Rote Fahne 25/2025
Drohnenalarm:Panikmache und Kriegsvorbereitung
Seit Monaten jagen aufgeregte Berichte von Drohnenflügen über Deutschland, Polen oder Dänemark durch die Medien. Da werden Drohnen in der Nähe der U-Boot-Werft von Thyssenkrupp Marine Systems, dem Küstenkraftwerk Schleswig-Holstein, dem Universitätsklinikum Kiel oder der Raffinerie in Heide gesichtet. Oder auch über der US-Air-Base Ramstein, über den Flughäfen Frankfurt und München. Angeblich könnten das nur von Russland gesteuerte oder beauftragte Drohnen sein. Bundeskanzler Friedrich Merz „vermutet“ das und mahnt: „Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen, und das tun wir auch.“¹
Jede Menge Spekulationen und Anschuldigungen – Beweise: keine! Franziska Lindner schreibt dazu auf Telepolis Ende Oktober: „Beweise für die Anschuldigungen gegen Russland wurden bislang jedoch nicht geliefert. Eine Erklärung dafür, woher die Drohnen so plötzlich kommen und wohin sie unbemerkt wieder verschwinden, blieb offen. … Und wieso diese eben mal so über Militäreinrichtungen in Nato-Mitgliedstaaten fliegen können, bleibt unklar.“ (mehr auf S. 17).
Die Drohnenhysterie ist Bestandteil der psychologischen Kriegsführung. Diese umfasst „alle Methoden und Maßnahmen zur Beeinflussung des Verhaltens und der Einstellung von gegnerischen Streitkräften sowie der Zivilbevölkerung im Rahmen oder im Vorfeld militärischer Operationen. Dabei wird durch gezielte Falschinformation Einfluss auf die strategischen Erwägungen des Gegners genommen.“² So soll auch die Bevölkerung für imperialistische Kriege gewonnen werden, obwohl sie diese in großer Mehrheit verabscheut und einen neuen Weltkrieg auf keinen Fall will.
Jahrelang trauten sich die verschiedenen Regierungen in Deutschland nicht, Beschlüsse zur Aufrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen zu fassen. In Umfragen stießen diese menschenverachtenden und heimtückischen Waffen regelmäßig auf überwiegende Ablehnung. Mit der gegenwärtigen Drohnenkampagne soll das gedreht werden. Gefordert wird ein „Drohnenwall“ an der Ostgrenze der NATO (s. S. 18). Die Bundeswehr soll mit 12 000 Kamikaze-Drohnen aufgerüstet werden, die vor allem Angriffswaffen sind (mehr auf S. 17). Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will über ein neues Luftsicherheitsgesetz erreichen, dass die Bundeswehr in bestimmten Fällen Drohnen stören und sogar abschießen darf. Dass dabei Teile der zerstörten Drohnen oder auch Abwehrwaffen, die Drohnen verfehlen, Menschen am Boden verletzen oder gar töten könnten – was stört das unsere Kriegsplaner!
Faschisierung der Kriegsführung
Schließlich liegt das ganz auf der Linie des verstärkten Einsatzes von Drohnen in imperialistischen Kriegen. Sie dienen der Automatisierung bestimmter Kriegshandlungen wie Aufklärung, Bombenterror und gezielten Tötungen – und sind dazu teilweise KI-gesteuert. Die Militärs werten den Nutzen der Drohnen akribisch aus. Auf der Webseite des „Verbands der Reservisten“ ist zu lesen: „Der Sieg Aserbaidschans im zweiten Krieg um Bergkarabach 2020 war ein Wendepunkt in der Militärgeschichte. Erstmals wurde durch den kreativen und intensiven Einsatz von Drohnen ein Krieg entschieden.“³ „Kreativ“ ist vor allem die extreme Menschenverachtung einer solchen faschisierten Kriegsführung. Piloten gesteuerter Drohnen sitzen in geschützten Leitständen fern von der Front und vernichten per Knopfdruck anonym Menschenleben in Serie. Bei selbstlenkenden Drohnen ist es die KI, die darüber entscheidet, ob Ziele „lohnend“ sind – also möglichst viele Opfer fordern. Nicht zuletzt geht es wie bei allen Rüstungsgütern um ein Geschäft mit gigantischen und staatlich gesicherten Profiten (s. S. 20/21).
