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Stefan Engel: Einleitungsrede der 2. Weltkonferenz der ICOR

1. April 2014

 

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

im Namen des ICC darf ich Euch zur 2. Weltkonferenz der ICOR recht herzlich willkommen heißen.

Ich begrüße die insgesamt 47 Delegierten von 28 Mitgliedsorganisationen.

Ein herzliches Willkommen auch an die Gäste aus Sri Lanka von zwei Organisationen, die sich um eine Mitgliedschaft in der ICOR bemühen und die wir als Gäste eingeladen haben.

Es ist uns eine besondere Ehre, Euch zu unserer Konferenz begrüßen zu dürfen.

Ich begrüße ferner die 58 Unterstützer von insgesamt neun Organisationen, die diese Konferenz in den letzten Tagen hervorragend vorbereitet haben – eine echt internationalistische Leistung.

Liebe Genossinnen, liebe Genossen, bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, werde ich die Namen der Genossen verlesen, die verstorben sind:

Das sind:

  • Genosse Vladimir Spasov, Vorsitzender der Bulgarischen Kommunistischen Partei, Bulgarien

  • Genossin Katja Ivanova, Vorstandsmitglied der Bulgarischen Arbeiterpartei Kommunisten, Bulgarien

  • Genosse Joseph Roney, Gründungsmitglied der Neuen Kommunistischen Partei von Haiti (Marxisten-Leninisten), Haiti

  • Genosse Kamal El Hassani, Mitglied von Marokkanische Marxisten-Leninisten, Proletarische Linie Marokko

  • Genosse Nouredine Abdelouhabe, Mitglied von Marokkanische Marxisten-Leninisten, Proletarische Linie Marokko

  • Genosse Nar Bahadur Karmacharya, Gründungsmit-glied der Kommunistischen Partei Nepal – heute NCP (Mashal), Nepal, und CPN(Unified), Nepal

  • Genosse Parviz Vaez-Zade, Mitglied von Ranjbaran, Iran

  • Genossin Mahvash Jasemi, Mitglied von Ranjbaran, Iran

  • Genossin Tarane Lotfalian, Mitglied von Ranjbaran, Iran

  • Genosse Zia Nasiri, Mitglied von Ranjbaran, Iran

  • Genossin Annie Maasbommel, Mitglied von Rode Morgen, Niederlande

  • Genossin Magda Maasbommel, Mitglied von Rode Morgen, Niederlande

  • Genosse Sashel Sassi, Mitglied von PPSR-WATAD, Tunesien

  • Genosse Yilmaz Selcuk, Mitglied der MLKP, Türkei-Nordkurdistan

  • Genossin Yasemin Ciftci, Mitglied der MLKP, Türkei-Nordkurdistan

  • Genosse Serkan Tosun, Mitglied der MLKP, Türkei-Nordkurdistan

Besonders hervorheben möchte ich den Genossen Shobane Mpiake, Vorsitzender der CPSA(ML) Südafrika, einer der Initiatoren der ersten Stunde für das Zustandekommen der ICOR.

Wir gedenken auch der Opfer, die im Kampf für Freiheit, Demokratie und Sozialismus ihr Leben gelassen haben.

Ich bitte, Euch für eine Gedenkminute von den Plätzen zu erheben. Danke!

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

das Zusammenkommen dieser 2. Weltkonferenz ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Die erste Hürde ist natürlich, angesichts der vielen Aufgaben unserer Mitgliedsorganisationen die Bedeutung der 2. Weltkonferenz der ICOR zu verstehen und alles für eine Teilnahme zu unternehmen. Eine ganze Reihe haben abgesagt, weil sie aus unterschiedlichen Gründen zu Hause bleiben mussten.

Auch die geringen Kräfte und finanziellen Mittel sind jedes Mal ein wichtiges Hindernis für die Anreise zu ICOR-Konferenzen.

Die hauptsächlichen Hindernisse gehen allerdings von den bürokratischen Schikanen des Klassengegners aus, die auch dieses Mal wieder verschiedentlich die Einreise einiger Delegierter unmöglich machten.

Umso bedeutender ist es, dass diese 2. Weltkonferenz mit der notwendigen Beschlussreife zustande gekommen ist.

