Rote Fahne 24/2024
„Notruf aus den Alpen“ – und das ist nur der Anfang
Schon 2016 musste das Hochwildehaus (Ötztaler Alpen, 2885 Meter Höhe) wegen irreparabler Schäden für immer geschlossen werden. Der Permafrost im Gestein unter seinem Fundament war aufgetaut, auch eine Stützkonstruktion hatte das Haus nicht retten können.
2021 zerstörten Steinlawinen die Oberbergstraße zwischen Neustift und der beliebten Franz-Senn-Hütte in den Stubaier Alpen. Zwar war die Versorgung der Hütte mit Lebensmitteln durch eine Materialseilbahn gesichert, aber die Gäste mussten mit einem Hubschrauber ausgeflogen werden. Wegen weiterer Unwetter und Steinschlaggefahr ist diese Straße aktuell gesperrt und wird neu ausgebaut.
Im Juli 2022 löste sich ein riesiger Eisblock vom Gletscher der Marmolata in Südtirol. Eis- und Gesteinsmassen stürzten mehrere Hundert Meter auf die Normalroute für Skihochtouren und rissen elf Bergsteiger in den Tod, darunter ein erfahrener Bergführer. Das Fehlen einer isolierenden Schneedecke, die hohen Temperaturen der vorherigen Tage (10 Grad Celsius auf 3343 Metern Höhe) und Schmelzwasser unter dem Gletscher werden als Ursache angesehen.
Im Juli 2023 und im Juni 2024 zerstörten Gewitterstürme und ein Orkan große Waldflächen an den Hängen Tirols, auch im schönen Vorderen Zillertal. Die EU, der österreichische Staat und das Land Tirol stellen 28 Millionen Euro für die Schadensbehebung im Jahr 2024 bereit und es sind sechs Millionen Forstpflanzen erforderlich.¹
Notruf der Österreichischen Alpenvereine
Unter dem Titel „Notruf aus den Alpen: Gemeinsam Hütten und Wege retten“² hat der Verband der Österreichischen Alpenvereine (VAVÖ) dieses Jahr einen Aufruf zu Schutzmaßnahmen für Wanderwege und die traditionelle Hüttenkultur gestartet. Er fordert 95 Millionen Euro vom österreichischen Staat. Der Deutsche Alpenverein, der ebenfalls mehrere Hundert Hütten in Österreich hat, schloss sich dem Aufruf an und es wurden bisher etwa 95 000 Unterschriften unter die online-petition gesammelt.
Dieser „Notruf“ des VAVÖ ist auf jeden Fall gerechtfertigt und einer der ersten Schritte, um in der Klimakatastrophe den Zugang in das Naturparadies der Alpen zu erhalten und die direkte Gefahr für Menschen einzudämmen. 50 Prozent der Urlauber in Österreich geben an, dass sie zum Wandern kommen. Das bedeutet, dass der Erhalt der Hütten und des Wegenetzes ein bedeutender Beitrag zum Breitensport ist und zugleich für den Natur- und Artenschutz und und die Erhaltung der Almwirtschaft sensibilisiert.
Durch die Extremwetterereignisse der Klimakatastrophe brauchen die Alpenvereine mehr finanzielle Unterstützung im Wegebau und bei der Renovierung der Hütten, was bisher überwiegend ehrenamtlich erbracht und selbst finanziert wurde. So kostet ein Ersatzbau circa drei Millionen Euro und es gibt vielfach Probleme durch Wassermangel und bei der Wasseeraufbereitung.
Strategische Sicht ist notwendig
Strategische Fragen packt der „Notruf aus den Alpen“ allerdings nicht an. Der VAVÖ sieht sich als Betroffener der Klimakatastrophe, nicht genug als Kämpfer dagegen. Nach einer Studie aus Pittsburg würden bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von 4 Grad 83 Prozent aller Gletscher weltweit bis 2100 verschwinden.³ Bei den Alpen ist das schon in 50 Jahren möglich. Die Alpen sind der größte Süßwasserspeicher in Europa. Mit dem Verschwinden von Gletschern und Schnee kommt es zur Wasserverknappung auch in den umliegenden Ländern. Dem können wir nicht tatenlos zusehen!
Dabei könnte die Alpenregion durchaus auch zur Verminderung des CO2 in der Luft beitragen. Fichtenwälder an Nordhängen der Alpen in einer Höhe von über 1000 Metern sind von den dramatisch heißen Sommern der letzten drei Jahre nicht beschädigt. Da Fichten schnell wachsen, könnten in dieser Lage also beschleunigt Fichtenmischwälder aufgeforstet werden. Die Frage auch hier, wer pflanzt, wer bezahlt die Setzlinge, auf wessen Grund. Es ist eine Holzproduktion, die im kapitalistischen Sinn „unwirtschaftlich“, aber dringend notwendig ist.
Im Buch „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“ gibt es eine Fülle von Hinweisen, was heute schon zum Erhalt der Natur getan werden muss: Übernahme aller Kosten durch Monopole und Staat, Kampf für eine Umweltsteuer, Förderung eines umweltverträglichen Tourismus, Ersatzarbeitsplätze im Umweltbereich, Paradigmenwechsel in der Forstpolitik mit oberster Priorität des Waldes als ökologisches System, Stärkung des Breitensports, Einführung eines ökologischen Jahrs für Schulabgänger, Forschungsschwerpunkte zur Verlangsamung des Auftauens der Permafrostböden und zur Nachhaltigkeit von Aufforstungsprogrammen usw.⁴
In ihrer Gesamtheit können die Forderungen aus dem Buch nur in einer sozialistischen Gesellschaft verwirklicht werden, das heißt, notwendig ist „eine vollständige Umwälzung unsrer bisherigen Produktionsweise und mit ihr unsrer jetzigen gesellschaftlichen Ordnung.“⁵