Rote Fahne 18/2025

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„Israels Regierung will Gaza ‚entleeren‘“

Ahmad Yacob ist Autor des unabhängigen Nachrichtenportals Occupied News – ein unabhängiges Medienkollektiv, das aktuelle und zuverlässige Nachrichten aus und über Palästina in die deutschsprachige Öffentlichkeit bringt

„Israels Regierung will Gaza ‚entleeren‘“
Ahmad Yacob - Autor beim Nachrichtenportal Occupied News (Foto: Privat)

Rote Fahne: Netanjahu will den gesamten Gaza-Streifen einnehmen. Was bedeutet das für die Menschen, die dort bis jetzt überlebt haben?

Ahmad Yacob: Es bedeutet Vertreibung. Das Ziel des israelischen Krieges in Gaza war von Anfang an klar: den Gazastreifen von seinen Bewohnern zu „entleeren“, das Leben für sie dort unmöglich zu machen. Vor allem aber versuchte Israel monatelang, die Einwohner des nördlichen Teils (inklusive der Stadt Gaza) zu vertreiben, was jedoch an der Standfestigkeit von etwa 300 000 Palästinensern scheiterte, die diesen Teil nie verlassen haben. Sie waren es, die die Hungersnot letztes Jahr aus diesem Grund erlebt und überlebt haben.

 

Seit der Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, dass die Paläs­tinenser den gesamten Gazastreifen verlassen müssen, ist dieser Plan nicht mehr nur von einigen Ministern und Offizieren zu hören, sondern Teil der Regierungspläne.

 

Israel nutzt diesen Krieg, um die Möglichkeit eines palästinensischen Staates endgültig zu beseitigen. Das haben israelische Minister wiederholt öffentlich bestätigt.

 

Wie schlimm ist die Lage im Westjordanland?

Auch das Westjordanland ist von der Gewalt nicht verschont geblieben: Seit Oktober 2023 wurden fast 1000 Palästinenser von Israel getötet und über 10 000 verhaftet. Mehrere Gemeinden wurden vollständig zwangsgeräumt, kein Paläs­tinenser lebt mehr dort.

 

Die Situation im Norden ist jedoch am schlimmsten: Seit Anfang dieses Jahres ist die Region ständigen Angriffen ausgesetzt, wobei allein in den Städten Jenin und Tulkarem Hunderte von Häusern und Schulen zerstört und Zehntausende vertrieben wurden. Dies, die Verhinderung der Einreise von Zehntausenden Arbeitern nach Israel und andere durch den Krieg verursachte Faktoren führten zu massiven Einbußen für die Wirtschaft im Westjordanland.

 

Was ist von der Kritik der deutschen Bundesregierung an diesem Vorgehen zu halten?

Es ist noch schwierig, die Ernsthaftigkeit dieser „Wende“ einzuschätzen. Ich würde sagen, dass der Grund definitiv nicht moralisch ist. Die Bundesregierung möchte vermutlich rechtliche Verfolgung wegen Völkermordbeihilfe und Verletzungen der Menschenrechte erschweren. Das könnte auch ein Manöver sein, um die Glaubwürdigkeit gegenüber der Bevölkerung, ihren Parteimitgliedern und auf der Weltbühne wieder zu stärken. Betrachtet man den arabischsprachigen Raum als Beispiel, hat Deutschland in den letzten Jahren massiv an Ansehen eingebüßt.

 

Vielen Dank für das Interview!