Rote Fahne 19/2025
Deutsche Wohnen, Vonovia, VivaWest ... Wie sich das Finanzkapital mehr und mehr unter die Nägel reißt
Nachdem die Ampelregierung mit ihren großen Versprechungen zum Wohnungsbau gescheitert ist, will die Merz-Regierung den „Wohnungs- bauturbo“ einschalten. Das soll vor allem mit schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren erreicht werden. Doch der „Turbo“ produziert vor allem heiße Luft. Im ersten Halbjahr 2025 wurde gerade mal der Bau von rund 110 000 neuen Wohnungen genehmigt. Aufs Jahr hochgerechnet – noch weniger als 2023 und 2024. Am meisten floppt das neue Wundermittel der Regierung bei Mietwohnungen in den Städten. Bei Mehrfamilienhäusern liegt der Zuwachs bei kläglichen 0,1 Prozent im ersten Halbjahr. Bei diesem „Tempo“ ist jetzt schon klar, dass sich die Wohnungskrise weiter massiv verschärfen wird.
Besonders in Großstädten fehlen Hunderttausende Wohnungen. 2023 wohnte jeder Zehnte auf zu engem Wohnraum. Gleichzeitig wohnen viele Ältere alleine in großen Wohnungen, würden gerne ausziehen und Platz für Familien machen, können aber nicht, weil sie sich die teurere Miete einer kleineren Wohnung nicht leisten können. Was für ein Irrsinn! Doch der hat seinen Grund in den ökonomischen Spielregeln des Kapitalismus.
In den Klauen der Immobilienkonzerne
Wohnraum ist im Kapitalismus nicht nur Ware. Vor allem mit der Neuorganisation der internationalen Produktion wurde auch das Geschäft mit Wohnungen zur Quelle von maximalem Profit und immer mehr zum Spekulationsobjekt. Staatliche Wohnungsbaukonzerne und Wohnungsgenossenschaften wurden in Immobilienkonzerne umgewandelt, die sich immer weiter konzentrieren. Insbesondere haben sie große Teile ehemaliger Werkswohnungen der Ruhrkohle AG, der Stahlkonzerne, der Bahn und so weiter übernommen, die sich mit deren Verkauf ebenfalls eine goldene Nase verdienten. Die großen Wohnungskonzerne besitzen inzwischen 2,7 der insgesamt 43,1 Millionen Wohnungen in Deutschland. Mit ihren Mietsteigerungen und Spekulationen diktieren sie maßgeblich die Entwicklung auf dem gesamten Wohnungsmarkt.
Viele Kommunen suchten im Verkauf von städtischen Grundstücken einen Ausweg aus der Verschuldung. Von 2012 bis 2022 kamen 27,3 Prozent der kommunalen Einnahmen in Westdeutschland aus Grundstücksverkäufen. Das besserte die Haushaltsbilanz der Kommunen nur kurzzeitig auf, vermehrte aber den Grundbesitz großer Investoren und Spekulanten. Das sind genau diejenigen, die bei jeder Einschränkung ihrer Profite über „sozialistische Enteignung“ klagen. Dabei enteignen sie selbst fortlaufend gesellschaftliches Eigentum und reißen es sich unter den Nagel! Sie umschlingen mit ihren Klauen immer mehr unser ganzes Leben.
Und sie bauen eben nicht für den Bedarf der Bevölkerung, sondern nur für ihren maximalen Profit. Und deshalb bauen sie häufig gar nicht mehr. Vielmehr haben sie sich darauf verlegt, bestehende Wohnungen zu kaufen und durch Luxussanierungen, Umwandlung in Wohneigentum und vor allem Mietsteigerungen ihr angelegtes Kapital optimal zu vermehren. Daran wird auch der „Wohnungsbauturbo“ der neuen Regierung scheitern.
Keine „Vermietergier“?
Im vierten Quartal 2024 lagen die Mieten deutschlandweit um 4,7 Prozent höher als 2023, in Berlin um 8,5, in Essen um 8,2 und in Frankfurt/Main um 8,0 Prozent.¹ Seit 2010 haben sich die Nettokaltmieten um 64 Prozent erhöht.² Gleichzeitig wird der soziale Wohnungsbau seit Jahrzehnten immer mehr zurückgefahren.
Die faschistische AfD greift die wachsende Empörung darüber scheinbar auf und prangert die „regierungsgemachte Wohnungsnot in Deutschland“ an.³ AfD-Politiker Otto Strauß, Mitglied im Wohnungsbauausschuss des Bundestags: „Die Mietpreisexplosion ist nicht die Folge vermeintlicher Vermietergier ... .“ ⁴ Welche anderen Gründe soll es aber haben, wenn in München Zimmer in Wohngemeinschaften für über 1000 Euro vermietet werden? Oder wenn die Mietpreisbremse umgangen wird, weil Wohnungen als möbliert deklariert werden, nur weil ein Stuhl und ein Tisch reingestellt wurde?
