Rote Fahne 02/25
Eklatante Missstände in der Betreuung von Pflegebedürftigen
Eine Korrespondentin aus Berlin berichtet von ihren Erfahrungen als Betreuungskraft in der Pflege:
Seit 2015 gibt es neben der körperlichen Pflege die Betreuung. Menschen mit einem anerkannten Pflegegrad haben das Anrecht „auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen durch qualifizierte Betreuungskräfte“. Die Betonung für diese Betreuung liegt auf zusätzlich, als wäre die Betreuung und Begleitung von Menschen ein Luxus.
2019 hatte ich einen schweren Motorradunfall, daraufhin musste ich mich beruflich neu orientieren. Eine Berufsausbildung lehnte der Rententräger bei mir ab. Im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation bei der BFW Berlin (Berufsförderungswerk) kam ich in ein Projekt, wo durch Praktika eine Rückführung ins Erwerbsleben stattfinden soll. Aufgrund meiner Erfahrungen in jahrzehntelanger ehrenamtlicher Sozialarbeit wurde mir nahegelegt, zukünftig als Betreuungskraft zu arbeiten.
Ausbildung widerspricht den Anforderungen
In den Praktika habe ich eklatante Unterschiede und Missstände in der Betreuungsarbeit sowie im Pflegesystem miterlebt. Dabei ist die Betreuungsarbeit in der Pflege zwingend notwendig und sehr vielfältig. Das fängt beim Gedächtnistraining an, geht über Seelsorge, Trost und Begleitung, bis zum kognitiven Training sowie zur Erhaltung und Förderung von noch vorhandenen körperlichen wie geistigen Ressourcen.
Die Betreuungsarbeit bedarf einer Fachausbildung mit psychologischen Grundkenntnissen. Stattdessen findet nur eine sechsmonatige Qualifizierung statt, die viel zu kurz und oberflächlich ist.
Es braucht höhere Löhne und mehr Personal
Da Betreuungskräfte keine Fachkräfte sind, werden sie entsprechend entlohnt. In Berlin zwischen 13,50 und 15,50 Euro brutto je Stunde, weniger als Pflegehelfer. Nach meinen Recherchen in Westdeutschland zwischen 19 und 20 Euro je Stunde.
Dazu kommen Wochenend- und Feiertagsarbeit sowie Schichtdienst. Meist Früh- und Zwischendienst. Letzteres von 11 Uhr bis 18 Uhr, da bleibt kaum Zeit für die Erholung oder die Familie. Ein Ex-Kollege dazu: „Ich kann mir diese Arbeit nur leisten, da meine Frau sehr gut verdient.“ Sehr oft werden Betreuungskräften nur Arbeitsverträge in Teilzeit von 30 Stunden und befristete Stellen angeboten. Als Praktikantin musste ich 40 Stunden je Woche arbeiten.´
Die Entlohnung von Betreuungskräften muss den Pflegenden angepasst werden und der Betreuungsschlüssel den realen Bedürfnissen. Demente, Behinderte und Suchtkranke benötigen eine spezialisierte Qualifikation, haben einen viel höheren Betreuungsbedarf.