Soziale Aspekte des griechischen Dramas und der Kampf um den Ausweg
Bemerkung: Dies ist ein „nicht-Dokument“ und zur Information unser internationalen Freunde bestimmt. Auch wenn es nicht umfassend ist, zielt es darauf ab, eine aktuelle Darstellung der wirklichen sozialen Lage in Griechenland anzubieten.
Die humanitäre Krise in Griechenland verschlimmert sich täglich als Ergebnis der Politik der IWF-EU-EZB Troika und ihrer Umsetzung durch die Marionetten-Dreiparteienregierung (bestehend aus der rechten Nea Dimokratia, der “sozialdemokratischen” PASOK und der sogenannten "Demokratischen Linken"). Die offiziellen Daten, die letzte Woche von der Hellenischen Datenbehörde unter Kontrolle von Eurostat veröffentlicht wurden, obwohl sie “geschönt” waren, sind sehr enthüllend:
SEIT 2009 HAT SICH DIE ARBEISLOSIGKEIT FAST VERDREIFACHT
Die Arbeitslosigkeit, die 2009 9,5% betrug, vor der Verwandlung Griechenlands in ein Versuchskaninchen durch die Troika und die lokalen Marionetten, ist auf 12,5% 2010, dann auf 17,7% 2011 und jetzt (offizielle Daten Oktober 2012) beträgt sie 26,8%. Was die Dinge noch verschlimmert, ist dass aktuell von den 1 300 000 Arbeitslosen weniger als 200 000 irgend eine Art „Arbeitslosenunterstützung“ bekommen (der Begriff ist eher beschönigend, die "Unterstützung" für die wenigen glücklichen reicht von 180-468 Euro pro Monat und wird für einen Zeitraum von 5-12 Monaten bezahlt, abhängig vom Lohn, der Länge der Beschäftigung und der Anzahl der abhängigen Familienmitglieder).
EXPLOSION DER ARMUT
Der Prozentsatz der Bevölkerung, die in Armut leben, stieg von 12,1% 2009 auf 16,3% 2010, und sprang 2011 auf 22,9%. Unter Berücksichtigung, dass 2011 eine Reihe von Sozialleistungen und -diensten, die jetzt abgeschafft worden sind, noch existierten, drückt der Bericht des Statistikamts "ernste Sorge" vor einem weiteren explosiven Zunehmen der Armut 2012 und 2013 aus.
KEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG
Weil jetzt das Recht auf Gesundheitsversorgung von der Menge der Arbeitstage im vorherigen Jahr abhängt, verlieren die Langzeitarbeitslosen und nicht versicherten Arbeiter ihren Anspruch auf Gesundheitsversorgung. Inzwischen ist die medizinische Versorgung, die der allgemeinen Bevölkerung angeboten wird, reduziert worden, seit verschiedene öffentliche Hospitäler und Vorsorgezentren geschlossen wurden als Ergebnis der Kürzungen (40%) im Gesundheits- und Sozialetat, kombiniert mit der Einführung erhöhter Gebühren auch für die noch versicherten Patienten. Diese Probleme, im Zusammenhang mit der kritischen Lage der öffentlichen Krankenhäuser die noch funktionieren, (viele leiden unter tragischen Kürzungen des Personals und Grundmaterials, wie Medikamenten, Desinfektionsmitteln, Verbandszeug usw.) und der Unfähigkeit vieler Bürger (meist Rentner) , die starke erhöhte Zuzahlung für ihre Medikamente zu tragen, haben dazu geführt, dass sogar das EU-Zentrum für Seuchenkontrolle gewarnt hat, vor einem drohenden Ausbruch viraler Infektionen, Krankenhausviren, ansteckender Krankheiten, HIV usw..
FEHLENDE HEIZUNG IN HÄUSERN
Die schnelle Abnahme des Verbrauchs an Heizöl ist ein anderer Anzeiger der laufenden extremen Verarmung der Bevölkerung. Im Vergleich zu 2011 (ein Jahr, das schon durch eine starke Abnahme des Ölverbrauchs gekennzeichnet war), ist der Verbrauch um 75% gesunken in Dezember 2012, trotz der Kältewelle im größten Teil des Lands. Ein großer Anteil der Bevölkerung leidet heute unter der Kälte wegen der nicht vorhersehbaren und wiederholten Erhöhung von Steuern auf Heizöl die der Troika und die Regierung durchgesetzt haben, die zur starken Preisanstieg führten (Durchschnittspreise pro Liter: 2009 0,57 €, 2010: 0,71 €, 2011: 0,91 €, und 2012: 1,37 €).
