Rote Fahne 15/2025

Rote Fahne 15/2025

Die Enkel fechten’s besser aus! 500 Jahre Bauernkrieg

1525, vor 500 Jahren, prallten bewaffnete Bauernhaufen und fürstliche Söldnerheere aufeinander. Geschätzt 200 000 Bauern, Tagelöhner, Handwerker und Bergknappen stritten mit der Waffe in der Hand für Brot, Land und Freiheit. Mehr als 70 000 wurden dafür von der feudalen Obrigkeit bestialisch ermordet. Die Bauernkriege haben tiefe Spuren hinterlassen. Vielerorts gibt es zum Jubiläum Gedenkveranstaltungen und Ausstellungen. Was war damals wirklich und welche Lehren sind daraus zu ziehen?

Von wr/ro
Die Enkel fechten’s besser aus! 500 Jahre Bauernkrieg
Titelblatt der zwölf Artikel, des Kampfprogramms der Bauern 1525 Grafik: gemeinfrei

Streit um die Deutungshoheit

Das zu Recht zeitweise verbotene faschistische Magazin „Compact“ schreibt: „Vor genau 500 Jahren standen die Bauern gegen fremde Einflüsse und Knechtung und für ein starkes und einiges Reich auf. Es galt damals zudem, die deutsche Art zu erhalten“.¹ Komisch nur, dass die Knechtung der Bauern nicht von „fremden Einflüssen“, sondern von völlig einheimischen Fürsten ausging. Komisch auch, dass die Bauern nirgends ein „starkes einiges Reich“, sondern „das Recht der Gemeinden zur Wahl und Absetzung des Pfarrers“, sowie „die Aufhebung der Leibeigenschaft“ forderten. Kein Wort findet sich in den berühmten 12 Artikel von 1525 von der Erhaltung der deutschen Art. Das haben die modernen Faschisten schlicht von der NS-Propaganda übernommen. Zudem erstreckten sich die Bauernkriege weit über Deutschland hinaus ins Baltikum, Ungarn, England, Tirol, die Schweiz und weitere.

 

Die Bauern kämpften gegen den reaktionären Adel. Deren „Helden“ waren Führer der Söldnerheere, wie Truchseß von Waldburg. Er metzelte Bauern nieder und bekam zum Dank vom Kaiser Ländereien geschenkt. Seine Nachfahren gehören bis heute zu den größten privaten Waldbesitzern Deutschlands. Faschisten singen heute frech das revolutionäre Lied „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“. In Wahrheit stehen AfD und Co aber in der Tradition der erbitterten Feinde der Freiheit. So ist die AfD eng mit dieser Familie verbunden. Dem bescheidenen Maria Erich Wunibald Aloysius Georg Graf von Waldburg zu Zeil und Trauchburg gehören 190 Unternehmen. Die von ihm kontrollierten Zeitungen des Schwäbischen Verlags fallen immer wieder damit auf, dass sie Interviews mit Politikern der AfD besonders prominent platzieren. Sie gelten teils als „ungefilterte AfD-Plattform“².

Was lernt man im Geschichtsunterricht?

„Die aktuelle faschistische Gefahr in Europa wäre nicht denkbar ohne den Versuch ihrer Akteure, die Geschichte neu zu schreiben“, heißt es treffend in dem Buch „Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur“ (S. 71). Genauso wahr ist, dass diese Renaissance der faschistischen Geschichtsschreibung nur möglich ist, weil die revolutionäre Geschichte in den Schulen kaum vorkommt oder verfälscht wird. So wird bei „Planet Wissen“ Thomas Müntzer, der Führer der revolutionären Bauern und Plebejer, mit keinem Wort erwähnt, während der bürgerliche Reformator Martin Luther einseitig hervorgehoben wird.³

 

Bürgerliche Historiker haben lange Zeit den Bauernkrieg als Unfall der Geschichte heruntergespielt und die Bauern als rohe verwilderte Schar dargestellt. Aber die revolutionäre Tradition belebt sich wieder. Heribert Prantl fordert in der Süddeutschen Zeitung, „dem Jahr 1525 den historischen Rang einzuräumen, der ihm gebührt.“⁴ Doch das löst die Süddeutsche nicht ein und greift Friedrich Engels an, weil er „den Aufstand der Landbevölkerung als Vorgeschichte des marxistischen Klassenkampfes umzudeuten“ versucht hätte.⁵

 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte zum Beginn des Jubiläumsjahr die mutigen Vorkämpfer von 1525, die wir als Wegbereiter unserer „heutigen freiheitlichen Demokratie“ verstehen sollen.