Erinnern wir uns an die Gründungskonferenz, bei der wir zunächst so manchen Zweifel über die Aussichten dieses historisch neuen Pionierprojektes zu überwinden hatten, um

67 Jahre nach der Auflösung der dritten Internationalen den Schritt hin zu einer neuen internationalen Organisation des revolutionären Proletariats und aller um ihre Befreiung kämpfenden unterdrückten Massen“ zu wagen.

Heute stehen wir vor der Aufgabe, nach einer über 3-jährigen Aufbauphase eine nüchterne Bilanz dieses Projektes zu ziehen. Beginnen wir mit den politischen Herausforderungen, unter denen sich das zarte Pflänzchen ICOR seinen Platz auf der Welt erkämpfen musste:

Erstens:

Ein allgemeiner Hintergrund für die politische Entwicklung und die Entwicklung des Klassenkampfs im internationalen Maßstab war die Wirkung der Weltwirtschaftkrise, die 2008 mit einer Weltfinanzkrise begonnen hatte und bis zum heutigen Zeitpunkt anhält. Es gab viele neue Erscheinungen und Aspekte des Krisenverlaufs, die es unseren Mitgliedsorganisationen nicht einfach machten, jederzeit klar zu sehen. Und es erfordert sicher auch noch viele Analysen und Diskussionen, um sich ein allseitiges Bild von dieser Weltwirtschaftskrise und Weltfinanzkrise zu machen.

Da war einmal der wechselseitige Zusammenhang von Weltwirtschaftskrise und Weltfinanzkrise, der in keiner der bisherigen Weltwirtschaftskrisen so prägnant in Erscheinung trat. Da war weiter das internationale Krisenmanagement, das anfangs von allen G-20-Ländern getragen wurde, aber im Verlauf der Krise zunehmend abbröckelte. Da war die Methode des billigen Geldes für die Monopolbanken, die bis heute anhält, die Spekulation international anheizte und die Staatsverschuldung international um durchschnittlich 30 Prozent gegenüber dem Vorkrisenstand erhöhte.

Zweitens:

Und da war nicht zuletzt die Tatsache der gespaltenen Weltkonjunktur. Es begann eine zwiespältige Entwicklung, die zunächst verwirrend war. Ab 2009 floss sehr viel Kapital in die sogenannten BRICS-Staaten, die MIST-Staaten und in andere entwickeltere neokolonial abhängige Länder, während die alten imperialistischen Länder noch tief in der Krise verharrten oder noch tiefer in die Krise hinein rutschten. Mit der Lockerung der Geldpolitik ist seit 2012 ein umgekehrter Trend eingetreten: Die Billionen US-Dollar fließen heute wieder in die alten imperialistischen Länder zurück - in der Erwartung, angesichts einer prognostizierten Belebung mit neuen Maximalprofiten teilzuhaben. Trotzdem kam es zu einer deutlichen Veränderung der weltwirtschaftlichen Entwicklung, auf die wir unser Augenmerk richten müssen: So haben die BRICS-Staaten einen Anteil von 61,4 Prozent an der Weltstahlproduktion erobert. Im Jahr 2000 lag dieser Anteil noch bei 29,5%. In der Weltautomobilproduktion haben die BRICS- und die MIST-Staaten gemeinsam einen Anteil von 46,6 Prozent im Jahr 2012. Im Jahr 2000 waren es erst 17,5 Prozent. Damit wurden die alten imperialistischen Staaten mit 43,4 Prozent überholt. Auch der größte Autoproduzent Deutschlands VW produziert heute mehr Autos in China als in Deutschland. Der Weltschiffbau konzentriert sich heute zu 92 Prozent auf China, Südkorea und Japan. Das Abwracken von Schiffen konzentriert sich zu 70 Prozent auf Bangladesch (das Weltführer im Abwracken mit 33,8 Prozent ist), Indien und Pakistan.

