Rote Fahne 15/2025

Rote Fahne 15/2025

Trumps Wissenschaftsdekret „Goldener Standard“

Den Angriffen auf die bürgerlich-demokratische Wissenschaft in den USA bis hin zur faschistischen Zwangsverwaltung von Universitäten wird mit einem neuen Wissenschaftsdekret von Präsident Donald Trump eine üble Rechtfertigung gegeben

Von cj/l
Trumps Wissenschaftsdekret „Goldener Standard“
USA-weite Proteste gegen Missbrauch und Zensur der Wissenschaft (Seattle, 7. März 2025) Foto: Living Better Through Chemistry / CC BY-SA 4.0

Trumps Executive Order „Restoring Gold Standard Science“ vom 23. Mai 2025 fordert von allen Bundesbehörden eine Revision aller Regelungen im Forschungsbereich. Demagogisch wird die Einhaltung sogenannter goldener Standards der Wissenschaft gefordert, wie „reproduzierbar, transparent, Fehler und Unsicherheiten kommunizierend, kooperativ und interdisziplinär, skeptisch gegenüber ihren Ergebnissen und Annahmen … etc“.¹

 

Der Kern dieses Dekrets ist es jedoch, politische Beauftragte in jeder Behörde zu ernennen, die auf der Grundlage dieses Standards eine eigene Bewertung der Forschung dieser Behörde vornehmen. Sie können Forschungsergebnisse als „wissenschaftliches Fehlverhalten“ einstufen und deren Verwendung ablehnen bzw. ihre Weiterführung unterbinden.

 

Bisher in der bürgerlich-demokra­tischen Wissenschaft gültige Gepflogenheiten, wie die Fachbegutachtung von Ergebnissen durch andere Wissenschaftler, werden durch ein faschistisches Aufsichtssystem ersetzt. Zwar dient auch das bürgerlich-demokratische Begutachtungssystem dazu, dass sich letztlich die Monopolinteressen durchsetzen. Es ließ jedoch Spielraum für kritische und fortschrittliche Bestrebungen und wurde für die Monopole nun zum Hindernis eines sprunghaft forcierten Ausbaus der Militärforschung.

Rigoros gegen Gesundheitsschutz

So ist das Dekret kein Qualitäts­programm, sondern ein Instrument, um unter dem Schlagwort „Vertrauen in die Wissenschaft wiederherstellen“ die Monopol­interessen noch rigoroser durchzusetzen.

 

Real existierende Krisenmerkmale der bürgerlichen Wissenschaft, wie mangelnde Wiederholbarkeit von Ergebnissen etc. werden herausgepickt, um einen radikalen faschistischen Umbau zu rechtfertigen. Das Gerede von Qualität dient als Nebelkerze, wie auch das Science Magazin feststellt. Einer der Chefaufseher, der neue NIH²-Direktor Jay Bhattacharya,    wurde 2020 als Initiator der „Great Barrington Declaration“ bekannt. Sie forderte die rücksichtlose Aufhebung sämtlicher  Corona-Schutzmaßnahmen. Heute setzt er die Aufhebung des Arbeitsschutzes für Bergleute durch: Die Früherkennung von Staublungen bei Bergarbeitern wurde eingestellt³ bzw. die Einführung neuer Grenzwerte für gefährlichen Silikastaub⁴ wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Das bedeutet die mutwillige Zerstörung der Gesundheit der Arbeiter. Gleichzeitig wird die Kohleproduktion hochgefahren.

 

Begleitet wird die Neuausrichtung des Wissenschaftssystems in den USA durch eine faschistische, verlogene Kritik an Auswüchsen der Krise der bürgerlichen Wissenschaft.

 

Ein Beispiel ist der Mathematiker Eric Weinstein, ehemalige Leiter eines Investmentfonds des Finanzkapitalisten und Trump-Unterstützers Peter Thiels. In seinem Wissenschaftsblog hat er mehr als elf Millionen Follower. Als scheinbarer Kritiker des Idealismus wirft er der spekulativen Stringtheorie (Theorie der Teilchenphysik, statt punktförmiger Teilchen seien die kleinsten Bausteine der Materie eindimensionale schwingende Strings = Saiten) vor, den wissenschaftlichen Fortschritt der Physik über Jahrzehnte hinweg blockiert zu haben. Die tieferliegenden Ursachen für den blühenden Idealismus und nutzloser Forschung sieht er in einer langen Phase des Friedens, die aus seiner Sicht zu „Kastration, Entmannung und Entvitalisierung“⁵ geführt habe. Als selbsternannter Erneuerer der Physik fordert er deshalb explizit: „Das Militär muss die Grundlagenforschung wieder finanzieren“.⁶

 

Diese verlogene Kritik verwirft die Stringtheorie, nicht weil sie nicht der objektiven Wirklichkeit entspricht, sondern weil sie zu wenig „Wumms“ für militärische Durchbrüche lieferte. Weinstein fordert gar rücksichtlose „great science“⁷, die „an der Grenze zum Unverantwort­lichen“⁸ operiere: Man müsse falsche Hypothesen zulassen, notfalls „lügen, stehlen, betrügen“, weil nur so Sprünge zu neuen Erkenntnissen gelingen würden.

 

Tatsächlich soll mit einem weiteren Trump-Dekret vom 23. Mai 2025 die Nuklearwirtschaft rücksichtlos ausgebaut werden. Die Genehmigungsverfahren für neue Kernkraftwerke sollen von mehr als zehn Jahren auf 18 Monate verkürzt werden.⁹ Die installierte Kapazität soll von etwa 100 Gigawatt heute auf 400 Gigawatt bis 2050 vervierfacht werden mit neuen risikoreichen Reaktortypen.

 

Gegen das Trump-Dekret „Goldener Standard“ gibt es einen offenen Brief der Bewegung „Stand up for Science“ mit 6300 Unterzeichnern (Stand 1. Juni).

 

Der Übergang zu einem faschis­tischen Wissenschaftssystem beschleunigt die Gefahr des Untergangs der Menschheit in der globalen Umweltkatastrophe oder in einem Weltkrieg. Den massenhaften Widerstand dagegen zu entwickeln und darin auch ein Kampfbündnis mit fortschrittlichen Wissenschaftlern muss Teil der internationalen Einheitsfront gegen Faschismus, Krieg und Umweltkatastrophe werden.