Rote Fahne 02/25

Rote Fahne 02/25

Konzerne und Banken zur Kasse – Sozialsteuer jetzt!

Immer schwieriger wird es für einen wachsenden Teil der Bevölkerung, mit ihren Einkommen über die Runden zu kommen. Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband sind nicht nur 14,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland arm, wie von der offiziellen Statistik gemeldet. Sondern 21,2 Prozent, jeder fünfte Mensch in Deutschland. Und das in einem der reichsten Länder der Welt! Zum Jahresanfang nimmt nicht nur die Steuerbelastung weiter zu – unter anderem durch höhere CO2-Preise –, es steigen erneut auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Trotzdem müssen die Werktätigen bei Medikamenten und Behandlungskosten immer mehr zuzahlen. Für einen Pfegeheimplatz sind horrende Summen zu bezahlen, die sich kaum jemand leisten kann. Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre lag das Rentenniveau bei rund 70 Prozent des letzten Nettolohns der Arbeiter und Angestellten. Heute liegt das Niveau bei 48 Prozent – Tendenz weiter fallend. Warum sind die Sozialversicherungen angeblich am Limit, wenn doch ihr Beitragsaufkommen unaufhörlich steigt und die Leistungen an die Versicherten immer weiter sinken?

Von ba/ms
Konzerne und Banken zur Kasse – Sozialsteuer jetzt!
Vor 15 Jahren protestierten diese Kollegen: ihre Losung ist brandaktuell (1. Mai Krefeld)

Die FDP behauptet in ihrem Wahlprogramm: „Durch den demografischen Wandel kommen die sozialen Sicherungssysteme unter Druck.“ (S. 20) Sicherlich sinken die Geburtenraten in der Tendenz. Und es sterben mehr Menschen, als neu geboren werden. Aber: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt seit 20 Jahren fast kontinuierlich an - um 31 Prozent seit 2004. Vor allem, weil sich die Zahl der nichtdeutschen Beschäftigten in dieser Zeit glatt verdreifacht hat.¹ Ohne Geflüchtete und Migranten stünden die heutigen Sozialversicherungssysteme vor dem Kollaps – das sei nur mal an die Adresse der faschistischen AfD gesagt. Entsprechend ist das gesamte Beitragsaufkommen von Versicherten und Betrieben allein in den letzten zehn Jahren von 330 Milliarden Euro 2014 auf 490 Milliarden 2023 gewachsen, also um rund 50 Prozent.² Alle Sozialversicherungen zusammen erzielten in dieser Zeit 37,6 Milliarden Euro mehr Einnahmen als Ausgaben.³ Und das trotz ihrer Belastung mit immer mehr „versicherungsfremden“ Ausgaben wie für die beitragsfreie Familienversicherung oder das Mutterschaftsgeld. Alle diese Leistungen betragen rund 230 Milliarden Euro jährlich. Aber nur rund 70 Milliarden Euro werden durch Bundeszuschüsse aufgefangen. Ein Raubzug des bürgerlichen Staats auf unsere hart erarbeiteten Gelder!

Kostenexplosion durch Konzernprofite

Das zeigt, der „demografische Wandel“ als angebliche Ursache der Finanzierungsprobleme der Sozialkassen ist eine Nebelkerze. Damit soll die Schuld der Masse der Bevölkerung in die Schuhe geschoben werden, die nicht genügend Nachwuchs erzeugt. Das schürt zugleich die Konkurrenz zwischen Jüngeren und Rentnern, zwischen Gesunden und Kränkeren, zwischen Einheimischen und Migranten.

 

Tatsächlich übersteigen vor allem in der Kranken- und Pflegeversicherung die Ausgaben die jährlichen Einnahmen –in der Krankenversicherung 2024 um 38,58 Milliarden Euro.⁴ Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen haben in den letzten zehn Jahren um 53 Prozent⁵ und die der Pflegekassen sogar um 133 Prozent⁶ zugenommen. Das liegt mitnichten an zu wenigen Beitragszahlenden. Der hauptsächliche Grund ist, dass Arzneimittel, Krankenhausversorgung und Altenpflege zur Quelle steigender Maximalprofite der Pharma-, Klinik- und Pflegeheimkonzerne geworden sind. Ein großer Teil der gewachsenen Arbeitsproduktivität (siehe Randleiste) fließt über die Monopolpreise in die Taschen von Monopolen wie Pfizer, Merck, Novartis, Asklepios, Fresenius, Korian, Alloheim oder Kursana. Kaum eine Branche ist so profitabel wie die Pharmaindustrie. Der  Hersteller Vertex verlangt zum Beispiel für ein innovatives Medikament 259 000 Euro pro Jahr und Behandeltem. Nach Verhandlungen wurde das schon mal auf 207 000 Euro gesenkt. Die Umsatzrendite - also die Gewinnmarge nach Abzug aller Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion – von Vertex lag zuletzt bei 36 Prozent. Fünfmal so viel wie beim Volkswagen-Konzern.