Die zentrale Achse der Weltindustrieproduktion hat sich also eindeutig vom transatlantischen in den asiatisch-pazifischen Raum verlagert. Im Jahr 2000 lag die industrielle Bruttowertschöpfung der Region USA/EU mit 4.297 Milliarden US-Dollar noch um etwa 50 Prozent höher als die Bruttowertschöpfung der Industrie in der Region Asien/Pazifik. Im Jahr 2011 hat die Region Asien/Pazifik mit einer Bruttowertschöpfung von 7.380 Milliarden US-Dollar die Region USA/EU mit 6.439 Milliarden US-Dollar bereits weit hinter sich gelassen. Das wird politische Auswirkungen haben, das wird die Kräfte verschieben und muss Auswirkungen für unsere Strategie und Taktik haben. Die alten imperialistischen Länder dominieren jedoch weiterhin die ökonomischen und politischen Machtzentren. Die Produktion hat sich verlagert, aber die politischen Machtzentren sind weiterhin hauptsächlich in der EU, den USA und Japan. Im Jahr 2012 hatten von den 500 größten Übermonopolen der Welt immer noch 262 ihren Sitz in den USA und Europa und erst 181 in Asien/Pazifik. In den letzten Jahren haben sie aber sehr aufgeholt, ihren Anteil mehr als verdoppelt. Immer mehr Länder sind aus der Weltwirtschaftskrise herausgekommen bzw. in eine Belebung hinein gekommen, v.a. Länder aus der EU und die USA. Das ist ein Anzeichen, dass die Weltwirtschaftskrise zu Ende geht.

Drittens:

Vor dem Hintergrund der Weltwirtschafts- und Finanzkrise entwickelte sich ausgehend von Tunesien eine weltweite Welle des Kampfs um Demokratie und Freiheit.

Mehr als die Hälfte aller Länder der Welt waren seitdem von Aufständen und Massenbewegungen für Freiheit und Demokratie betroffen. In vielen dieser Länder gab es mindestens einen Regierungswechsel, auch wenn die Länder scheinbar relativ stabil waren.

Dieser Kampf drückt eine spontane Destabilisierung der alten imperialistischen Ordnung aus, zunächst erst einmal objektiv. Das bildet eine wichtige Voraussetzung für die Herausbildung einer revolutionären Weltkrise, in der es möglich wird, das alte imperialistische Weltsystem anzugreifen und eine neue Gesellschaftsordnung durchzusetzen. Für Marxisten-Leninisten ist der Kampf um Freiheit und Demokratie immer mit dem Kampf für den Sozialismus verbunden. Das unterscheidet uns von vielen dieser Bewegungen, die es heute gibt.

Aufgrund der Schwäche der revolutionären Parteien und Organisationen war der Kampf um Freiheit und Demokratie in den meisten Ländern jedoch mit kleinbürgerlichen, zum Teil religiös fundamentalistischen und offen reaktionären Standpunkten wie in der Ukraine oder in Thailand verbunden. Das machen sich auch reaktionäre Kreise inzwischen zunutze. Sie nutzen diese Bewegungen für reaktionäre Machenschaften.

Viertens:

In Fukushima kam es im März 2011 zu einem der größten Super-GAUs in einem Atomkraftwerk, der eine weltweite Krise der Atomenergie auslöste. Also der vierte Super-GAU, und zugleich der umfassendste, ereignete sich ausgerechnet in Japan mit den angeblich sichersten Atomkraftwerken der Welt. In vielen Ländern wandte sich der Mehrheitswille der Massen gegen die Atomenergie. In verschiedenen imperialistischen Ländern Europas wie Deutschland, Italien, Schweiz und Österreich waren die Regierungen gezwungen, sich aus der Atomenergie zu verabschieden.

Die erste internationale politische Kampagne der ICOR trug erheblich zur Aufklärung gegen die sogenannte friedliche und militärische Nutzung der Atomenergie unter den Massen bei und die ICOR-Organisationen waren in einer Reihe von Ländern aktiver Kern der Anti-Atombewegung. Auch Japan beteiligte sich mit der größten Unterschriftensammlung an dieser Kampagne mit über 10 Millionen Unterschriften unter eine Erklärung, die sich an unsere Erklärung anlehnte. Das Bild in Japan hat sich sehr verändert. Heute sind ¾ der Bevölkerung in Japan gegen Atomenergie. Die Regierung hat sich bisher nicht getraut, 56 stillgelegte AKW`s wieder in Betrieb zu nehmen. Das sind wichtige Erfolge.

Fünftens:

In den letzten Jahren verschärften sich extreme Wetterlagen und regionale Umweltkatastrophen auf dem Land, im Wasser und in der Luft. Hunderttausende von Menschen waren mit Leib und Leben betroffen. Noch nie gab es so viele Tote auf Grund solcher Katastrophen. Den dramatischen Höhepunkt dieser bedrohlichen Entwicklung bildete der Supertaifun Haiyan. Mit einer bisher einmaligen Windgeschwindigkeit zerstörte er eine ganze Stadt auf den Philippinen mit 180.000 Einwohnern, und hinterließ 6.000 bis 8.000 Tote und Vermisste. Dies ist bisher ein Einzelfall, aber ein Vorgeschmack auf die drohende globale Umweltkatastrophe.

