Rote Fahne 21/2024

Rote Fahne 21/2024

Israel legt die Lunte zum Flächenbrand im Nahen Osten

Was seit dem 7. Oktober 2023 Millionen Menschen weltweit befürchteten, ist inzwischen bittere Rea­li­tät geworden. Der imperialistisch- zionistische Staat Israel hat – unterstützt vor allem vom weltweiten Hauptkriegstreiber USA ...

Von Internationalismusabteilung des ZK
Israel legt die Lunte zum Flächenbrand im Nahen Osten
Essen: Regionale Montagsdemo für Frieden und Freiheit fuer Gaza und Libanon – die gegen Polizei­repression durchgekämpften Plakate im Triumphzug – siehe dazu auch Rote Fahne News

... – seinen Vernichtungsfeldzug gegen das palästinensische Volk in Gaza auf den Libanon ausgeweitet. ­Israel spielt sich auf, als sei es das von der ganzen (arabischen) Welt bedrohte gal­lische Dorf! Dabei führt es inzwischen einen barbarischen Angriffskrieg gegen gleich mehrere Länder. Zehntausende Menschenleben werden ge­opfert, Millionen zur Flucht gezwungen und ganze Landstriche nachhaltig zerstört.


Skrupellos gehen die Angriffe in Gaza weiter, werden verstärkt Luftangriffe auf das palästinensische Westjordanland, den gesamten Libanon und Syriens Hauptstadt Damaskus geflogen. Gemeinsam mit den USA, die in den letzten Tagen erneut Ziele im Jemen angegriffen haben, droht Israel mit Angriffen auf den Iran – was den gesamten Nahen Osten in einen Flächenbrand versetzen würde. Doch die Rechnung haben sie ohne die Massen gemacht. Weltweit nehmen die Solidaritätsaktivitäten mit dem palästinensischen Befreiungskampf wieder zu.


Mit gemischten Gefühlen aus Wut und Trauer, Empörung und tief empfundener Solidarität gegenüber der Bevölkerung in Palästina und dem Libanon verfolgen Millionen Menschen weltweit die Verschärfung des brutalen Angriffskriegs Israels. Für viele ist es kaum vorstellbar, wo die zu Hunderttausenden in die Flucht Getriebenen hin sollen, wenn die von Israel ausgewiesenen Fluchtkorridore immer wieder bombardiert werden.

 


Nach Angaben der UNO sind bereits eine Million Binnenflüchtlinge im Libanon und über 100 000 Menschen über die nördliche Grenze nach Syrien geflohen. Die gleichen Politiker, die in den USA oder Europa ­Syrien zum sicheren Herkunftsland erklären, schaffen durch die Kumpanei mit Israel täglich neue Fluchtgründe. Die Durchsetzung eines sofortigen Rückzugs sämtlicher israelischer Streitkräfte aus Gaza, Westjordanland und Libanon ist das unbedingte Gebot der Stunde!

 

Menschenverachtende Demagogie

 

Mit einer menschenverachtenden Demagogie rechtfertigt die Netanjahu-Regierung die Angriffe als „Anti-Terroreinsatz“. Verlogen bezeichnet Armee-­Admiral Daniel Hagari die Notwendigkeit der Bodenoffensive mit dem Schutz der Zivilbevölkerung und erklärt: „Unsere Priorität liegt darin, das Leben unschuldiger Bürger zu schützen“.1 Eine solche Aussage ist nach Jahrzehnten der Ermordung, Verfolgung und Vertreibung des palästinensischen Volkes durch den israelischen Staat unverfroren und an Zynismus kaum zu überbieten. Offenbar sind die Zivilisten in Gaza für ihn keine „unschuldigen Bürger“, sondern Gegner, die bereits mit einem Terrorismus-Gen geboren werden. Für Admiral Hagari sind alle Bewohner Palästinas, auch wenn sie zu Tausenden jahrzehntelang die israelische Gesellschaft als Arbeitskräfte mit am Laufen gehalten haben, Menschen zweiter Klasse und per se Feinde des jüdischen Staates. Dieses reaktionäre Menschenbild – von der zu schützenden israelischen Bevölkerung und der zu bekämpfenden palästinensisch-arabischen Bevölkerung – ist aggressiv rassistisch.

 

Alles nur zur „Selbstverteidigung“?