DAS GESPENST DES HUNGERS KEHRT WIEDER
Der Hunger breitet sich schnell im ganzen Land aus, besonders in den städtischen Regionen, zum ersten Mal seit der Nazi-Okkupation. Es gibt landesweit keine verfügbaren Daten, aber der Fall der Diözese Neapolis und Stavroupolis (zwei Vorstädte Thessalonikis in Nordgriechenland) ist charakteristisch: 2010 verteilten die Küchen in der Diözese Mahlzeiten an 1.387 besitzlose und wohnungslose Bürger, 2011 an 2.445 und 2012 an 5.223 Bürger. Ein weiteres Beispiel ist der verzweifelte Aufruf der Lehrergewerkschaften in verschiedenen Teilen des Landes, die den Behörden mitteilten, dass viele Schüler hungrig zur Schule kommen, mit ständig zunehmenden Fällen täglicher Ohnmachtsanfälle von Schülern im Klassenraum wegen Hunger. Noch mehr, die Vereinigung der Krankenhausärzte hat bekannt gegeben, dass eine zunehmende Zahl Kleinkinder zu den öffentlichen Krankenhäusern mit schweren Verdauungsproblemen gebracht werden, die Ursache liegt darin, dass die Eltern es sich nicht leisten können, sie mit der (sehr teuren) Babymilch oder anderer Kindernahrung zu nähren, sie kaufen die billigsten Produkte für Erwachsene.
Die Bewegung der sozialen Solidarität: Ein Werkzeug fürs Überleben und Wandel.
Gegen diese dramatische Lage und zugleich mit dem Kampf zum Sturz des ganzen korrupten und katastrophalen politischen Systems, bilden die örtlichen Organisationen der Koalition der radikalen Linken (Syriza) sowie hunderte Basisinitiativen der Bürger eine Bewegung der sozialen Solidarität, die sich schnell in ganz Griechenland verbreitet. Diese neuen Organisationsformen tragen, wenn auch noch unorganisiert und zersplittert, objektiv zur Bildung einer breiten Volksströmung bei, die auf den Sturz des alten politischen Systems zielt.
Diese Strömung, immer noch im Aufbau, begrenzt ihre Ziele nicht auf den Sturz der Regierung, sondern zeichnet einen Ausweg aus der katastrophalen Krise durch die produktive Wiederaufbau des Landes und das Anstreben von grundlegenden politischen, ökonomischen und sozialen Veränderungen. Nicht zuletzt dienen diese neuen Formen der Volksselbsthilfe direkt dem Überleben des Volks in Würde und tragen damit entscheidend zur Aufrechterhaltung des Kampfgeists und der Kampffähigkeit der Massen bei.
All diese Kennzeichen unterscheiden diese Bewegung von der "traditionellen" Wohlfahrt, die ob nun ernsthaft oder nicht, eher zur Passivität führt als zur Teilname am Kampf. Die Kommunistische Organisation Griechenlands nimmt aktiv an dieser Bewegung der sozialen Solidarität teil, bestrebt, diese Merkmale zu vertiefen und in der Folge, ihre Umwandlung in einen der Hauptbestandteile einer breiten politischen Strömung für radikalen Wandel zu beschleunigen. Einige der Formen der sozialen Solidarität , die sich in unserm Land entwickeln, sind folgende:
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Soziale Kliniken und soziale Apotheken, durch die freiwillige Arbeit von medizinischem und paramedizinischem Personal und durch Angebote an Infrastruktur und Material durch Bürger, Gemeinden mit progressiven Bürgermeistern, usw..
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Strukturen von Unterricht nach der regulären Schulzeit durch freiwilligen Arbeit von Lehrern.
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Läden für landwirtschaftliche Produkte, die zu niedrigen Preisen direkt von den Bauern an die Verbraucher in den städtischen Gebieten verkauft werden, ohne die „Zwischenhändler“. Außerdem bieten die Bauern gratis einen Teil der Produkte (abhängig von der Menge die sie verkauft haben) den Nachbarschaftsinitiativen für freie Verteilung an die bedürftigsten Familien an.
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Soziale Läden und andere Strukturen der Verteilung von Lebensmitteln für Arbeitslose und wohnungslose Bürger, durch Angebote von Volksinitiativen, Gemeinden, kleinen und mittleren Unternehmen usw. .
Einige Zusatzinformationen
1) STATISTIKEN UND WIRKLICHKEIT
Die Armutsgrenze wird definiert als Prozentsatz (60%) des durchschnittlichen jährlichen Bruttoinlandsprodukts pro Person.
D.h., wenn sie sagen, dass 16,3% der Griechen 2010 in Armut lebten, heißt das, 16,3% erfreuten sich eines Jahreseinkommens von weniger als 7.178 €. Aber die Armutsgrenze betrug nach dem Absinken des Bruttoinlandsprodukts 2011 nur unter 5 950 €. Und 2011 lebten 22,9% der Griechen unter dieser weiter reduzierten Armutsgrenze! Diese Tatsache gibt einen besseren Eindruck der rapiden Verarmung der griechischen Bevölkerung bereits in 2011 (d.h., vor der Umsetzung des letzten „Memorandums“ mit der Troika - ein neuer scharfer Anstieg der Statistik, was die in Armut lebenden angeht, ist für 2012 zu erwarten).