Das Umweltbewusstsein ist heute allgemein geweckt. Kein Politiker, keine Gewerkschaft, keine Regierung kann es sich erlauben, nicht über Umwelt zu reden. Trotzdem muss man von einer Unterschätzung der Umweltproblematik ausgehen, die auch in der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung nicht überwunden ist.

Erfreulicherweise wurde aber auch durch die Kampagne der ICOR in vielen Mitgliedsorganisationen die Umweltfrage erstmals zum festen Bestandteil der revolutionären Kleinarbeit unter den Massen. In vielen Organisationen war dies bisher kein Thema. Wir sind uns auch nicht in allem einig, aber wir haben begonnen nachzudenken, dass die revolutionäre Aufgabe nicht nur die soziale Frage umfasst. Wir müssen auch etwas unternehmen, damit die Menschheit nicht in der Umweltkatastrophe versinkt. Das Hauptproblem besteht heute darin, dass im Rahmen der globalen Umweltkrise tendenziell die existenziellen Grundlagen menschlichen Lebens zerstört werden. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass sich die internationalen revolutionären Parteien und Organisationen an die Spitze des Kampfs gegen eine drohende globale Umweltkatastrophe stellen und dies zum Bestandteil der Strategie und Taktik der demokratischen bzw. sozialistischen Revolution machen.

Sechstens:

Vor dem Hintergrund der Weltwirtschafts- und Finanzkrise verschärfte sich auch der Kampf um neue Märkte und Einflussgebiete zwischen den Imperialisten.

Die allgemeine Kriegsgefahr wuchs deutlich an. Das war bei den NATO-Bombardements gegenüber Libyen der Fall, in der Syrien-Krise, wo Widersprüche zwischen der NATO und der Shanghai-Gruppe auftraten, sowie bei dem Konflikt zwischen Japan und der Volksrepublik China um einige Inseln im südchinesischen Meer.

Aktuelles Beispiel ist die Ukraine, wo es einerseits ein massives Bestreben der EU gibt, den Markt der Ukraine für die EU zu gewinnen und das Land in die politische und militärische Organisation der NATO einzubinden. Dies ist ein wichtiger Ausgangspunkt für den Konflikt. Dabei hatten die US- und EU-Imperialisten keine Skrupel, sogar mit den reaktionärsten und faschistischen Kräften in der Ukraine zusammen zu arbeiten. Zugleich nutzte Putin demagogisch diese Tatsache, um seine Annexionspolitik, die schon im Konflikt mit Georgien begonnen hatte, mit der Krim weiter voranzutreiben. Die zwischenimperialistischen Widersprüche sind eine ernste Angelegenheit, die 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkriegs die ernste Gefahr eines neuen Weltkriegs heraufbeschwören.

Umso bedeutender ist es, dass die ICOR hier gegen jede imperialistische Aggression und Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen vorgeht und die internationale Arbeitersolidarität organisiert. Es gibt Diskussionen, welcher Imperialismus der schlimmere ist. Das kann wichtig für die Taktik sein. Aber grundsätzlich ist es keine Frage, gegen jede Art des Imperialismus vorzugehen.

Siebtens:

Der Schwerpunkt der Entwicklung der internationalen Arbeiterbewegung lag noch zu Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf Südeuropa, wo es, ausgehend von Griechenland, Italien, Spanien und Portugal heftige Massenstreiks und Massendemonstrationen gab. Sie überboten an Umfang und Härte alles, was seit dem 2. Weltkrieg an Klassenkämpfen in Europa stattgefunden hat. Später verlagerte sich in Europa der Klassenkampf stärker auf die Balkan-Länder Bulgarien, Rumänien und Bosnien-Herzegowina.

Bedeutende internationale Arbeiterstreiks waren der selbstständige Massenstreik der Platinarbeiter in Südafrika im August 2012, der mit einem blutigen Massaker an 38 Bergleuten von der ANC-Regierung beantwortet wurde. Und dieses Massaker wird auch vom ANC und der revisionistischen Partei in der Regierung gerechtfertigt. Bis heute werden Streikführer verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Als Antwort traten über 100.000 Bergleute in Südafrika aus Solidarität mit den Arbeitern in den Streik. In Lateinamerika stehen ebenfalls die Kämpfe der Bergleute in Peru, in Chile oder in Kolumbien im Fokus.

