durchmachen wird. Der pro-indische Charakter nepalesischer politischer Parteien wird das Problem von Nepal um ein vielfaches kritischer und komplizierter machen. Aber es gibt auch helle Seiten. Das nepalesische Volk hat sich der von Patel ausgehenden Gefahr erfolgreich gestellt, und wir sind überzeugt, dass das nepalesische Volk erfolgreich die Nationalität, Souveränität und Integrität Nepals auch in Zukunft verteidigen wird.


Anm. Übersetzer: Die Schreibweise Tarai, von MBS verwendet, gibt es neben Terai, in deutschen Texten wird Terai regelmäßig benutzt, und so auch in dieser Übersetzung. Madhes/Madhesh und Madhesbadi/Madheshbadi wird mal so, mal so im Text von MBS verwendet. Beide Schreibweisen kann man in Texten finden. In der Übersetzung auf Madhesh/Madheshbadi vereinheitlicht, um keine Verwirrung zu erzeugen.

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