Rote Fahne 18/2025

Rote Fahne 18/2025

Kriegswirtschaft – Zeitenwende in den Dritten Weltkrieg

Über eine Billion Euro will die Bundesregierung in den nächsten Jahren für Aufrüstung ausgeben. Aber das ist noch lange nicht alles: Mehr und mehr wird versucht, Kriegswirtschaft … und eine Militarisierung der ganzen Gesellschaft durchzupeitschen. Die Rüstungsindustrie jubelt über ihr aufpoliertes Ansehen gegenüber dem früher beklagten „Schmuddel“-Image.

Von ba /ms
Kriegswirtschaft – Zeitenwende in den Dritten Weltkrieg
Entscheidende Kraft im Friedenskampf – diese Rolle muss das internationale Industrieproletariat einnehmen (Ostermarsch 2025, Köln).

In den Vorstandsetagen der Konzerne knallen die Sektkorken angesichts der Riesensummen, die zukünftig in Rüstungsaufträge fließen werden. Die Ausgaben für Militär und kriegsrelevante Infrastruktur sollen bis 2029 auf rund 240 Milliarden Euro aufgebläht werden. Das sind 42 Prozent des Gesamthaushalts von dann 574 Milliarden und siebenmal mehr als noch vor zehn Jahren. 2015 lagen die Militärausgaben erst bei 38,2 Milliarden Euro und einem Anteil von 12,7 Prozent. Dafür sind plötzlich Unsummen vorhanden, während gleichzeitig über die unbedingte Notwendigkeit gejammert wird, das Sozialsystem einzuschränken. Denn für die 90 Milliarden, die bis 2029 zusätzlich pro Jahr für die Kriegsvorbereitung aufgebracht werden müssen, sind drastische Kürzungen in anderen Bereichen notwendig.

 

Umgekehrt wird das Feuerwerk an staatlichen Subventionen den Konzernen, die an der Kriegsproduktion verdienen, traumhafte Umsätze und Profite bescheren. Beim Rüstungskonzern Rheinmetall explodiert jetzt schon der Aktienkurs. Betrug er 2022 noch 140 Euro, steht er heute bei 1770 Euro. Allein die vage Aussicht auf Verhandlungen zur Beendigung des Ukrainekriegs ließ die Rüstungsaktien auf Talfahrt gehen. „Ein Szenario, das kurzfristig die Gewinnfantasie ... dämpft“, beklagte sich der Börsendienst finanzen.net am 21. August. Wie zynisch ist doch die Hoffnung der Spekulanten, dass der Schrecken eines Friedensschlusses von kurzer Dauer ist!

 

Und wehe, man kommt auf die Idee, solchen Kriegsprofiteuren das Handwerk legen zu wollen – wie es die Aktivisten des Camps „Rheinmetall entwaffnen“ in Köln eher symbolisch vorhaben. Schon das wurde als Ankündigung von „kriegerischen Mitteln“ sofort polizeilich verboten. Die breiten Proteste trugen dazu bei, dass das Verbot nun vom Oberverwaltungsgericht erst einmal gekippt wurde.

 

Doch Rheinmetall und Co. arbeiten auch kräftig an ihrer medialen Aufwertung als „systemrelevante“, eloquente und gern gesehene Geschäftspartner. Die Informationsstelle Militarisierung e.V. analysiert: „Die Wandlung vom eher unsympathischen Geschäftemacher mit Krieg und Tod zum geschätzten Partner, der Seite an Seite mit dem Bundeskanzler den ersten ‚Spatenstich‘ einer neuen Munitionsfabrik ausführt, wirkt fast hastig, so schnell geschah sie. Die beteiligten Akteure (Politik, Medien und Rüstungsindustrie) nehmen sie jedoch mit Wohlwollen und Professionalität auf.“¹ Die Rüstungsindustrie avancierte mittlerweile zur „nachhaltigen“ Branche, selbst Anlagen in Rüstungsaktien werden als „nachhaltig“ eingestuft – weil sie angeblich „den Frieden sichern“. Nach dieser Logik könnte man demnächst auch Atomwaffen als „nachhaltig“ einstufen, sorgen sie doch für todsichere, Jahrmillionen dauernde Verseuchung ganzer Landstriche. Die Neueinstufung geht auf die EU-Kommission zurück, die den Wünschen der Rüstungsindustrie folgte.

Kriegswirtschaft – was bedeutet das?

Die Hochrüstung wurde bereits in den letzten Jahren forciert. Doch jetzt tritt eine neue Qualität ein: die Umstellung auf Kriegswirtschaft. Kriegswirtschaft bedeutet laut Wikipedia „eine auf die Notwendigkeiten des Krieges ausgerichtete Wirtschaftsordnung“. Tatsächlich geht es um nichts anderes als die Umstellung der Industrieproduktion und der gesamten Wirtschaft auf die Erfordernisse der imperialistischen Kriegsführung. Das ist verbunden mit der Militarisierung der gesamten Gesellschaft, auch der Infrastruktur, der Medien, des Bildungs- und Gesundheitswesens sowie mit dem weiteren Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten.

 

Immer mehr Betriebe sind dabei, auf Forschung und Produktion für den Krieg umzustellen. Der Druckmaschinenkonzern Heidelberger Druckmaschinen AG will durch Umrüstung seiner Maschinen Energieregelungs- und -verteilungssysteme für den Kampfjet Eurofighter herstellen. Autozulieferer Schaeffler plant, mit Elektroantrieben für militärische Fahrzeuge in die Rüstungsindustrie einzusteigen. Die Motorenfirma Deutz liefert jetzt Motoren für Militärfahrzeuge und versieht ältere Panzer mit neuen.