In Kolumbien verbindet sich der Kampf der Bergleute immer mehr mit dem Kampf um den Schutz der natürlichen Umwelt in engem Schulterschluss mit der indigenen Bevölkerung, die gegen die Landvertreibung Widerstand leisten.

Bedeutende Streiks gab es auch in der Volksrepublik China, bei denen insbesondere der Streik bei Foxconn, einem der größten Elektronikhersteller der Welt, hervorzuheben ist. Der größte Betrieb hat 400 000 Arbeiter. Im Auftrag von Konzernen aus aller Welt wird dort Elektronik produziert. In Indien fand im Februar 2013 trotz Streikverbot ein zweitägiger selbstständiger politischer Massenstreik gegen die Arbeitsmarktgesetze statt, an denen sich 120 Millionen Arbeiter und Angestellte beteiligten. Auch hier haben unsere ICOR-Organisationen hervorragend mitgearbeitet und waren Impulsgeber, erstmals mit Gewerkschaften und deren Dachverbänden gemeinsam. Bedeutende Kämpfe gab es auch in Brasilien oder in der Türkei, die ein Erwachen der Arbeiter- und Volkskämpfe in diesen Ländern zum Ausdruck brachten. Davon werden wir noch hören. Sie gehören zu den MIST- und BRICS-Ländern, die wirtschaftlich etwas vorangekommen sind. Der Kampf entwickelte sich an scheinbaren Kleinigkeiten: In Brasilien ging es um die Erhöhung der Buspreise und in der Türkei um den Erhalt von Bäumen im Gezi-Park.

Der ICOR gelang es, sich in der Arbeiterbewegung mehr zu verankern. Fast in allen Ländern nehmen die revolutionären Arbeiterorganisationen an den 1. Mai-Aktivitäten teil.

Mit der erfolgreich 1. internationalen Bergarbeiterkonferenz in Peru wurde ein wichtiger Schritt zur Koordinierung der kämpferischen Bergarbeiterbewegung im internationalen Maßstab erreicht.

Auch mit dem 7. Automobilarbeiterratschlag in München 2012 und der Vorbereitung einer internationalen Hafenarbeiterkonferenz 2015 wurden wichtige Schritte gemacht, die nationalen Arbeiterkämpfe international zu koordinieren.

Achtens:

Mit der ersten Weltfrauenkonferenz in Venezuela begann ein wichtiger Prozess der selbstständigen Mobilisierung und Organisierung der internationalen Koordination und Kooperation der kämpferischen Bewegung der Basisfrauen. Die Konferenz wurde also nicht von irgendwelchen NGO's oder Regierungsorganisationen organisiert, sondern von der Basis. Es ist in vielen Ländern festzustellen, dass diese internationalen Aktivitäten auch die Frauenbewegung in den einzelnen Ländern befruchteten und ihr zu einem Aufschwung verhalfen. In vielen Ländern wird berichtet, dass der gemeinsame Kampftag für die Befreiung der Frau am 8. März sowie der Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen am 25. November zu wichtigen internationalen, in der Öffentlichkeit weit beachteten Ereignissen wurden. Das sind wichtige Erfolge der letzten Jahre, die mit unserer Arbeit zusammenhängen, nicht nur, aber auch. Denn Aktivistinnen haben ihre Heimat in der ICOR. Zugleich verbesserte sich die Ausgangslage für die nächste Weltfrauenkonferenz, die 2016 in Kathmandu stattfinden soll.

Neuntens:

Der Kampf um das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Nationen wurde insbesondere in der Rojava-Kampagne der ICOR unterstützt, wo ein vorbildlicher Kampf für Freiheit und Demokratie gegen die verschiedensten reaktionären Strömungen in Syrien geführt wird. Bei aller Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems bleibt die Haupttendenz in der Welt die proletarische Revolution.

Liebe Genossinnen und Genossen,

diese politischen Aufgabenstellungen konnten für den Aufbau der ICOR-Organisationen gut genutzt werden.