 

Bei aller Kumpanei wachsen zugleich die Widersprüche zwischen der israelischen Regierung und ihren Bündnispartnern wie den USA oder Deutschland. Aus eigenen machtpolitischen Interessen, die im Moment nicht an erster Stelle in einem Krieg mit dem Iran liegen, verkündet US-Präsident Joe Biden, dass er israelische Angriffe auf iranische Atomanlagen als unverhältnismäßig ablehne. Für völlig verhältnismäßig hält er dagegen geplante Angriffe auf Ölanlagen oder politische Repräsentanten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte: „Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung. Das beinhaltet auch Schläge auf das Territorium des Gegners, des Angreifers.“ 2 Solche Leute halten im Kampf gegen Befreiungskämpfe, wie den des palästinensischen Volkes jedes noch so brutale Mittel für angebracht! Die Demagogie, Befreiungskämpfe an sich als Terrorismus zu diffamieren, ist dabei ein unverzichtbares Totschlagargument. Die imperialistischen Regierungen wollen mit dieser „Terrorismushetze“ eine Akzeptanz für die Logik der „Selbstverteidigung“ bewirken. In ein anderes Land einzumarschieren, Millionen Menschen zur Flucht zu zwingen, Zehntausende zu ermorden, um dabei einige Dutzend islamistisch-faschistische Kämpfer von Hamas oder Hisbollah zu töten, hat nichts mit Selbstverteidigung zu tun.


Imperialistische Interessen Israels

 

Neben seiner Rolle als Sprungbrett, Stützpunkt und engster Verbündeter der USA verfolgt Israel inzwischen auch eigene imperialistische Pläne eines Großisrael (s. S. 16/17). Der zwischenimperialistische Konkurrenzkampf verschärft das Risiko einer atomaren Auseinandersetzung vor allem zwischen den USA als Hauptkriegstreiber und dem faschistisch-fundamentalistischen Iran. Die Bombardierung von Atomanlagen oder Einsatz von Atomwaffen, egal von welcher Seite, hätte unvorstellbare Auswirkungen, würde regional ganze Gebiete unbewohnbar machen und Millionen Menschen dem sicheren Tod weihen.


Das palästinensische Volk führt dagegen einen gerechten Befreiungskampf gegen jahrzehntelange Entrechtung, brutale Unterdrückung und Vertreibung. In brutalen Racheakten für den Drang nach Freiheit wurden in den letzten Tagen von der israelischen Armee gezielt Repräsentanten palästinensischer Befreiungsorganisationen, wie der PFLP3, ermordet. Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD, schreibt an sie unter anderem: „Mit großer Bestürzung und Trauer haben wir heute von der Ermordung drei eurer Mitglieder und Führer im Viertel Kola in Beirut gehört. (…) Trauer in Kraft verwandeln heißt im Sinne der Ermordeten für uns: Wir werden den entschlossenen Kampf für ein freies Palästina und die Stärkung der säkularen und demokratischen Kräfte noch entschlossener fortsetzen.“4


Die MLPD hat von Beginn an auch ihre Solidarität mit der israelischen Arbeiterklasse zum Ausdruck gebracht. Diese kann nicht mit der faschisti­schen ­Politik der Netanjahu-Regierung und der reaktionären Siedlerbewegung gleichgesetzt werden – ebensowenig wie alle Palästinenser Hamas-Anhänger sind. Die MLPD verurteilt entschieden die Angriffe der islamistisch-­faschistischen Hamas auf Zivilisten in Israel. Sie haben keine Berechtigung und schaden dem notwendigen gemeinsamen Kampf der palästinensisch-arabischen und israelischen Arbeiterklasse.

 

Friedenskampf braucht sozialistische Perspektive

 

Einen mutwillig von fast allen imperialistischen Mächten vorbereiteten Weltkrieg kann auch ein weltweit organisierter Friedenskampf nur zeitweilig stoppen. Er braucht die Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft als Alternative zu Ausbeutung und Unterdrückung, Faschismus, Weltkriegsgefahr und Umweltzerstörung. Die revolutionäre Weltorganisation ICOR hat vom 1. bis 7. Oktober 2024 zu einer Aktionswoche gegen den Angriffskrieg Israels auf die Völker des Nahen Ostens aufgerufen und auf ihrer 5. Weltkonferenz die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf zu einer ihrer Schwerpunktaufgaben gemacht.


In Griechenland protestierten Anwohner unter dem Motto „Kein Treibstoff für Völkermord“. Und in Deutschland verbanden eine Vielzahl von Demon­strationen die Solidarität mit dem Kampf gegen die Faschisierung des Staatsapparates. Nicht zufällig reagieren – vorne dran faschistische – Regierungen auf die Durchdringung der Solidaritätsbewegung mit der Perspektive einer befreiten Gesellschaft. In Italien wurden gezielt Verbote von Palästina-Solidaritätsdemonstrationen für das Wochenende vom 5. bis 7. Oktober ausgesprochen. Auch in Deutschland regiert die Rechtsentwicklung. Das Internationalistische Bündnis Essen protestiert entschieden gegen die in der Anmeldebestätigung zur regionalen Kundgebung am 7. Oktober enthaltene Gleichsetzung von islamistisch-faschistischen Gruppen wie des IS mit fortschrittlichen Gruppen wie der PFLP.


Die Arbeiterklasse und Volksmassen müssen als Teil ihres Kampfs um nationale und soziale Befreiung Hand in Hand mit den säkularen und revolutionären Kräften für die revolutionäre Überwindung des Imperialismus und die sozialistische Perspektive kämpfen.