Rote Fahne 16/2025

Rote Fahne 16/2025

Ein großer Sohn Afrikas

Zum Tod des berühmten kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong’o

Von mas
Ein großer Sohn Afrikas
Kenia – Land der Traumsafaris und albtraumhafter Lebensbedingungen für viele (foto: Carlos Gonzales / Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Am 28. Mai 2025 starb Ngugi wa Thiong‘o im Alter von 87 Jahren im Exil in den Vereinigten Staaten. Er war ein großartiger Schriftsteller, sein Leben lang ein antiimperialistischer Kämpfer und Theoretiker für die Bewahrung und Entwicklung der kulturellen Identität Afrikas.

 

Er stammte aus einer einfachen Bauernfamilie und wuchs auf unter der britischen Kolonialherrschaft über seine Heimat Kenia. Als Jugendlicher erlebte er den britischen Terror gegen die antikoloniale Freiheitsbewegung in Kenia – bekannt unter den Namen Mau-Mau-Bewegung. Britische Soldaten erschossen einen seiner Brüder an einem Kontrollpunkt, weil er auf Anforderung nicht stehen blieb – er war nämlich taub.

 

Als Schüler erhielt Ngugi wa Thiong‘o ein Stipendium für eine britische höhere Schule in Kenia und studierte danach an der bekannten afrikanischen Universität Makerere in Uganda.

 

Seine ersten Bücher in englischer Sprache handelten von dem Befreiungskampf des kenianischen Volks gegen den britischen Kolonialismus. Bezeichnenderweise erschien sein erstes Buch in deutscher Sprache 1964 in der damaligen DDR – in Westdeutschland erst über ein Jahrzehnt später, als er schon weit über Afrika hinaus ein bekannter Schriftsteller war.

 

1963 wurde Kenia als erstes Land Afrikas staatlich unabhängig. Aufgrund der wirtschaftlichen Rückständigkeit und Schwäche der Befreiungsbewegung blieb das Land in den Klauen des Neokolonialismus.

Theaterspiel für die Massen

In dem Roman »Verbrannte Blüten« von 1977 greift er den Verrat des antikolonialen Befreiungskampfs durch die neue kenianische bürgerliche Klasse mit Präsident Joma Kenyatta an der Spitze an. Besonders bemerkenswert ist an diesem Buch, dass er die entstehende und aufstrebende Arbeiterklasse in Kenia als wichtigen Zukunftsakteur einbezieht. Das ist bis dahin sehr selten in der afrikanischen Literatur! Er legt auch seinen englischen Vornamen James ab – weil er einen Namen ohne kolonialen Einfluss haben will. In dieser Zeit engagiert er sich mit einer Theatertruppe auf dem Dorf, um für die breiten Massen der afrikanischen Bevölkerung zu spielen. Dort wird er gefragt: „Warum schreibst du nicht in unserer Sprache?“

 

Wegen des kritischen Inhalts des Theaterstücks und des Romans „Verbrannte Blüten“ wird er 1977 ohne Urteil für ein Jahr in einem Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert. Dort schreibt er unter illegalen Bedingungen seinen ersten Roman in seiner Sprache Kikuyu „Der gekreuzigte Teufel“. Sehr bildreich wird der Kampf einfacher Kenianer gegen in- und ausländische Teufel geschildert.

 

Nach der kommentarlosen Entlassung musste er Kenia verlassen und wurde ein international bekannter Universitätslehrer. Er befasste sich theoretisch mit Fragen der Entwicklung der afrikanischen Kultur. Eine bekannte Aufsatzsammlung heißt „Dekolonialisierung des Denkens.“ Er zeichnete sich auch durch eine ungewöhnliche, poetische, aber auch sachkundige, afrikanische Tradition und internationalen Standard verbindende Sprache aus.

Auf der Seite der Unterdrückten

In diesen Schriften bezieht er sich auch auf Erkenntnisse von Marx und Mao Zedong und vertritt die dialektisch-materialistische Weltanschauung. In seinen Büchern steht er konsequent aufseiten der Unterdrückten und für ihren berechtigten Kampf um Befreiung. Diese konsequente Haltung lässt den Redakteur der Berliner taz in seinem insgesamt bewundernden Nachwort doch etwas schaudern. So schreibt er, die späteren Schriften von Ngugi wa Thiong‘o „triefen vor marxistischem Jargon“ und die mutige Kritik am Neokolonialismus ist ihm zu „holzschnittartig.“

 

Als Ngugi wa Thiong‘o nach 22 Jahren in seine Heimat zurückkehrte, wurde er begeistert empfangen – Tausende Kenianer kamen, um ihn zu begrüßen. Doch wenig später wurde er in seiner Wohnung brutal überfallen und seine Frau vergewaltigt. Für Ngugi wa Thiong‘o war dieser Überfall politisch motiviert und er kehrte in die USA zurück. Er verfasste dort den fiktiven Roman „Der Herr der Krähen“ und drei Bücher über seine Kindheit, Jugend und als Student im kolonialen Afrika.

 

Er war ein großer Kämpfer für die vollständige Befreiung seiner Heimat und ist ein lesenswerter Schriftsteller!