Allerdings kann bei aller Automatisierung kein imperialistischer Krieg ohne Menschen geführt werden, die all diese Waffen bedienen. Das ist ein Hauptproblem der Militaristen. So macht sich sowohl in Russland als auch in der Ukraine wachsende Kriegsmüdigkeit unter den Soldaten und der gesamten Bevölkerung breit. In Russland sind seit Kriegsbeginn offiziell rund 50 000 Soldaten desertiert, die Dunkelziffer liegt viel höher, zumal bei weitem nicht alle Fälle gemeldet werden. Mehr als 150 000 Männer im wehrpflichtigen Alter sind aus Russland geflohen.⁴ Die Zahl der Deserteure aus der ukrainischen Armee stieg zuletzt auf 20 000 pro Monat, ihre Gesamtzahl hat rund 400 000 erreicht.⁵ Dadurch kann die Ukraine die Front kaum mehr halten. Die Greifkommandos, die Menschen meist auf offener Straße zwangsrekrutieren, sind inzwischen zutiefst verhasst.
Alles nur zur „Verteidigung“?
Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker, präsentiert seine Bestellliste: „Überwachungsdrohnen, Abwehrdrohnen, Attrappendrohnen, Angriffsdrohnen – das werden wir alles brauchen. Es wird ein wesentlicher Teil von Verteidigungsfähigkeit sein.“⁶ Angriffsdrohnen zur „Verteidigung“? So wird die Realität zurechtgebogen. Wenn der Ukrainekrieg etwas zeigt, dann den in erster Linie offensiven Charakter dieser Waffensysteme für Angriffe tief in Feindesland.
Selbstverständlich sind Russland weitere Aggressionen zuzutrauen. Russland ist ein neuimperialistisches Land und wird von einer faschistischen Regierung geführt. Es kann sich aufgrund der Kräfteverhältnisse aber nicht einfach mit der NATO anlegen. Gab Russland im letzten Jahr 148 Milliarden US-Dollar für das Militär aus, lag das Militärbudget der gesamten NATO bei 1455 Milliarden.⁷
Wie wenig es beim Ukrainekrieg um die „Verteidigung der Freiheit“ des ukrainischen Volks geht, zeigen die gegenwärtigen Verhandlungen zwischen den USA, Russland und der EU um einen „Friedensdeal“. Jahrelang forderten westliche Scharfmacher, Russland müsse vollständig „besiegt“ werden und Gebietsabtretungen seien völlig undenkbar. Jetzt soll die Annexion großer Teile der Ukraine durch Russland festgeschrieben werden. Alle am Geschacher um einen „Friedensdeal“ beteiligten Mächte wollen einen möglichst großen Einfluss auf die Rohstoffvorkommen der Ukraine. Dazu will Trump die Sanktionen gegen Russland möglichst rasch wieder aufheben. Nicht zuletzt geht es um die Geschäfte mit dem Wiederaufbau. Die eingefrorenen russischen Vermögenswerte von 100 Milliarden Dollar sollen nach den Vorstellungen der USA zusammen mit weiteren EU-Geldern in einen Wiederaufbaufonds für die Ukraine fließen. 50 Prozent der Gewinne wollen sich die USA sichern. Das führte sofort zum energischem Einspruch der EU und der Forderung nach Neuverhandlung von Trumps 28-Punkte-Plan.
Ein Hauptgrund für den angestrebten „Friedensdeal“ sind die wachsenden Widersprüche in der Bevölkerung der beiden kriegführenden Länder, die in der Ukraine noch durch den Korruptionsskandal führender Regierungsmitglieder befeuert werden. Ein solches imperialistisches Friedensabkommen würde aber an der Grundrichtung der verschärften Konkurrenz der imperialistischen Länder und der Vorbereitung eines neuen Weltkriegs nichts ändern.
Am 5. Dezember: „Nein zur Wehrpflicht“
Umso wichtiger, dass die friedliebenden Menschen mit einer Unterschätzung der Weltkriegsgefahr fertig werden und sich mit der antifaschistischen und Umweltbewegung zu einer breiten Widerstandsfront gegen Faschismus, Krieg und Umweltzerstörung zusammenschließen. Die großen Friedensdemonstrationen am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart richteten sich deutlicher als bisher gegen alle imperialistischen Mächte, auch gegen Russland, und waren mehrheitlich von klarer Abgrenzung gegenüber faschistischen Kräften geprägt.
Der Jugendverband REBELL beteiligt sich aktiv an der entstehenden Bewegung gegen die Wiedereinführung der „Wehrpflicht“. Sie mobilisiert zu Aktionen am 5. Dezember (s. S. 25). Der REBELL verbindet dies mit dem Aufbau einer sozialistischen Jugendbewegung aufgrund der Erkenntnis, dass Imperialismus gesetzmäßig zu Kriegen führt. Wer Faschismus und Krieg für immer beseitigen will, muss für den echten Sozialismus kämpfen!