Rote Fahne 24/2024
Elektroauto – Sündenbock auf vier Rädern
Wo ich arbeite, erblickt alle 80 Sekunden ein neues E-Auto das Licht der Welt. Doch ein Teil der Kollegen treibt eine irrationale Wut auf das E-Auto. Berechtigte Kritik und völliger Unsinn – alles mischt sich. Ich möchte meine Erfahrungen zur Diskussion stellen.
Nicht zu Ende durchdacht?
Meine Kollegen kennen alle Schwächen der E-Autos. Reichweite, Ladeinfrastruktur, Preis, Rohstoffverbrauch. Das Fazit lautet oft: „Das ist doch nicht zu Ende durchdacht.“ Mein Tipp: Nicht auf diese Diskussion einlassen, ohne klarzumachen: Die Mutter von „Nicht zu Ende durchdacht“ ist die Verbrennung fossiler Rohstoffe!
Über Jahrmillionen entstanden aus abgestorbenen Wäldern unter großem Druck Erdöl, Erdgas und Kohle. Mit riesigem Aufwand hohlen wir diesen Kohlenstoff an die Oberfläche. Bei der Verbrennung setzen wir gigantische Mengen CO2 frei, die die Atmosphäre erwärmen. Diese nimmt mehr Wasser auf, was zum Beispiel der wesentliche Grund dafür ist, dass sich furchtbare Unwetterkatastrophen häufen und heftiger werden. Das E-Auto ist ein Fortschritt, trotz aller Schwächen. Wer „Zurück zum Verbrenner“ fordert, hat den Schuss nicht gehört!
Nicht ausgereift?
Nach über hundert Jahren Tüfteln kommt man mit acht Litern Benzin etwa 150 Kilometer weit. Der VW ID.4 fährt über 600 Kilometer mit einem Akku von 77 Kilowattstunden. Aber fast niemand hantiert routiniert mit Kilowattstunden. Man muss den Leuten sagen, dass das etwa acht Litern Benzin entspricht. Selbst moderne Verbrenner verschwenden nunmal 80 Prozent der Energie. Wir merken das nicht, weil uns nicht klar ist, was für ein Energiepaket Benzin eigentlich ist und weil wir große Tanks haben. Batteriebetriebeme Elektromotoren sind schon jetzt der mit Abstand energieeffizienteste Antrieb. Und die Batterien werden relativ schnell besser.
Grüne Mogelpackung?
Unweigerlich kommt die Diskussion, dass die Umweltbilanz eines E-Autos unter dem Strich schlechter sei. Das ist schlicht falsch! Die Behauptung geht fast immer auf die sogenannte „Schweden-Studie“ von 2017 zurück. Oder besser gesagt auf eine Rechnung, die der Journalist Johan Kristensson damit anstellte. Er nahm einen kleinen Vorserienakku. Was bei seiner Herstellung pro Kilowattstunde Akku an CO2 ausgestoßen wurde, rechnete er auf eine große Tesla-Batterie hoch. Fertig war das Märchen der schlechten CO2-Bilanz. Nach dieser Logik kann man auch von einem klapprigen Rasenmäher auf den Benzinverbrauch moderner Pkw schließen. Besonders die AfD geilt sich bis heute an der falschen Rechnung auf.
Alle ernsthaften Studien belegen dagegen: Elektroautos haben nach 20 000 bis 50 000 Kilometern die bessere C02-Bilanz – selbst im Vergleich mit Hybrid-Autos. Und der Unterschied wird laufend größer.
Aber natürlich wird das E-Auto nicht die Umwelt retten. Beispielweise vergiftet ein Zulieferer von BMW in Bou Azzer in Marokko Arbeiter und Umwelt mit Unmengen von Arsen bei der Herstellung von Kobalt für Autobatterien. Aber das liegt nicht an der Batterie, zumal längst auch an anderen Techniken wie Redox Flow, Natrium-Nickelchlorid und Natrium-Ionen geforscht wird. Die Kapitalisten gehen für ihren Profit einfach über Leichen, egal mit welcher Technik!
Rechte Kampagnen erkennen lernen
Die Stimmung unter den Kollegen ist nicht vom Himmel gefallen. Massive rechte Kampagnen haben sie erzeugt. Man muss ihnen helfen, das zu erkennen. Denn manipulieren lässt sich niemand gerne.
Zum Beispiel ist es Professor Thomas Koch, der immer wieder neue „Argumente“ gegen E-Autos verbreitet. Er behauptet, ohne E-Autos könnte man schneller aus Kohlestrom aussteigen. Deshalb müsse bei E-Autos so gerechnet werden, als würden sie nur mit Kohlestrom geladen. Dass bei Förderung, Raffinieren und Transport für jeden Liter Benzin circa 0,2 bis 0,3 Liter verbraucht werden, hört man von ihm dagegen nicht. Ganz zufällig hat er einen Lehrstuhl für „Kolbenmaschinen“ sprich, Verbrennungsmotoren.
Ähnliche Gründe hat der Axel-Springer-Verlag für seine Dauerkampagne gegen das E-Auto in der Bildzeitung, Welt und so weiter. Der Hauptaktionär KKR ist einer der „größten Investoren im fossilen Bereich“.
Schamlos nutzen die Konzerne die Angst der Kolleginnen und Kollegen um ihren Job aus, lenken von ihrer Verantwortung ab. Das E-Auto wird zum Sündenbock der Nation.
Rettet ein Zurück zum Verbrenner Arbeitsplätze?
Dabei gibt Mercedes Chef Källenius zu, dass es um einen „darwinistischen Kampf“ zwischen den Konzernen um die Beherrschung des Weltmarktes geht. Er will sicherstellen, dass Mercedes „einer der Kämpfer (ist), die übrig bleiben“.¹ Aber das wollen die anderen Konzerne eben auch. Ein E-Auto erfordert etwa 40 Prozent weniger Arbeit, hat viel weniger Teile. Nach kapitalistischer Logik vernichten alle Autokonzerne daher massenhaft Arbeitsplätze und konkurrieren auch noch darum, wer am meisten aus uns herauspresst.
Aber der Volkszorn soll sich auf das E-Auto beziehen! Das hätten sie wohl gerne. Wenn dich jemand bedroht, bist du doch auch nicht auf sein Messer sauer, oder? Wir Arbeiter müssen gegen dieses verkommene System kämpfen, nicht gegen sinnvolle neue Technik!
Ein Zurück zum Verbrenner wird keinen Arbeitsplatz retten. Aber eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde Arbeitsplätze sichern. Solche Forderungen braucht es. Sie haben Zukunft. Der Verbrenner nicht. Vor allem braucht es einen massiven Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Ergänzend dazu sind E-Autos für denn zwingend nötigen Individualverkehr sinnvoll.