Bolschewistische Lehren über die Praxis des revolutionären Aufstands
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In seinem Werk Anti-Dühring schrieb Engels, „dass die Gewalt aber noch eine andre Rolle in der Geschichte spielt, eine revolutionäre Rolle, dass sie, in Marx' Worten, die Geburtshelferin jeder alten Gesellschaft ist, die mit einer neuen schwanger geht, (...) dass sie das Werkzeug ist, womit sich die gesellschaftliche Bewegung durchsetzt und erstarrte, abgestorbene politische Formen zerbricht – ...“
Lenin orientierte sich an den Schriften von Marx und Engels, als er schrieb: „Die großen Probleme im Leben der Völker werden nur durch Gewalt entschieden.“
Auf der Grundlage dieser revolutionären Logik und ausgehend von der revolutionären Praxis der Bolschewiken unter Lenins Führung, bekommen wir ganz neue Lehren über den bewaffneten Aufstand, und so wird sich unsere Auseinandersetzung in dieser Sitzung auf die vier folgenden Lehren für die revolutionäre Praxis ausrichten:
1 – Die Strategie und Taktik des bewaffneten Aufstands;
2 – Die Beziehungen zwischen der demokratischen Revolution und der sozialistischen Revolution;
3 – Die Flexibilität in der Kampftaktik;
4 – Die Organisationsformen und die Losungen.
Die vier Themen können widersprüchlich erscheinen, aber in Wirklichkeit bilden sie eine dialektische und organische Einheit auf drei Ebenen:
1 – die vier Themen sind notwendige Elemente der Strategie und Taktik des Klassenkampfs;
2 – die vier Themen sind praktische Aufgaben der revolutionären Kämpfer während des bewaffneten Aufstands.
3 – die vier Themen erfordern Organisationsformen, die genau auf die konkrete politische Situation zugeschnitten sind und sich auf ein sehr präzises politisches Programm stützen sowie auf eine konkrete Analyse der konkreten Situation.
Strategie und Taktik des bewaffneten Aufstands
Die Entwicklung der bolschewistischen Erfahrung seit der Gründung der russischen sozialdemokratischen Partei ruft uns über die Schrift von Lenin „Was tun?“ von 1902 eine erste Etappe ihrer Strategie ins Gedächtnis, die sich zusammenfassen lässt im Aufbau der Klassenpartei neuen Typs und der Gewinnung von neuen kämpferischen Mitgliedern; dies alles mithilfe einer Agitation und Propaganda, die eine Taktik der Erfüllung tagtäglicher, laufender Tätigkeiten verfolgt und auf diese Weise die Kräfte vorbereitet, die Bewegung vertieft usw.
Bald überlässt diese erste Etappe einer neuen den Platz, einer Etappe, die ihren Höhepunkt 1905 findet, wo sich die politische Arbeit innerhalb der Arbeiter- und Bauernmassen häuft. Diese subjektive Entwicklung der Partei erfolgt parallel zur objektiven Entwicklung wirtschaftlicher und sozialer Krisen in ganz Russland, noch verschärft durch die Niederlage Russlands gegenüber der japanischen Armee. Das ist also die Etappe einer akuten revolutionären Krise, die sich rasch entwickelte und Aufruhr und Massenaufstände (von Januar und Februar 1905) hervorrief. Der Dritte Parteikongress der russischen Sozialdemokratie vom Mai 1905 in London hat die neue strategische und taktische Sicht hervorgehoben als Antwort auf diese neue Lage. In seinem Werk „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“ verteidigt Lenin genau diese von den Bolschewiken während der Revolution von 1905 verfolgte Strategie und Taktik, vor allem bei den Aufständen der Monate Oktober und Dezember.
Diese Auffassung von der Strategie und Taktik des bewaffneten Aufstands, die auf dem 3. Parteikongress von 1905 erarbeitet und danach vertieft und während der Oktoberrevolution von 1917 umgesetzt wurde, hat zu herausragenden Ergebnissen geführt.
