Rote Fahne 01/2026
Mit der „Wehrpflicht“ in den Dritten Weltkrieg?
5. Dezember 2025: 55 000 Jugendliche in mehr als 90 Städten Deutschlands protestierten – oft während des Unterrichts – gegen das gerade beschlossene Gesetz zur „Modernisierung des Wehrdienstes“. In Berlin gingen über 10 000 auf die Straße. Manche gründeten „Schulstreikkomitees“ zur Vorbereitung. Und sie setzten sich gegen Einschüchterungsversuche sowie Androhungen von Repressionen der Schulleitungen durch. Oder auch gegen Einsätze der Polizei, die etwa in Essen vor Schulen stand und die Schüler von der Teilnahme an den Protesten abhalten wollte. Mit Losungen wie „Eure Kriege – ohne uns!“ machten sie deutlich, dass die Kriege der Herrschenden nicht im Interesse der Jugend sind. Und dass sie dieser Regierung ihre Zukunft nicht anvertrauen wollen – zu Recht.
Scheinheilig heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit beruht.“ Die angebliche Freiwilligkeit stand von Anfang an unter dem Vorbehalt der „Funktionsfähigkeit“ der Bundeswehr. Nun ist klar: Alle Männer, die ab dem 1.1.2008 geboren sind, müssen sich einer Musterung unterziehen. Die Bundeswehr erhält dafür direkten Zugriff auf die Daten der Einwohnermeldeämter. Damit wird die massenhafte Rekrutierung im Kriegsfall vorbereitet. Dann ist es mit Freiwilligkeit sowieso vorbei. Und wenn sich vorher nicht genug Männer und Frauen freiwillig melden, um die geplante Sollstärke der Bundeswehr von 260 000 aktiven Soldaten zu erfüllen, kommt der Pflichtdienst auch. Immerhin bräuchte es dazu jährlich zwischen 45 000 und 55 000 neue Freiwillige.¹ Das dürfte nicht so einfach werden. Aktuell sprechen sich von den 18- bis 28-Jährigen nur 30 Prozent für eine „Wehrpflicht“ aus und nur 23 Prozent würden den „Wehrdienst“ selbst leisten.²
„Deutschlands stärkste Friedensbewegung“
So wirbt die Bundeswehr für sich. Verkehrte Welt! Starke Friedensbewegungen haben den Vietnamkrieg 1975 beendet, die IS-Faschisten 2014 aus Kurdistan verjagt, den Irakkrieg 2003 verhindert oder dem Faschisten Netanjahu eine Waffenruhe in Gaza abgetrotzt. An nichts davon war die Bundeswehr beteiligt. Im Gegenteil haben NATO-Truppen, auch mit deutscher Beteiligung, verbrannte Erde in Jugoslawien oder Afghanistan hinterlassen. Und diese Kriegspolitik soll gestärkt werden. So ist es Beschlusslage, dass alle NATO-Länder bis 2035 jährlich 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft ausgeben.
„Uns hat der Wehrdienst auch nicht geschadet“
Das hört man oft von Älteren. Auch: „Da lernt man wenigstens Disziplin.“ Disziplin braucht es im Leben, aber sie ist etwas anderes als militärischer Kadergehorsam. Disziplin lernen Jugendliche viel besser im Betrieb, beim Sport, beim Sich-Durchkämpfen für große Ziele, und vor allem in der Kinderorganisation Rotfüchse sowie beim Jugendverband REBELL. Noch viel mehr Ältere sollten sich aktiv dafür einsetzen, dass viele Jugendliche und Kinder diesen Weg gehen.
Nicht zuletzt haben wir heute anders als zu ihrer Jugendzeit eine Situation, in der aggressiv militarisiert und aufgerüstet wird. Weitreichende US-Waffensysteme wie Tomahawk-Marschflugkörper, SM6-Mehrzweckraketen und die neue Hyperschallwaffe „Dark Eagle“, die eine Reichweite von 2500 Kilometern hat – also bis weit nach Russland hinein – sollen ab 2026 in Deutschland stationiert werden. Auch die geplante Anschaffung der F126-Fregatten, die für eine bis zu zweijährige Einsatzdauer konzipiert sind, zielt eindeutig auf Angriffsfähigkeit. Mit Abwehr hat der neue „Wehrdienst“ also wenig zu tun.
