Rote Fahne 23/2024

Rote Fahne 23/2024

Hier wird der Bock zum Gärtner ... Weltklimakonferenz im Paradies der Öl- und Gaskonzerne: „Keine heiße Luft mehr ... bitte!“

Mit diesem Appell als Titel ihres aktuellen Reports versucht die Leiterin des UN-Umweltprogramms, Inger Andersen, Erwartungen in die bevorstehende 29. Weltklimakonferenz (COP 29) in Baku zu wecken. Die 28 vorhergehenden Konferenzen haben tatsächlich vor allem eines produziert: Unmengen an „heißer Luft“! Denn gleichzeitig stiegen die klimaschädlichen CO2-Emissionen 2023 auf ein historisches Rekordhoch von 57,1 Milliarden Tonnen. Der atmosphärische CO2-Gehalt nahm deutlich von 418,51 ppm¹ im September 2023 auf 422,03 ppm im September dieses Jahres zu. Regionale Umweltkatastrophen gibt es in immer kürzerer Folge mit immer dramatischeren Auswirkungen. So wie die verheerenden Überschwemmungen in Südspanien mit mindestens 200 Toten. Sie machen deutlich: Eine globale Umweltkatastrophe hat begonnen. Angesichts dessen ist es fast schon eine Provokation, dass die UN-Klimakonferenz vom 11. bis 24. November ausgerechnet im Erdölstaat Aserbeidschan stattfinden wird. Schon die letzte tagte in Dubai, einem anderen Eldorado der Öl- und Gaskonzerne.

Von dr / ms
Hier wird der Bock zum Gärtner ... Weltklimakonferenz im Paradies der Öl- und Gaskonzerne: „Keine heiße Luft mehr ... bitte!“
Peinliches Greenwashing – auch wieder bei der COP29 (Karikatur: Harm Bengen)

Dennoch wird verbreitet, dass man mit der Klimakonferenz noch die Kurve kriegen könnte. So hat die Konferenz in der aserbeidschanischen Hauptstadt Baku das Motto „In Solidarity for a green World“ (In Solidarität für eine grüne Welt). Doch das von der Pariser Klimakonferenz 2015 beschlossene Ziel der Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad ist laut EU-Klimadienst Copernicus längst gerissen. Schon jetzt kommt es zu verheerenden Dürren, Bränden, extremen Stürmen und Überflutungen. Entsprechend dem Bericht des UN-Umweltprogramms müssten die Regierungen ihre Anstrengungen zur Treibhausgas-Reduzierung rasant hochfahren


Auf den Appell der UN zu „raschen Maßnahmen“ werden die internationalen Übermonopole und die mit ihnen verbundenen imperialistischen Staaten wie gewohnt pfeifen. Gleich einem drogensüchtigen Junkie treibt sie die Sucht nach Maximalprofit und geloben sie ständig Besserung, ohne dass es Folgen hat.

Erdöl- und Erdgasgeschäfte winken

Tatsächlich verkommt die Weltklimakonferenz immer mehr zu einem Ort, an dem munter neue Öl- und Gasverträge ausgehandelt werden, die Atomkraft wieder salonfähig gemacht wird. In der verschärften Weltwirtschafts- und Finanzkrise nimmt die Umweltzerstörung zu, statt eingedämmt zu werden. Nach Sultan Al Jaber vom staatlichen Ölkonzern Adnoc in Dubai ist nun Muchtar Babajew Präsident der Konferenz. Der amtierende Umweltminister arbeitete 26 Jahre für den staatlichen aserbeidschanischen Ölkonzern Socar.


Es ist das internationale Finanzkapital, das typischerweise solche Tagungsorte auswählt. Immer direkter diktieren die Spitzenmonopole die UN-Klimakonferenzen. Im Verein mit den nach rechts gerückten imperialistischen Regierungen verschärfen sie mutwillig die begonnene globale Umweltkatastrophe.

Einwand 1: „Sind die Warnungen nicht übertrieben?“

Pseudowissenschaftlich behauptet die AfD: „Die Aussagen des Weltklimarats, dass Klimaveränderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind wissenschaftlich nicht gesichert. Sie basieren allein auf Rechenmodellen, die weder das vergangene noch das aktuelle Klima korrekt beschreiben.“² Der Zusammenhang zwischen der massiven Verbrennung fossiler Energieträger und einer bisher in der Erdgeschichte nicht gekannten beschleunigten Erd­erwärmung ist jedoch eindeutig. Die immer neuen Temperatur­rekorde haben nichts mit „Rechen­modellen“ zu tun, sondern sind gemessene Tatsachen. Auch die zunehmende Zahl und Heftigkeit von Extremwettereignissen ist statistisch nachgewiesen. Ein „Rechenmodell“ war es jedenfalls nicht, das den Bewohnern Süd­spaniens die heftigsten Regenfälle seit Menschengedenken bescherte. Die Leugnung von Tatsachen und ihre Verunglimpfung als Erfindung von „Ökospinnern“ zielt nur darauf ab, die Spitzenmonopole reinzuwaschen. Faschisten spalten, verwirren und sollen die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative verhindern.