Dieses erste Thema von Block 3 wirft möglicherweise mehrere Fragen bei den Teilnehmern auf, hier nur einige Beispiele:
1 – In welcher konkreten Situation muss eine solche Strategie und Taktik des bewaffneten Aufstands von einer revolutionären Partei erfolgreich durchgeführt werden?
2 – Bis zu welchem Grade war die bolschewistische Strategie und Taktik des bewaffneten Aufstands im Oktober 1917 erfolgreich?
3 – Können revolutionäre Parteien und Organisationen heutzutage die gleiche Strategie und Taktik anwenden, unter Berücksichtigung der technischen und industriellen Entwicklung der militärischen Ausrüstung und des Gewaltapparats des Klassengegners?
Die Teilnehmer sind dazu aufgefordert, mit ihren verschiedenen Stellungnahmen dieses Thema aufzugreifen.
Die Beziehungen zwischen der demokratischen Revolution und der sozialistischen Revolution
In seiner Schrift „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“ erinnert Lenin an eine Warnung von Marx, der sagte: „Die Verwechslung des kleinbürgerlichen Kampfes für die vollständige demokratische Umwälzung mit dem proletarischen Kampf für die sozialistische Revolution droht dem Sozialisten mit politischem Bankrott.“ Und er fügte hinzu: „Unsere Losung: revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft hingegen bietet die volle Garantie, dass dieser Fehler vermieden wird. Denn unsere Losung erkennt vorbehaltlos den bürgerlichen Charakter der Revolution an, die unfähig ist, über den Rahmen einer nur demokratischen Umwälzung unmittelbar hinauszugehen, treibt aber zugleich diese Umwälzung vorwärts, ist bestrebt, dieser Umwälzung die für das Proletariat vorteilhaftesten Formen zu geben, und ist folglich bestrebt, die demokratische Umwälzung für die Zwecke des weiteren erfolgreichen Kampfes des Proletariats für den Sozialismus in denkbar bester Weise auszunutzen.“
Nach diesem Zitat unterscheidet Lenin eindeutig die kleinbürgerlich demokratische Revolution von der proletarisch sozialistischen Revolution, aber gleichzeitig hat die revolutionäre bolschewistische Strategie und Taktik sehr wohl eine Verbindung zwischen beiden Revolutionen hergestellt, indem sie die eine (demokratische Revolution) zu einer kausale Bedingung der anderen (sozialistischen Revolution) macht. Und um das umzusetzen, fordert Lenin ein enges Bündnis zwischen Proletariat und armen Bauern, die direkte Nutznießer dieser demokratischen Revolution sind und ausgehend davon können die Proletarier ihre sozialistische Revolution zum Erfolg bringen.
Diese Auffassung wird in den Schriften Lenins seit der Revolution von 1905 sehr klar, und danach konnten die bolschewistischen Kämpfer in einem Prozess der Umsetzung dieser Auffassung und ihrer Vertiefung ihre sozialistische Revolution vom Oktober 1917 zum Erfolg führen.
Auch hier können mehrere Fragen von den Teilnehmern gestellt und diskutiert werden:
1 – Warum dieses Beharren auf einen notwendigen Übergang über eine bürgerlich- demokratische Revolution vor dem Anpacken einer sozialistischen Revolution?
2 – Ist diese Strategie und Taktik eine historische Besonderheit bedingt durch die konkrete Situation im Russland der damaligen Zeit wo man sich zu allererst und vor einer sozialistischen Revolution von der autokratischen Zarenherrschaft, vom Feudalismus und der Sklaverei befreien wollte; oder aber kann man sie (besagte Strategie und Taktik) als ein allgemeingültiges Gesetz verstehen, das man auf die Situation der verschiedenen Länder von heute anwenden kann?
Die Teilnehmer können ihren Standpunkt auch zu diesen Fragen darlegen.
