Rote Fahne 04/25
„Der Bergdoktor“ – eine TV-Serie mit Millionenpublikum
Die TV-Arztserie „Der Bergdoktor“ ist jetzt in der 18. Staffel seit 2008 angelaufen. Etwa sieben Millionen schauen jedes Mal zu – etwa 22 Prozent der möglichen deutschen TV-Zuschauer. Die Drehorte in Tirol sind Pilgerorte für die Serien-Fans. Was fasziniert so an diesen „Heimat-Dramen“? Dazu ein Kommentar
Als die Serie 2008 startete, habe ich etliche Folgen angeschaut. Mir gefielen die wunderschönen Landschaften vor dem Bergmassiv des „Wilden Kaiser“, der blumengeschmückte Bergbauernhof, das überschaubare Dörfchen mit frischem Brunnengeplätscher – alles immer im schönsten Sonnenschein. Das schien zum „Runterkommen“ abends gut. Ja, dann waren da auch die ärztlichen Probleme des Bergdoktors Dr. Martin Gruber, die er mit viel Einfühlungsvermögen stets meisterte.
Nach einigen Folgen drängten sich allerdings zunehmend die wechselnden Liebesbeziehungen des Bergdoktors in den Vordergrund. Sie waren von Eifersucht, Missverständnissen begleitet. Sicher – es wurden oft wichtige Fragen angesprochen. Etwa: Wie geht man als Eltern damit um, wenn die elfjährige Tochter einen unheilbaren Krebs hat. Und gelegentlich plagten Dr. Gruber auch Selbstzweifel.
Nach und nach gingen mir dann aber die fortwährenden gestörten Beziehungen des Dr. Gruber auf den Keks und vermiesten mir langsam selbst die schönste Landschaft. Auch die zum Weinen provozierenden langatmigen Szenen mit dick aufgetragenem Gefühl empfand ich irgendwann schlicht als unecht.
Überhaupt kam mir die Frage: Wie kann der Bergdoktor eine Praxis halten, wenn er immer nur einen Patienten hat und sich auf höchstem Niveau um ihn kümmert? Ich habe als Kassenpatient oft medizinische Massenabfertigung erlebt, lange Wartezeiten, routinemäßige Behandlung, unzureichende Diagnosen, ausufernde Bürokratie, zunehmende Zuzahlungen usw. Über all das ist in über 160 Folgen der Serie nichts zu sehen.
Mit der Zeit wird das Schema aller Folgen deutlich: In jeder Episode tritt ein Patient mit rätselhaften Symptomen einer seltenen Krankheit auf, der Bergdoktor diagnostiziert sie mit Unterstützung seines Freundes Dr. Kahnweiler und heilt alle. Zweitens: Das Ganze ist in einem folgenübergreifenden Handlungsstrang der Familie Gruber eingebettet, in dem deren Lebensumstände und die Liebesverwicklungen des Bergdoktors ablaufen.
Kein Wunder also, dass auch langjährige Fans sich kritisch zur Serie äußern: „Zu konstruiert, zu dramatisch, immer noch eine weitere Lebenslüge …“ oder: „bevor es in die Lächerlichkeit abdriftet, sollte man zum Ende finden“.¹
Mich erinnert das Ganze an die Heimatschnulzen der 1950er-Jahre. Nur: da gab es keine gestörten Beziehungen und keine „Gruber“-Patchwork-Familie. Im Wesentlichen geht es nämlich bei solchen TV-Serien darum, „die bürgerliche Gesellschaft zu idealisieren, sie zu rechtfertigen, erträglich zu gestalten, abzulenken von den Krisen der Zeit und Illusionen oder Resignation zu verbreiten.“²