 

Für den Kriegsfall wird von täglich 1000 Schwerverletzten ausgegangen. Der „Operationsplan Deutschland“ der Bundesregierung sieht vor, dafür unterirdische Militärambulanzen bei Krankenhäusern einzurichten. Ärzte sollen für die Triage ausgebildet werden – die Priorisierung von Militärangehörigen vor zivilen Patienten und nach Schwere der Verletzung (mehr auf Seite 22). An Universitäten wird jetzt schon die Militärforschung erheblich ausgebaut.

 

Die Agentur für Arbeit nahm im Juli an einer Bundeswehrübung in Hamburg teil.² Laut Arbeitssicherstellungsgesetz (ASG) von 1968 ist sie dafür zuständig, im Kriegsfall benötigte Spezialisten verschiedenster Bereiche – wie Logistiker, IT-Systemadministratoren, Lokführer, Lehrer, Busfahrer, Fluglotsen, Pflegekräfte – zwangszuverpflichten. Krankenpfleger dürfen dann nicht mehr kündigen, Berufsfahrer werden zu militärischen Transporten abkommandiert. Bei Zuwiderhandlung drohen harte Strafen, zum Beispiel ein ganzes Jahr Gefängnis. Auch soll die Bevölkerung mit immer mehr Manövern und Truppenbewegungen an Militärtransporte gewöhnt werden.

 

Gewerkschaftliche Rechte gibt es nicht mehr, sobald der Notstand ausgerufen ist – also nicht nur im Kriegsfall! Das gilt auch für das ohnehin schon eingeschränkte Recht auf Streiks zu Tariffragen. Arbeitsverpflichtungen und die Anordnung extremer Ausdehnung der Arbeitszeit werden dann Alltag, wie bereits in der Ukraine.

Sozial- und umweltpolitischer Kahlschlag geplant

Bundeskanzler Friedrich Merz will sich „durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag … nicht irritieren lassen“.³ Mit anderen Worten: Er plant nichts anderes als einen Sozialkahlschlag bei Renten, Bürgergeld und Sozialversicherungen zur Finanzierung der gigantischen Aufrüstung. Für den Fall, dass das gemeinsam mit der SPD nichts wird, beginnen Scharfmacher wie Bild-Chefredakteur Robert Schneider schon mal mit einer Kampagne „Schwarz. Rot. Tot.“ Unter der Flagge angeblicher Sorge vor dem Einfluss der faschistischen AfD wird de facto ihrer Regierungsbeteiligung der Weg bereitet. So wird die Umstellung der Kriegswirtschaft auch zum Brandbeschleuniger der akuten faschistischen Gefahr. Nicht zuletzt verstärkt sie die Ausreifung der begonnenen globalen Umweltkatastrophe, indem sie die Plünderung der dafür benötigten Rohstoffe massiv forciert und die Kriegsvorhaben heutiger Qualität die Lebensgrundlagen in ganzen Regionen oder gar der gesamten Menschheit zerstören.

„Jobmotor“ durch Hochrüstung?

Um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Umstellung auf Kriegswirtschaft zu erschleichen, wird erklärt: „Auf diese Weise können Zigtausende gute Industriearbeitsplätze erhalten oder gar geschaffen werden.“⁴ Für die Arbeiterklasse kann es überhaupt keine Alternative sein, entweder den Verlust ihrer Arbeitsplätze hinzunehmen oder sich und ihre Jugend für einen imperialistischen Krieg herzugeben.

 

Vor allem trägt sie heute führende Verantwortung dafür, den Untergang der ganzen Menschheit in einem atomaren Weltkrieg zu verhindern. Schon jetzt stellen sich mutige Arbeiterinnen und Arbeiter in Griechenland, Italien und Israel an die Spitze von Blockaden und Streiks gegen Waffenlieferungen und Völkermord (siehe Seite 30). Notwendig ist der breite Zusammenschluss zu einer weltweiten Einheitsfront gegen Krieg, Faschismus und Umweltkatastrophe. Für den 6. September lädt die United Front deshalb ein nach Zürich zur Konferenz „Zimmerwald 2.0“. Sie dient dem Meinungs- und Erfahrungsaustausch, einer streitbaren Strategiedebatte zwischen einem breiten Spektrum internationalistischer Kriegsgegner einerseits und der Konsensfindung im Kampf gegen die Kriegstreiberei aller Imperialisten andererseits.

Herbst der Antikriegsproteste

In den nächsten Wochen sind bedeutende Proteste geplant. Es bahnt sich ein Herbst der Antikriegskämpfe an. Genau richtig! Unter anderem zwei bundesweite Demonstrationen gegen den Gazakrieg am 27. September in Berlin, eine regionale in Düsseldorf sowie Antikriegsdemonstrationen am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart mit bundesweiter Beteiligung. Am Antikriegstag, dem 1. September, werden landauf, landab örtliche Aktionen in meist breiter werdenden Bündnissen vorbereitet. Die MLPD war bereits in den letzten Monaten rege tätig für eine solche Entwicklung und beteiligt sich aktiv an der Vorbereitung solcher Aktionen. Sie übernimmt Verantwortung dafür und fördert den Aufbau der Neuen Friedensbewegung. Um Kriege und Kriegsgefahr abzuschaffen, muss man dem Übel an die Wurzel gehen. Deshalb tritt die MLPD für die revolutionäre Überwindung des imperialistischen Weltsystems und für vereinigte sozialistische Staaten der Welt ein.