Rote Fahne 24/2025
Steinböcke, Rheinmetall und NRW-Hochschulfinanzierung
Interessante Begegnung bei einer Hüttentour:
„Ihr seid für Tisch fünf eingeteilt“ – so der Hüttenwirt bei unserer Hüttentour Anfang September. Am Tisch fünf saß ein sympathischer bärtiger junger Mann neben uns. „Ich fotografiere als Hobbyfotograf hier oben Steinböcke und habe schon viele im Kasten“ – antwortete er auf unsere obligatorische Frage nach dem Woher und Wohin.
Nach dem Abendessen und dem zweiten Radler ging die Diskussion weiter: „Und was treibst du sonst?“ „Ich studiere angewandte Informatik.“ „Was bedeutet das konkret? Und siehst du auch eine wachsende Militarisierung an den Hochschulen?“ „Oh ja, das ist beängstigend. Für sinnvolle und soziale Forschungen ist immer weniger Geld da. Die Professoren dort kriegen keine Doktorandenstellen oder diese arbeiten jahrelang für lau … Aber bei Forschungen für die Rüstungsindustrie und das Militär dagegen werden die entsprechenden Bereiche regelrecht mit Geld zugeschmissen. Ein mir bekannter Professor hat eine Einmannfirma aufgebaut mit einer IT-Technologie, die bei der Metallbearbeitung detailliert den Späneverbrauch festhält. Diese Firma hat ihm Rheinmetall mit einem so unverschämten Angebot abgekauft, dass er nicht Nein sagen wollte.“
„Wie sieht es mit Stellen nach dem Uni-Abschluss aus?“, frage ich weiter. „Es ist kaum zu glauben, aber in den online-Stellenbörsen sind die mit Abstand meisten Angebote von Rüstungsfirmen aus Saudi-Arabien. Dort wird man als Jungakademiker mit einem Einstiegsgehalt von 100 000 Euro geködert! Erschreckend. Ich würde lieber in anderen Bereichen weiterarbeiten. Aber die bluten immer mehr aus. Ich habe gehört, dass die Landesregierung im neuen Haushalt riesige Mengen Gelder für die Hochschule eingespart hat. Damit würden die Hochschulen noch mehr abhängig von Drittmitteln – und heute eben auch von der Rüstungsindustrie.“
Am 4. Oktober kommt dazu passend der Artikel in der Presse mit der Schlagzeile: „Kürzungen: Aufschrei der Unis in NRW“. In einer gemeinsamen Resolution protestieren die Senate der meisten Unis aus NRW gegen die geplante Kürzung der Grundfinanzierung der Hochschulen im NRW-Landeshaushalt 2026 in Höhe von jährlich 150 Millionen Euro. Die ohnehin vergleichsweise schlechte Betreuungsrelation zwischen Professoren und Studierenden in NRW würde sich weiter verschlechtern. Oder die Studienangebote müssten verringert werden – mit steigenden Abbruchquoten, weniger Personal und so weiter. Dass dies indirekt die Abhängigkeit der Unis von der Drittmittel-Finanzierung durch die massive Militärisierung der Gesellschaft fördert, das wird aus der Resolution nicht ersichtlich.
Das sah unser Steinbock-Fotograf schärfer – er kennt sich ja schließlich mit scharfen Linsen und klarem Blick auf Steinböcke aus.