Rote Fahne 03/25
Vor 75 Jahren: Verfassung des unabhängigen Indiens beschlossen
Am 26. Januar 1950 wurde die neue Verfassung Indiens beschlossen, nachdem es sich von der britischen Kolonialherrschaft befreit hatte:
Die Ausplünderung Indiens, der „Perle des britischen Kolonialreiches“, bildete eine wesentliche Grundlage für den Aufstieg Großbritanniens zur lange Zeit führenden imperialistischen Weltmacht. Durch die Oktoberrevolution 1917 in Russland wurde jedoch das ganze imperialistische Weltsystem erschüttert: Es begann das Zeitalter der proletarischen Weltrevolution und damit die Allgemeine Krise des Kapitalismus.
Die Kette des imperialistischen Systems war an ihrem schwächsten Glied gerissen und zwangsläufig verschärften sich die Widersprüche zwischen den Imperialisten um eine künftige Neuaufteilung. Der britische Imperialismus fiel zurück und die USA stiegen zur stärksten imperialistischen Macht auf. Mit Hitler griff das faschistische Deutschland nach der Weltherrschaft und entfesselte dazu den Zweiten Weltkrieg. In ihm trat die sozialistische Sowjetunion unter Stalins Führung als Hauptkraft zur Befreiung der Völker und als Förderer der Weltrevolution auf.
„Stalin mit Ghandi schlagen …“
„Die Zerschlagung des Faschismus hat günstige Bedingungen dafür geschaffen, daß die überwiegende Mehrheit der Kolonien nach dem zweiten Weltkrieg ihre nationale Unabhängigkeit erringen konnte“, schrieb das theoretische Organ der MLPD, REVOLUTIONÄRER WEG, zu dieser Entwicklung.¹ Mit Blick auf Indien hieß es: „Der Kapitalexport der Imperialisten führte zum Export des Kapitalismus in die Kolonien, der die feudale Gesellschaftsordnung untergrub und die Klassenstruktur veränderte. Mit der Bourgeoisie entstand und entwickelte sich ein Industrieproletariat, und beide wurden zu Hauptklassen in den Kolonien, die unvermeidlich in Widerspruch zum Imperialismus geraten mußten.“² Ebenso unvermeidlich stellte sich die Frage, ob der nationale Befreiungskampf unter proletarischer oder bürgerlicher Führung verlaufen sollte.
Der bis heute bekannte und von der Bourgeoisie propagierte Repräsentant eines „gewaltlosen Widerstands“ in In- dien war Mahatma Gandhi. Er wandte sich gegen die führende Rolle der seit den 1930er-Jahren erstarkten indischen Arbeiterbewegung und führte die Massen in eine Sackgasse. Statt zu konsequentem revolutionären Kampf riet er ihnen zu innerer Einkehr, was von allen Antikommunisten natürlich begeistert begrüßt wurde. Der ehemals fortschrittliche US-Journalist Louis Fischer brachte dies 1947 auf dem Höhepunkt des indischen Befreiungskampfes auf den Punkt: „Stalin mit Ghandi zu schlagen ist der Weg zu persönlicher Freiheit und persönlichem Anstand und deshalb zur Demokratie und zum Frieden. Richte den Suchscheinwerfer nach innen.“³
Ende der national-revolutionären Bewegung
Doch die in Indien vorhandenen Widersprüche zwischen den feudal beherrschten Religionsgruppen der Hindus und der Muslime konnten auf kapitalistischem Weg keineswegs friedlich gelöst werden. Schon während seiner Kolonialherrschaft hatte Großbritannien den Aufstieg des Hinduismus zur schließlich dominierenden Religion gefördert, um die indische Gesellschaft zu spalten und ihre koloniale Unterdrückung zu stabilisieren. Die von Großbritannien nun zugestandene Unabhängigkeit bedeutete 1947 eine Teilung in mehrheitlich von Hindus bewohnte Gebiete und die hauptsächlich muslimisch bevölkerten, die das neue Land Pakistan bildeten. Bei Gewaltausbrüchen und Fluchtbewegungen von Hindus aus Pakistan und Muslimen aus Indien kamen mehr als eine Million Menschen ums Leben. Der Konflikt um Kaschmir führte 1949 zum ersten indisch-pakistanischen Krieg!
Das Ergebnis des indischen nationalen Befreiungskampfs kennzeichnete die MLPD eindeutig: „Gandhis Sieg war der Sieg der indischen Großbourgeoisie, die zum Juniorpartner des britischen und US-amerikanischen Imperialismus aufstieg, und eine Niederlage der national-revolutionären Bewegung Indiens.“⁴ Gandhi fiel dem schon früh selbst zum Opfer, als er am 30. Januar 1948 von einem fanatischen Muslim erschossen wurde.
Aufstieg zur imperialistischen Macht
Im November 1949 konstituierte sich Indien als Republik und mit dem Inkrafttreten der ersten Verfassung gab es 27 Bundesstaaten. Unter Gandhis Nachfolger Jawaharlal Nehru von der Kongress-Partei nahm die kapitalistische Entwicklung Indiens ihren Lauf. Bereits nach wenigen Jahren führte sie zu einer verbrecherischen Aggression gegen den Sozialismus, der im benachbarten China Mao Zedongs erfolgreich aufgebaut wurde: „Während des Jahres 1962 führte die Nehru-Regierung Indiens mit Unterstützung des USA-Imperialismus wiederholt bewaffnete Überfälle auf chinesische Gebiete durch. Am 20. Oktober begann die Nehru-Regierung eine großangelegte Offensive entlang der chinesisch-indischen Grenze.“⁵
1972 wies Willi Dickhut, Vordenker und Mitbegründer der MLPD, weitsichtig darauf hin: „Nachdem Indien selbständig wurde, entwickelte sich der indische Kapitalismus zum herrschenden System und in den letzten Jahren sogar mit imperialistischen Zügen.“⁶ 1974 wurde das Land zur Atommacht und heute gehört Indien zu den führenden neuimperialistischen Ländern.⁷