Nichts desto trotz hat der Rechenschaftsbericht des ICC ausgeführt, dass der ICOR-Aufbau erst noch am Anfang steht und wir noch mehr lernen müssen, mit unseren Prinzipien in der Praxis richtig umzugehen. Es ist nicht einfach, etwas Neues aufzubauen. Insbesondere war es sehr wichtig zu lernen, den ICOR-Gedanken bei der gemeinsamen politischen Praxis richtig umzusetzen.

Einerseits gibt es eine gemeinsame politische Plattform für die ICOR, eine Minimalplattform, andererseits gibt es aber auch unterschiedliche Auffassungen sowie taktische Meinungsverschiedenheiten und auch verschiedene politische Schwerpunkte in den einzelnen Ländern.

Einheit und Kampf der Gegensätze richtig zu organisieren war eine der wichtigsten Anforderungen für die internationale Koordinierung und Kooperation der gemeinsamen politischen Praxis. Es ist von größter Bedeutung, dass es uns gelungen ist, unsere ICOR-Strukturen auf kontinentaler Ebene zu festigen. Heute haben wir vier Kontinentalkomitees, in Asien, Amerika, Europa und seit einem halben Jahr in Afrika. Australien fehlt noch, aber das ist auch in Arbeit. Denn ein Zusammenwachsen der länderübergreifenden Praxis wird auf kontinentaler Ebene am ehesten gelingen. Hier kann man auch besser ausgleichend wirken zwischen stärkeren und schwächeren Organisationen. Auch diese Dialektik muss man beherrschen lernen. Es gibt nicht viele große Organisationen in der ICOR, gerade in Europa haben wir viele kleine Organisationen. Hier haben die größeren Organisationen eine besondere Verantwortung. Man sollte nicht darauf aus sein, nur die eigene Organisation zu stärken. Der ICOR-Gedanke ist ein internationaler Gedanke.

Zugleich zeigte sich, dass die gesamte Arbeit steht und fällt mit der Lösung der Kaderfrage und der Finanzfrage.

Bei der Kaderfrage handelt es sich vor allem darum, dass in den ICOR Organisationen noch mehr Kräfte für die Arbeit in der ICOR freigemacht werden.

Ein Großteil der zentralen ICOR Arbeit lastet heute noch auf sehr wenigen Schultern.

Die meisten Organisationen verfügen auch über sehr geringe finanzielle Möglichkeiten, was zum Teil auf objektive Bedingungen, zum Teil aber auch auf den Stand des Parteiaufbaus in diesen Ländern zurückzuführen ist. Nichts desto trotz brachte die erste internationale Spendenaktivität in der ICOR Kampagne eine bestimmte Entspannung in der Finanzlage. Sie hat aber die Finanzprobleme der ICOR noch nicht nachhaltig lösen können. Dazu ist vor allem eine systematische Finanzpolitik aller ICOR-Organisationen notwendig, um die ständigen laufenden Aufgaben zu finanzieren und überhaupt möglich zu machen. Ein großer Trumpf unseres Organisationsaufbaus ist die finanzielle Unabhängigkeit, die die ICOR gegenüber ihren eigenen Organisationen praktiziert, aber auch gegenüber allen Aktivitäten, die von der ICOR unterstützt werden. Ohne finanzielle Unabhängigkeit keine ideologisch-politische und organisatorische Unabhängigkeit!

Wir können uns nicht abhängig machen, auch nicht innerhalb der Organisation. Wir können uns nicht daran gewöhnen, dass die Finanzen nur von bestimmten Ländern aufgebracht werden, die man dann auch nicht mehr kritisieren möchte, weil sie das Geld gegeben haben. Dies ist ein wichtiges Problem. Wir sind aber auch weitergekommen. Die Finanz- und Kaderfrage hat sich weiter entwickelt.

Diese Lehren aus der revisionistischen Entartung vieler Parteien der alten kommunistischen Bewegung müssen verteidigt und entwickelt werden. Wir müssen uns aber auch im Klaren darüber sein, dass wir neben den politischen Aufgaben auch viel mehr die gegenseitige Unterstützung im Parteiaufbau verstärken müssen.

Das bezieht sich sowohl auf Aktivitäten zur unmittelbaren Unterstützung bestimmter Parteien und Organisationen, als auch auf politische Aktivitäten, wie es zum Beispiel bei der Rojava-Kampagne passierte. Das ist völlig klar. Wir können die kurdischen Organisationen und das kurdische Volk nicht im Stich lassen. Im spanischen Bürgerkrieg wurden die internationalen Brigaden aufgestellt. Das war ein Vorbildkampf der ganzen Idee der internationalen Arbeitersolidarität und der ICOR.