Die Flexibilität in der Kampftaktik
Als Bewunderer der Schriften von Carl von Clausewitz über den Krieg, hat Lenin dessen These in beachtlicher Weise umgesetzt, die besagt, dass „der Krieg einfach die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist; denn während der Zusammenstöße im Klassenkampf setzen die Herrschenden alle ihre repressiven menschlichen Kräfte und alle ihre technischen und materiellen Mittel ein, um sämtliche demokratischen Forderungen der Proletarier und armen Bauern zunichte zu machen und zu unterdrücken. Der Verlauf der Konfrontationen und Gefechte zwischen den ungleichen Kräften beider Klassen erforderte von der proletarischen Taktik eine sehr große Flexibilität, und das fällt in den Bereich der Kriegskunst in vollständiger Übereinstimmung mit dem dialektischen Materialismus und der marxistisch-leninistischen Wissenschaft.
Hier nun Beispiele von Fragen die aufgeworfen werden können und verdienen, diskutiert zu werden:
1 – Gibt es konkrete Situationen, die es für die bolschewistischen Revolutionäre erforderlich machten, während der Oktoberrevolution eine flexible Taktik anzuwenden, um ihre Ziele zu erreichen?
2 – Welche Rolle hat möglicherweise der Begriff der Notwendigkeit und des Zufalls bei den Entscheidungen und der Flexibilität in der Kampftaktik während des bewaffneten Aufstands vom Oktober 1917 gespielt?
Andere Fragen und Antworten können von den verschiedenen Teilnehmern aufgeworfen werden.
Die Organisationsformen und die Losungen
Stalin hat 1923 in seinen Beiträgen mit dem Titel „Die Strategie und Taktik der russischen Kommunisten“ vor den Arbeiterklubs und den Klubs der kommunistischen Studenten an der Universität ausgeführt, dass man während des Klassenkrieges alle möglichen Organisationsformen anwenden und sie an die konkrete Situation anpassen muss. Also verändern sich die Organisationsformen entsprechend der Formen der konkreten Kämpfe.
Nach Stalin muss sowohl auf politischem als auch auf militärischem Gebiet die gewählte Organisation immer an die Kampfformen angepasst werden. Und in diesem Fall gibt es eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten: Untergrundorganisationen von Berufsrevolutionären unter den Regimes von Tyrannen; Bildungs-, gewerkschaftliche, genossenschaftliche oder parlamentarische Organisationen, Fabrikkomitees, Bauernkomitees, Streikkomitees, Komitees der Arbeiter- und Soldatendeputierten, Komitees revolutionärer Soldaten. Die revolutionäre proletarische Partei kann alle diese Organisationsformen vereinen, vor allem in Zeiten der Massenaktionen und Aufstände.
Das sind im wesentlichen die Organisationsformen, auf die sich das Proletariat im Kampf gegen die allein herrschende Bourgeoisie unter den gegebenen Umständen stützen kann und muss.
Stalin hat darauf bestanden, dass die Partei sich alle diese Organisationsformen zu eigen machen muss, sie weiterentwickeln und jederzeit klug kombinieren muss.
Andererseits hat Stalin die große Bedeutung hervorgehoben, die richtigen Formulierungen der Losungen zu beschliessen, welche die Ziele des Aufstands und des Klassenkriegs oder der Konfrontation zum Ausdruck bringen.
Die Losung ist nach Stalin der eindeutige und prägnante Ausdruck der unmittelbaren oder langfristigen Kampfziele, wie sie von einer führenden Gruppierung vorgegeben wird. Die entsprechend der Kampfziele unterschiedlichen Losungen umfassen entweder eine ganze historische Periode, bestimmte Phasen oder einzelne Episoden dieser Periode.
Von den Teilnehmern dieses Blocks können diverse Fragen zu den Organisationsformen und Losungen aufgeworfen und diskutiert werden.