Rote Fahne 25/2024
Sudan und Kongo – Hotspots der tiefen Krise des Neokolonialismus in Afrika
Interview mit Roger Kalala vom „Kongress der Fortschrittskräfte für Befreiung“ (CPL) Kongo:
Rote Fahne: Du bezeichnest den Sudan und den Kongo als die derzeitigen Hotspots in Afrika. Warum?
Roger Kalala: Diese Länder sind der Brennpunkt in Afrika, was die zunehmende Gewalt und vor allem das Leiden der Bevölkerung betrifft, die in Notlagern zusammengepfercht ist.
Dabei darf man nicht die Schrecken der Kriege vergessen, die es überall auf dem Kontinent gibt, insbesondere in der Sahelzone und am Horn von Afrika. Sie spiegeln die widersprüchlichen Ergebnisse der Unabhängigkeit wieder, die die meisten afrikanischen Länder in den 1960er-Jahren erlangten. Auf den starken Druck der Befreiungsbewegungen hin, die damals von der Sowjetunion unterstützt wurden, hatten die westlichen Staaten, also die ehemaligen Kolonialmächte, der Forderung nach Unabhängigkeit nachgegeben. Unmittelbar danach passten sie jedoch ihre Herrschaftsmethoden an die neue Situation an.
Die meisten ehemals kolonialisierten Länder hatten ihre nationale Souveränität zwar rechtlich erlangt. Die größte Veränderung bestand aber in der politischen Führung des jeweiligen Staatsapparats. In der Kolonialzeit war jeder imperialistische Staat der alleinige Herrscher über das beherrschte Land. In der jetzigen Periode der Neokolonialisierung jedoch agieren die imperialistischen Staaten gemeinsam geschlossen gegenüber allen Staaten in ihrem Einflussbereich. Sie verwenden neue Methoden der subtilen Ausbeutung und Unterdrückung, die sie als Instrumente der Zusammenarbeit und Regulierung hinstellen: Organisationen wie der IWF¹, die Weltbank, die Organisationen und Netzwerke der Vereinten Nationen, die sogenannten humanitären NGOs und andere Unternehmen, die sich ihrer universellen Kompetenz rühmen.
Dieses neue Herrschaftsmodell führte dazu, dass die Apparate der neu unabhängigen Länder nicht mehr funktionierten und schließlich eine permanente Strukturkrise entstand. Verschärft dadurch, dass die Mehrheit der sogenannten Eliten in diesen Ländern nicht in der Lage war, sich unabhängig zu konstituieren. Sie waren Versuchskaninchen in einem Labor internationaler „Experten“.
Die tiefe Krise des Neokolonialismus zeigt, dass der Imperialismus nichts anderes produzieren kann als Chaos, Plünderung und Elend. Das betrifft besonders auch den Sudan und den Kongo.
Was sind die Folgen für die Bevölkerung?
Mehr als dramatisch: Die Länder verlieren durch die bewaffneten Konflikte nach und nach ihre Souveränität über bestimmte Wirtschaftssektoren und werden abhängiger denn je. Der Zerfall des Staates bewirkt auch eine tiefgreifende Desorganisation der Gesellschaft. Dadurch haben die Massen keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Unter anderem schafft das ein dauerhaftes Vakuum für die Ausbildung der Jugend. Das erschwert es für mehrere Generationen, sich auf mögliche gesellschaftliche und ökologische Umwälzungen in der Zukunft vorzubereiten.
Die Konflikte im Sudan und im Kongo werden auch „vergessene Konflikte“ genannt, verglichen mit der Ukraine und dem Nahen Osten: Aufgrund der Nachrichtensperre durch die großen Medien scheinen sich die Menschen im Westen wenig dafür zu interessieren. Eine Art Doppelbestrafung: Die Bevölkerung kann vernichtet werden, ohne dass Kameras drauf schauen, und es wird ihr die Solidarität vorenthalten, auf die alle Menschen in Notsituationen normalerweise zählen können. In Wirklichkeit handelt es sich um eine gewollte Entmenschlichung der Menschen in Afrika.
Derzeit sind die Kämpfe im Sudan äußerst gewalttätig: In den Städten werden Kampfflugzeuge eingesetzt. Und wer aufs Land flieht, wird seinem traurigen Schicksal überlassen. Die Vereinten Nationen warnen, dass eine Million Menschen am Rande einer schweren Hungersnot stehen.
Im Ost-Kongo ist die Landwirtschaft in den Konfliktgebieten blockiert. Die bewaffneten Gruppen üben Terror aus: Männer werden massakriert, Frauen und Mädchen ständig vergewaltigt. So können sie ihre Felder nicht mehr bestellen. Je länger das anhält, desto mehr verlieren die neuen Generationen auch das Know-how, um eine gesunde Landwirtschaft zu betreiben.
Was fordert der CPL dazu?
Angesichts des unmenschlichen Leids zuerst einmal die Beendigung dieser bewaffneten Konflikte und die Verurteilung der Anstifter, insbesondere der multinationalen Konzerne und ihrer Subunternehmer wie Ruanda.
Ein wesentlicher Schritt in der nationalen und demokratischen Revolution ist der Aufbau eines modernen, nach außen souveränen demokratischen Staates, der die Produktion von Gütern und Dienstleistungen für ein menschenwürdiges Lebensumfeld ermöglicht. Das braucht die Vernetzung von Arbeitergewerkschaften, Jugendbewegung und anderen.
Und den Aufbau einer lebensfähigen marxistisch-leninistischen Partei, um die nationale und demokratische Revolution unter dem Banner der Arbeiterklasse in eine sozialistische Revolution für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft auszuweiten.
Vielen Dank für das Interview!