Einwand 2: „Haben wir nicht andere Sorgen als das Weltklima?“

Wachsende Armut und Arbeitsplatzvernichtung, Wohnungsnot und die Krise der Gesundheitsversorgung werden von AfD und Co. verlogen gegen die dramatische globale Umweltkatastrophe ausgespielt – als ob es den Feinden des Umweltschutzes auch nur im Geringsten um die Lösung dieser Probleme ginge. Die AfD fordert nicht nur die Rücknahme aller Umweltschutzmaßnahmen der letzten Jahre, sondern stimmte im Bundestag auch gegen die Erhöhung der Mindestlöhne.


Die Ampel-Regierung wälzt die Kosten der viel zu wenigen Umweltschutzmaßnahmen dreist auf die Massen ab. Wir werden mit CO2-Bepreisung abgezockt, vom versprochenen „Klimageld“ gab es keinen einzigen Cent! Die Arbeiter und breiten Massen müssen gegen alle sie bedrohenden Krisen kämpfen: Umweltkatastrophe, Weltkriegsgefahr, Faschismus und so­ziale Not. Die AfD steht dabei auf der anderen Seite.

Einwand 3: „Es ist ohnehin alles zu spät“

Nein, Aufgeben ist keine Option und wäre im Sinne der Leute, die keinen Widerstand wollen. Die Massen der Welt wollen nicht in der globalen Umweltkatastrophe untergehen! Gegen den geplanten umweltzerstörerischen Lithiumabbau im Jadar-Tal in Serbien protestieren Zehntausende Umweltschützer mit Demonstrationen, Straßen- und Autobahnbesetzungen in bis zu 50 Städten.


Das Bedürfnis nach einer Strategiedebatte wächst. Kräfte aus der Arbeiter- und Umweltbewegung führten im April dieses Jahres erfolgreich eine Umweltstrategiekonferenz in Potsdam mit 600 Teilnehmern durch. Gegen eine noch breitere Teilnahme richteten sich damals aus Kreisen der Grünen gesponnene antikommunistische Intrigen. Dass die Umweltbewegung damit fertig wird, ist spielentscheidend für einen gesellschaftsverändernden Umweltkampf.


Insgesamt sind hierzulande das Umweltbewusstsein und die Umweltkämpfe unter dem Eindruck einer reaktionären bis faschistischen Stimmungsmache derzeit überlagert und teilweise zurückgegangen. Gingen am 20. September 2019 zum „Weltklimastreiktag“ der Jugendumweltbewegung „Fridays for Future“ (FFF) in Deutschland noch 1,4 Millionen Menschen in 575 Städten auf die Straße, waren es am 20. September 2024 nur noch 75 000 in über 100 Städten. Gleichzeitig nimmt unter ihnen die Kapitalismuskritik und die Suche nach einer grundlegenden gesellschaftlichen Perspektive zu. Der Vorstand der Grünen Jugend verließ die Grünen ausdrücklich mit der Kritik an ihrer systemerhaltenden Politik. Dies bereitet den Boden für einen neuen Aufschwung des gesellschaftsverändernden Umweltkampfs.

Umweltbewusstsein stärken

Die MLPD wird am bevorstehenden Umweltkampftag, dem 16. November, eine intensive Überzeugungsarbeit gegen die reaktionäre Umweltdemagogie von Regierung bis AfD leisten und für die Lösung der Umweltfrage im echten Sozialismus werben. Insbesondere mit einer Verkaufsoffensive des am meisten unterdrückten und totgeschwiegenen Buchs „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen – Kata­strophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“. Sie fördert zugleich den Aufbau möglichst breiter örtlicher oder regionaler Bündnisse auf der Grundlage des Kampfes und beteiligt sich aktiv daran. Die MLPD-Umweltgruppe Duisburg berichtet: „Wir wollen alles dafür tun, um viele Stahlarbeiter für die Kundgebung und Demonstration zu gewinnen. Diese findet auch in der Nähe der Werksanlagen von Thyssenkrupp Steel statt.“ (Mehr auf den Seiten 22–25) Für eine internatio­nale Widerstandsfront ist der weltweite Zusammenschluss der Arbeiter- und Umweltbewegung mit allen antifaschistischen, antiimperialistischen und revolutionären Kräften nötig. Deren Aufbau dient auch der für 2026 geplante internationale umweltpolitische Ratschlag.