Die Umstellung auf Kriegswirtschaft hat bereits begonnen. Die gesellschaftliche Infrastruktur wird auf Kriege ausgerichtet. Die Bundeswehr jubelt am 17. Dezember: „Damit wurde in diesem Jahr … erneut eine historische Anzahl an Rüstungsgroßprojekten mit einem Gesamtvolumen von 82,98 Milliarden Euro auf den Weg gebracht.“³ Eine solch gigantische Aufrüstung gibt nur einen Sinn, wenn damit ein neuer Weltkrieg vorbereitet wird. Sie ging auch dem Ersten und Zweiten Weltkrieg voraus.
Einsatz für die Freiheit?
Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) wandte sich am 4. Dezember an die protestierenden Schüler: „Allein schon die Tatsache, dass ihr morgen überall in Deutschland auf die Straße geht, zeigt, was in unserem großartigen Land möglich ist. … Wenn wir in Zukunft noch genauso leben wollen wie heute, … dann müsst ihr auch dafür eintreten wollen.“ Offenbar ist Pistorius entgangen, dass viele Jugendliche eben nicht mehr „genauso leben wollen wie heute“. Sie kritisieren den Kapitalismus und suchen verstärkt nach gesellschaftlichen Alternativen.
Zweck der Bundeswehr ist eben nicht die Verteidigung der Meinungsfreiheit. Im Weißbuch der Bundeswehr heißt es zu ihrer Aufgabe unter anderem: „Sicherung von Rohstoffzufuhr und Transport“. Das bedeutet die Verteidigung der Freiheit der herrschenden Monopole zur Ausbeutung von Mensch und Natur. Und dass ihr Streben nach Weltmarktführung und Maximalprofiten gegen ihre Konkurrenten mit allen Mitteln durchzusetzen ist.
Gleichzeitig werden die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten in Deutschland für den Kriegskurs eingeschränkt. So werden antimilitaristische Proteste zunehmend kriminalisiert wie in der Gaza-Solidarität. Und erst recht der Kampf für eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft. So kam im Prozess von Gabi Fechtner, Stefan Engel und Monika Gärtner-Engel gegen den Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ heraus, dass bereits das Ziel, das „Gesellschaftssystem ändern“ zu wollen, als Grund für Strafverfolgung ausreicht.
Mit Höcke gegen die Wehrpflicht?
Entgegen der klaren Befürwortung der „Wehrpflicht“ im Grundsatzprogramm der AfD spricht sich Faschist Björn Höcke aktuell gegen die Wehrpflicht „in dieser Situation“ aus. Aber nur, weil zuerst „dieser Staat endlich wieder ein Staat für die Deutschen werden“ müsse.⁴ Warum eigentlich „wieder“? Schwebt ihm die Wiederherstellung der faschistischen Staatsform unter Hitler in modifizierter Form vor? Auch während des Hitler-Faschismus bereitete die allgemeine Wehrpflicht den Zweiten Weltkrieg vor. Faschismus und Krieg sind Zwillingsbrüder – deswegen gehört auch der Kampf dagegen zusammen (mehr auf Seite 20).
Sackgasse Pazifismus
Die jetzt geplante Militärpflicht ist Bestandteil der Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs. MLPD und REBELL lehnen zugleich militärische Ausbildung keineswegs grundsätzlich ab. Der chinesische Revolutionär Mao Zedong brachte es so auf den Punkt: „Wir treten dafür ein, dass der Krieg abgeschafft wird, wir wollen keinen Krieg; man kann aber den Krieg nur durch Krieg abschaffen, und wenn man will, dass es keine Gewehre mehr geben soll, muss man das Gewehr in die Hand nehmen.“ Imperialismus führt gesetzmäßig zu Krieg. Das kann man als Einzelkämpfer durch Kriegsdienstverweigerung nicht verhindern (mehr auf Seite 25).
Dagegen braucht es aktiven Widerstand und eine stärkere Organisiertheit. MLPD und REBELL arbeiten eng mit allen Friedensfreunden und auch Pazifisten zusammen. Sie tragen den Geist des antimilitaristischen Kampfs in die Bewegung gegen die „Wehrpflicht“ – getreu dem Motto von Karl Liebknecht „Dem Militarismus keinen Mann und keinen Groschen“. Und sie werben für die aktuell zentrale Aufgabe der Unterstützung des Wiederaufbaus im palästinensischen Gaza und die Solidaritäts-AG’s des REBELL. Aber auch für die sozialistische Zukunft: Nur so können imperialistische Kriege, Kriegsgefahr und die Wurzeln des Faschismus überwunden werden. In diesem Geiste stehen die bevorstehenden Aktivitäten zum Gedenken an die Revolutionäre Lenin, Liebknecht und Luxemburg am 10./11. Januar in Berlin.