Rote Fahne 12/2025
Militarisierung der Wissenschaft und faschistische Wissenschaftsdemagogie
Für die beschleunigte Weltkriegsvorbereitung betreiben die Herrschenden eine gesteigerte Hochrüstung und den Übergang zu einer Kriegswirtschaft. Monopolvertreter fordern die sprunghafte Militarisierung der Wissenschaft, um eine Spitzenstellung in der Militärtechnik zu erobern:
Der vorherrschende Friedenswille des wissenschaftlich-technischen Personals an Hochschulen und in Entwicklungsabteilungen ist den Betreibern dieser Militarisierung dabei ein Dorn im Auge.
BDI-Präsident ruft zum Kampf um die Köpfe auf
Die Rede des neuen BDI-Präsidenten Peter Leibinger am 14. Februar 2025 auf der Münchner Sicherheitskonferenz bringt exemplarisch auf den Punkt, wie dazu nun ein Kampf um die Köpfe und Herzen der Arbeiter, Wissenschaftler und Ingenieure geführt werden soll. Für ihn ist „Verteidigung … eine Haltungsfrage“. Leibinger erspart sich den martialischen Hurra-Patriotismus früherer Zeiten. Zynisch erklärt er: „Wer sich für zu fein hält oder für zu pazifistisch, um die Wiederaufrüstung zu bejahen, der hat rein gar nichts aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt.“¹
Dabei beruft er sich auf die Antikommunistin Anne Applebaum, nach der „die eigentliche Lehre aus der deutschen Geschichte“ nicht darin besteht, „dass Deutsche nie wieder Krieg führen dürfen, sondern dass sie eine besondere Verantwortung dafür haben, sich für die Freiheit einzusetzen und dabei auch Risiken einzugehen“.
Von was spricht Applebaum? Vom Risiko eines Untergangs im atomaren Inferno? Von der „Freiheit“ der herrschenden Monopole, ihre Weltmarktführung gegen die neuimperialistischen Rivalen China und Russland auch mit militärischen Mitteln auszutragen? Von der freien Bahn für Rüstungsindustrie, NATO-Expansion, Rohstoffsicherung und Aufstandsbekämpfung? Was sie als vermeintliche „Lehre aus dem 20. Jahrhundert“ propagiert, ist in Wirklichkeit die ideologische Rehabilitierung des aggressiven deutschen Imperialismus, verbrämt mit dem Etikett „Freiheit“.
Die reale Geschichte des 20. Jahrhunderts – von zwei Weltkriegen, dem Holocaust, der aggressiven NATO-Osterweiterung – wird nicht einmal erwähnt, sondern bewusst umgedeutet. Aus der brennenden Lehre „Nie wieder Faschismus!“ macht sie: Nie wieder zu spät, aufrüsten. Der Aufruf, „alles zu tun, um nicht Krieg führen zu müssen“, rechtfertigt in einem System, das auf Konkurrenz, Profit und imperialistischer Neuaufteilung der Welt basiert, in Wirklichkeit, alles zu tun, einen neuen Krieg darum vorzubereiten.
Militärisch- industriell-akademischer Komplex
Leibinger zielt auf den sprunghaften Ausbau der Durchdringung von Hochschulen und Forschungsinstituten mit dem Militär und der Industrie. Sein Vorbilder sind explizit: USA, Ukraine und Israel. Er fordert ultimativ die Abschaffung der Zivilklauseln, eine Startup-Förderung für Drohnen, KI, Satellitentechnik und eine darauf bezogene „strategische Ausrichtung“ der Hochschulen. Auch wenn schon heute Rüstungsforschung oder Forschung für duale – sowohl zivile als auch militärische – Nutzung, an Hochschulen stattfindet, wird so die Schaffung eines umfassenden militärisch-industriell-akademischen Komplexes vorbereitet.
Willi Dickhut analysierte bereits in seinem Buch „Der staatsmonopolistische Kapitalismus in der BRD“ die Durchdringung des militärisch-industriellen Komplexes mit der Forschung: „Der direkte, militärische Verwendungszweck der Forschung führt neben der allgemeinen Militarisierung der gesamten Forschung auch dazu, daß zunehmend nur noch angewandte Forschung gefördert und finanziert wird, dagegen die Grundlagenforschung zunehmend vernachlässigt wird.“²
Heute soll dies in einer neuen Dimension verwirklicht werden. Der Zweck ist die noch weitere rigorose Unterwerfung der Wissenschaft unter die Interessen des Monopolkapitals, insbesondere der Rüstungsindustrie, im Zuge der Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs.
Monopolkampagne gegen Zivilklauseln trifft auf Widerstand
Gegen die Forderung nach Abschaffung der Zivilklausel, an der derzeit noch 70 Hochschulen3 festhalten, regt sich Widerstand. Klar ist, dass solche Klauseln Militärforschung nicht verhindern, wie beispielsweise an der Uni Bremen aufgedeckt wurde.4 Doch die Abschaffung der Zivilklauseln würde noch bestehende Barrieren für die Militarisierung der Hochschulen schleifen. Hans Jung, Sprecher von Scientists for Peace5, schreibt: „Wir brauchen eine Wissenschaft, die sich eindeutig dem Frieden verpflichtet fühlt, die Forschung zu friedlichen Zwecken betreibt, die einen Beitrag leistet, die großen Menschheitsprobleme zu lösen (anstatt sie zu verschärfen).“
Eine solche Positionierung ist unbedingt zu begrüßen. Notwendig ist aber auch die Diskussion darüber, wie man die Wurzeln der Militarisierung mit der Erkämpfung des echten Sozialismus beseitigen kann.