2) KRIEGSÄHNLICHE REZESSION
Die Rezession in Griechenland, die sich jetzt im 6.Jahr in Folge fortsetzt, ist so dramatisch, dass sie "normal" nur einer Kriegssituation entspricht. In 2009 betrug das griechische BIP 231,1 Mrd. €. Das (schon sehr "optimistische") Budget für 2013 sieht ein BIP von 183 Mrd. € vor. Das entspricht einer Abnahme des BIP um mehr als 20%, nach Jahren der Schock-"therapie"! Laut der griechischen Nationalbank, wird das BIP 2013 im Vergleich mit 2008, um 24% gesunken sein.
3) DRAMATISCHER FALL DER HAUSHALTSEINKOMMEN
Laut Europäischer Kommission hat Griechenland zwischen 2009 und 2011 den größten Fall im "real verfügbaren Einkommen der Haushalte" erlitten: die griechischen Haushalte verloren 17% ihres real verfügbaren Einkommens, während die anderen südeuropäischen Haushalte Einkommensverluste von 5% (Irland) bis 8% (Spanien) verzeichneten. Und die Daten für 2012 kommen noch... Die meisten griechischen Arbeiter und Angestellten, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor (wie auch die Rentner) haben 30% oder 40%, oder sogar 50% ihres Einkommens während dieser 3 Horrorjahre verloren. Und doch werden sie als die "Glücklichen" betrachtet, weil sie immer noch Arbeit haben! Arbeit mit inzwischen einem Lohn von 586 € (brutto!) monatlich, während die unter 25 ein Monatseinkommen von 511 € bekommen (immer brutto). Die Wirklichkeit ist noch schlimmer, denn im Privatsektor er-pressen viele Arbeitgeber die Arbeiter und Angestellten und zwingen sie, "Löhne" von 300 € zu akzeptieren, natürlich ohne jede Sozialversicherung. Zusätzlich zahlen viele Arbeitgeber (ein-schließlich "etablierter" Multis und Großunternehmen) während vieler Monate nicht einmal diese lächerlichen Löhne. So verwandeln sie ihre Beschäftigten in Geiseln, die weiterhin ohne Bezahlung arbeiten, hoffend, irgendwann wenigstens einen Teil der ihnen zustehenden Gehälter zu bekommen.
4) HARTE BESTEUERUNG
Die Besteuerung der Beschäftigten, Selbständigen und der kleinen und Mittelbetriebe wird von einem Monat zum nächsten schwerer. Zum Beispiel sollen 2013 die Steuern für Selbständige und kleine und Mittelbetriebe bis zu 420% steigen. Die Steuererleichterung für Familien von Beschäftigten oder Arbeitslosen mit Kindern, für medizinische Ausgaben usw. wurden abgeschafft. Zugleich sind die multinationalen Konzern, die in Griechenland aktiv sind, und die einheimischen "Unternehmer", wie auch die Schiffseigner, praktisch völlig von Steuern befreit. Zum Niveau der "regulären" und stets steigenden Besteuerung der allgemeinen Bevölkerung wird eine endlose Reihe "außerordentlicher" Steuern drauf gepackt, in Form der Haussteuern, Steuer für soziale Solidarität! usw.! All die Einnahmen aus diesen Steuern werden direkt in das schwarze Loch der "Rekapitalisierung des Banksystems" und in die Bezahlung der Verschuldungszinsen gezahlt. Weiter erfreuen sich die Reichen und die Großunternehmen enorme Reduzierungen (bis 60%) oder völliger Befreiung, was die "außerordentlichen" Steuern angeht: darunter Kasinos, TV-Kanäle, multinationale Firmen wie IKEA und Media Markt, usw.. Zugleich werden tausende von griechischen Haushalten, die es sich nicht leisten können zu zahlen, von der griechischen Regierung bestraft, mit Sperrung des Stroms zu ihren Häusern, wenn sie die Haussteuer nicht zahlen (eine unmenschliche "Bestrafung", die vom höchsten Gericht als verfassungswidrig erklärt wurde, und trotzdem von der Marionettenregierung weiter umgesetzt wird, im Gefolge der Auflagen der IMF-EU-EZB Troika).
Anhang:
Es gibt andere Aspekte der griechischen Dramas, die genauso wichtig sind wie die humanitäre Krise. Einige davon berühren den fortgesetzten Verstoß gegen die Verfassung und gegen die letzten formalen Reste der bürgerlichen Demokratie in unserm Land. Andere Seiten beziehen sich auf den Verlust der nationalen Unabhängigkeit, die eine strikte institutionelle Form mit dem letzten "Memorandum” angenommen hat, das von der IMF-EU-EZB Troika aufgezwungen wurde. Es gibt auch bestimmte Aspekte bezogen auf Bedrohungen der souveränen Rechte und sogar der territorialen Integrität Griechenlands. Wir werden versuchen, diese bald in einem aktualisierten Dokument darzustellen.
Athen, 14. Januar 2013
KOE – Abteilung für internationale Beziehungen