Als Hauptursache für die steigenden Wohnkosten macht Strauß „unkontrollierte Massenzuwanderung“ aus.⁵ Dass es rund 200 000 Nobel-Immobilien in Deutschland gibt, die schon im Durchschnitt 1,44 Millionen Euro kosten – das stört ihn genausowenig wie die Tatsache, dass viele Superreiche gleich mehrere verschwenderisch große Luxusanwesen besitzen, die sie jeweils nur zeitweilig bewohnen. Offenbar auch nicht, dass 1,9 Millionen Wohnungen leerstehen, unter anderem weil sie reine Kapitalanlagen oder renovierungsbedürftig sind.⁵ Kein Wunder, tummeln sich in der AfD und unter ihren Finanziers doch jede Menge Immobilienhaie und Großvermieter wie Henning Conle aus Duisburg. Hauptsache, die Menschen kommen nicht auf den Gedanken, dass Wohnungsnot und Mietenexplosion Ausdruck der kapitalistischen Klassengesellschaft sind. Stattdessen sollen sie ausgerechnet in den Flüchtlingen ihre Konkurrenten sehen, die selbst von der Wohnungsnot betroffen sind und deshalb Teil des gemeinsamen Kampfs dagegen werden müssen.
Wenn Strauß die „Vermietergier“ aus der Schusslinie nimmt, dann lenkt er bewusst von der Hauptverantwortung der großen Konzerne für die Mietenexplosion ab. Mit Forderungen wie nach Abschaffung selbst der halbherzigen Mietpreisbremse handelt die AfD ganz in deren Interesse! ⁶
Dem Übel an die Wurzel
Die Linkspartei kritisiert auf ihrer Webseite: „Wohnungen sind das Zuhause von Menschen, keine Geldanlage.“ Sie fordert einen „grundlegenden Richtungswechsel“ insbesondere durch einen „bundesweiten Mietendeckel und sozialen Wohnungsbau, der dauerhaft bezahlbar bleibt“.⁷ ⁸ Das sind richtige Forderungen für den gemeinsamen Widerstand gegen die zunehmend katastrophale Wohnsituation. An der grundlegenden Richtung der Verwandlung von Wohnraum in Profitquelle und Spekulationsobjekt mit all ihren Folgen aufgrund der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten werden sie jedoch nichts ändern.
Die Wohnungsfrage steht und fällt mit der Verfügungsgewalt über Grund und Boden, Produktionsmittel und Baumaterialien. Eine grundsätzliche Lösung des Wohnungsproblems gibt es erst im Sozialismus. Dann wird die kapitalistische Gesetzmäßigkeit, alles der Profitmaxierung zu unterwerfen, durch eine revolutionäre Umgestaltung der Eigentums- und Machtverhältnisse überwunden.
Das Schreckgespenst von den Plattenbausiedlungen in der zuletzt bürokratisch-kapitalistischen DDR soll die Menschen von der sozialistischen Perspektive abhalten. Doch im echten Sozialismus wird der Wohnungsbau entsprechend den Bedürfnissen der Menschen und umweltgerecht organisiert. In der sozialistischen Sowjetunion wurden in den 1920er- und 1930er-Jahren große „Wohnhöfe“ errichtet. Durch Umgehungsstraßen wurde der Durchgangsverkehr aus ihnen herausgehalten. Um die Frischluftzufuhr in die Wohngebiete zu gewährleisten, hatten die Wohnblocks in Arbeitersiedlungen nur selten mehr als fünf oder sechs Stockwerke. Ein regelrechtes Netz von Großwäschereien, Bibliotheken, Badeanlagen, aber auch Großküchen zur Versorgung der Bewohner mit Mahlzeiten wurde an vielen Orten Standard und bot Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilnahme der Frauen am gesellschaftlichen Leben. Was wäre erst beim heutigen Stand der Produktivkräfte möglich?
Die MLPD fördert und organisiert in einigen Städten Mieterkämpfe als Schule des Klassenkampfs und zur Organisierung der breiten Massen. Die Wohnungsfrage wird im System der Kleinarbeit künftig einen höheren Stellenwert bekommen. Die Wohngebietsgruppen der MLPD fördern die Solidarität in Mehrfamilienhäusern und Wohnvierteln. Zur Kleinarbeit in der Wohnungsfrage gehört auch die Organisierung der Solidarität, des Zusammenhalts und gegenseitiger Hilfe in den Wohngebieten.