Grundsatzfrage: Kapitalisten müssen Sozialversicherungsbeiträge zahlen

Die SPD verspricht vor den Wahlen wieder hoch und heilig, dass sie das Rentenniveau ohne Erhöhung des Renteneintrittsalters „stabil halten“ will. Das soll unter anderem mit der Anlage von Steuergeldern als „Generationenkapital“ geschehen. Damit wird die Rente den Schwankungen der kapitalistischen Spekulation unterworfen und zur zusätzlichen Profitquelle von Banken und Aktiengesellschaften. Wenn bei einem Börsencrash das Geld futsch ist – heißt es dann verschärfte Altersarmut?

 

Die ganze Art der heutigen Finanzierung des Sozialversicherungssystems ist grundfalsch. Angeblich werden die Sozialversicherungsbeiträge „paritätisch“ von den arbeitenden Menschen und den Kapitalisten getragen. Die MLPD ist der Ansicht, dass die Sozialversicherungsbeiträge Lohnkosten sind. Es geht dabei um Lohnersatzkosten, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht (mehr) arbeiten können. Sei es, weil sie krank sind, ist oder behindert. Auch dann muss der arbeitende Mensch weiter existieren.

 

Diese Lohnersatzkosten gehören zum Lohn. Und deswegen müssen die Sozialversicherungsbeiträge die Kapitalisten bezahlen, und nicht die Arbeiter und Angestellten. Es ist ein Unding, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter auch noch ihre eigenen Löhne bezahlen! Eine Sozialsteuer von acht Prozent auf den Umsatz der Kapitalisten könnte die gegenwärtigen Ausgaben der Sozialversicherungen problemlos decken. Dabei würden auch kleine und mittlere Betriebe entlastet (siehe S. 23). Die Forderung geht voll zu Lasten der Großkonzerne, die immer mehr Arbeitsplätze vernichten.

 

Diese offensive Forderung entspricht genau dem, was die Arbeiterbewegung jetzt braucht, um zur Offensive gegen die reaktionäre Wende der Monopole überzugehen. Deshalb wird sie im Bundestagswahlkampf auch vieltausendfach auf den Wahlplakaten der Internationalistischen Liste/MLPD verbreitet. Beim Kampf um ihre Durchsetzung können die Industriearbeiter und -arbeiterinnen auf vielfältige Erfahrungen in der Geschichte der Arbeiterbewegung zurückgreifen. Es waren die Metallarbeiter in Schleswig-Holstein, die 1956 in einem 114-tägigen Streik die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durchsetzten. Als der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sie 1996 aufweichen wollte, legten 30.000 Daimler-Arbeiter selbständig die Arbeit nieder. Der Kampf dagegen weitete sich bundesweit aus. Er trug mit zum Ende der Kohl-Regierung bei. Und heute fordern immer mehr Monopole wie die Allianz wieder Karenztage im Krankheitsfall. Im Gespräch sind ein bis drei Tage der Krankschreibung, in denen die arbeitenden Menschen keinen Cent erhalten! Das zeigt, wohin die Reise geht, folgt man den internationalen Monopolen. Die Monopole fordern Erhöhung des Rentenalters oder harte Einschnitte bei den Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung. Die Massen stehen vor einem drastischen Abbau sozialer Errungenschaften, wenn es nicht gelingt, die Pläne der Monopole durch aktiven Widerstand zu Fall zu bringen.

Echter Sozialismus – Lösung der sozialen Probleme

Die tiefere Ursache der Krise der Sozialversicherungen ist der Kapitalismus selbst: Die private Aneignung der gesellschaftlich geschaffenen Werte durch die Monopole. Im echten Sozialismus kommen dagegen die gesellschaftlich produzierten Werte der ganzen Gesellschaft zugute.

 

Im Programm der MLPD heißt es dazu: „Das sozialistische Verteilungsprinzip verlangt, dass jeder nach seinen Fähigkeiten an der gesellschaftlichen Produktion teilnimmt, und garantiert, dass er entsprechend seiner Leistung in die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums einbezogen wird und die Gemeinschaft darüber hinaus für Alte, Kranke und Behinderte sorgt.“