Der deutsche Bauernkrieg war Klassenkampf

Friedrich Engels deutete in Wahrheit nichts um. Er wies nach: der Bauernkrieg hatte seinen materiellen Hintergrund in einem historischen Wendepunkt. Erste Elemente einer bürgerlichen kapitalistischen Gesellschaft kündigten eine neue Zeit an. Der Bauernkrieg war eine frühbürgerliche Revolution. Die Feudalgesellschaft steckte tief in der Krise. Fürsten führten gegeneinander Kriege. Kirchenführer mit dem Papst an der Spitze mischten mit, führten ein Leben in Saus und Braus. Alle beriefen sich natürlich auf Gott. Ein ganzes Bündel von Abgaben und Steuern beutete die Bauern bis aufs Blut aus. Für geringste Vergehen wurden sie brutal bestraft. „So kann es nicht weitergehen,“ war die verbreitete Stimmung ab dem letzten Drittel das 15. Jahrhunderts.

 

Memmingen gab das Signal für den bisher größten flächendeckenden bewaffneten Volksaufstand in Mitteleuropa. 50 Delegierte beschlossen Ende Februar/Anfang März 2025 ihre Forderungen in den berühmten 12 Artikeln. Einige Ritter, wie Florian Geyer oder Götz von Berlichingen stellten ihre militärischen Kenntnisse in den Dienst der Bauern. Die meisten erwiesen sich aber als unzuverlässige Bundesgenossen.

Die Massen nehmen ihre Sache selbst in die Hand

Das Bild der duldsamen Bauern, deren Zorn man auf sonntäglichen Messen mit lateinischer Litanei und einer Ladung Weihwasser zu besänftigen suchte, wandelte sich. Gebildete Bauern, arme Prediger und Handwerker stellten sich an die Spitze der Masse der Bauern. Sie bildeten lokal organisierte Haufen, die sich zu größeren zusammenschlossen. Sie nannten sich nach ihrer Region: am Bodensee der „Seehaufen“, oder ihrer Kleidung, „Schwarzer Haufen usw. Jedes Dorf war stolz, seine wehrfähigen Einwohner an den Haufen abzugeben. Sie eroberten Klöster und Burgen, in die sich die Fürsten, der hohe Klerus und deren Anhänger mit schlotternden Knien zurück zogen. Ihre waffentechnische Unterlegenheit, glichen sie durch Mut und die Einsicht in die gerechte Sache aus.

 

Das weltanschauliche Gefecht lieferten vor allem zwei Männer: Martin Luther und Thomas Müntzer. Luther übersetzte die Bibel ins Deutsche. Lesekundige Pfarrer berichteten den erstaunten Bauern, dass der Privatbesitz von Boden und Naturschätzen oder die unentgeltliche Fronarbeit für den Großgrundbesitzer nicht mit „Gottes Wort“ vereinbar seien. Luther griff vor allem das Papsttum an. Diese Botschaft gab vielen Fürsten Rückendeckung, die päpstliche Konkurrenz in die Schranken zu weisen. Luther wurde ihr Mann. Er war beliebt im Volk, kämpfte aber mit Fürsten gegen andere Fürsten. Als die Bauern ernst machten, hetzte Luther die Fürsten auf, ohne Gnade die „räuberischen Bauernrotten“ abzuschlachten.

 

Thomas Müntzer, anfangs mit Luther befreundet, versetzte mit seiner „Fürstenpredigt“ die Herrschenden in Schrecken: „Gottlose Fürsten“, die sich gegen das Volk stellen, dürften von diesem getötet werden! Er strebte eine von Ausbeutung und Unterdrückung befreite Gesellschaft an, die er der Zeit entsprechend als Himmelreich auf Erden darstellte.

 

Entscheidend für die Niederlage der Bauern waren zwei Faktoren: Die Bürger der Städte entzogen feige den Bauern die Unterstützung. Vor allem fehlte den Kämpfen der Bauern eine vereinigende Zentralisiserung aufgrund der kleinbürgerlichen Lebenslage und Lokalborniertheit der Landbevölkerung.

Die Lehren für heute

Heute herrschen kaum noch Fürsten auf der Welt. Aber die von Steinmeier beschworene „freiheitliche Demokratie“ ist in Wirklichkeit eine Diktatur der 500 größten Übermonopole. Die Enkel der revolutionären Bauern, sind die weltweit 500 Millionen Industriearbeiter im Bündnis mit den allen Unterdrückten, wozu auch die kleinen und mittleren Bauern gehören.

Frei nach Engels⁶ sind die vier Hauptlehren:

  1. Es braucht theoretische Arbeit um sich von „alten Weltanschauungen“ zu befreien. Und um Freund und Feind zu kennen und die richtige Strategie und Taktik zu entwickeln.
  2. Die gewonnen Erkenntnisse müssen „mit gesteigertem Eifer“ verbreitet werden.
  3. Es gilt „die Organisation der Partei wie der Gewerkschaften immer fester zusammenzuschließen“.
  4. Alle künftigen Kämpfe müssen international ausgerichtet werden.


Die MLPD ist stolz, das revolutionäre Erbe der Bauernkriege zu verbreiten. Ihr Traum von einem „Himmelreich auf Erden“ ist heute ein greifbares, wissenschaftliches Ziel – in einer Gesellschaft des echten Sozialismus.