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die ICOR steht und fällt mit der Stärkung ihrer Mitgliedsorganisationen und der Gewinnung neuer Mitgliedsorganisationen für die ICOR. Es ist zu begrüßen, dass anschließend an die 2. Weltkonferenz das erste internationale Seminar der ICOR über die theoretische Arbeit der einzelnen Mitgliedsorganisationen vereinbart wurde. Das Interesse daran ist sehr groß.

Das zeigt, dass insbesondere die Zusammenarbeit in Fragen des ideologisch-politischen Parteiaufbaus künftig eine größere Rolle spielen muss.

Die ICOR Arbeit erfordert eine neue Qualität des proletarischen Internationalismus in Theorie und Praxis. Es ist einfach ein großer Unterschied, ob man als einzelne Organisation internationale Solidarität übt, oder ob man auch Mitglied einer internationalen Organisation ist, bestimmte Rechte und Pflichten wahrnimmt und als Organisation tätig wird. Wie Marx sagt: Die neue Qualität des proletarischen Internationalismus ist ein qualitativer Sprung. Das erfordert auch einen Bewusstseinssprung. Dieser qualitative Sprung im proletarischen Internationalismus muss bewusst in allen Organisationen vollzogen werden und wird entsprechend ideologisch-politisch und praktisch seine Auswirkungen haben. Die Auswertung, wie dieser qualitative Sprung seit der ICOR Gründung angepackt wurde, ist sicherlich ein wesentlicher Gegenstand der Diskussion dieser 2. Weltkonferenz.

Liebe Genossinnen und Genossen,

natürlich hat das von der 1. Weltkonferenz gewählte internationale Koordinierungskomitee einige sehr wichtige Erfahrungen machen können, die auf der 2. Weltkonferenz ausgewertet werden müssen, um daraus auch entsprechende Schlussfolgerungen zur Weiterentwicklung der Arbeit zu ziehen.

Die ICOR ist seit ihrer Gründung um 12,5% deutlich gewachsen und weitere Organisationen sind interessiert an einer Mitgliedschaft.

Ein großer Teil der Tätigkeit des ICC musste darauf verlegt werden, sich über die Prinzipien der ICOR in Theorie und Praxis zu vereinheitlichen und sie mit praktischem Leben zu erfüllen.

Die 2. Weltkonferenz hat die Aufgabe, den Rechenschaftsbericht des ersten gewählten ICC entgegen zu nehmen, ein neues ICC zu wählen und diesem Aufträge zur Umsetzung zu geben.

Die ICOR ist eine Organisation der praktischen Zusammenarbeit unterschiedlicher und selbstständiger revolutionärer Parteien und Organisationen.

Die 2. Weltkonferenz wird zweifellos zu einer weiteren ideologisch-politischen Vereinheitlichung beitragen, die notwendig ist, um die Schlagkraft und Attraktion der ICOR zu erhöhen.

Stück für Stück wird sich die gemeinsame ideologisch-politische Plattform in Theorie und Praxis weiterentwickeln. Dafür brauchen wir viel Geduld. Es ist kein Problem, wenn Dinge nicht gleich geklärt werden. Es ist auch nicht so, dass bestimmte Organisationen nichts mehr lernen können. Jeder muss lernen. Wer am offensten ist, wird seine Arbeit am besten machen können.

Dafür war die Methode der 28 beschlossenen Resolutionen eine wichtige Methode, die auch nach der zweiten Weltkonferenz systematisch weiterentwickelt werden muss.

Die 2. Weltkonferenz wird ihre Aufgaben nur lösen, wenn sie von einer demokratischen Streitkultur getragen ist, die von gegenseitigem Respekt, Gleichberechtigung, demokratischer Eigeninitiative und dem Gedanken der Einheit der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung ausgeht.

Ich bedanke mich an dieser Stelle im Namen des Internationalen Koordinierungskomitees bei allen Genossen, die ideologisch-politisch, organisatorisch, finanziell mit größtem selbstlosen Einsatz dieses Welttreffen möglich gemacht haben.

Die 2. Weltkonferenz der ICOR ist eröffnet.

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