Rote Fahne 19/2024

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August 1944: Ein Sieg der Résistance

Genossinnen und Genossen der französischen ICOR-Organisation UPML stellten der Roten Fahne den hier veröffentlichten Gastbeitrag über den erfolgreichen antifaschistischen Kampf der Resistance zur Verfügung

Von Genossen der UPML
August 1944: Ein Sieg der Résistance
Siegesparade nach der Befreiung von Paris im August 1944

Bereits während des gesamten Jahres 1944 waren französische Städte und Regionen befreit worden, Korsika bereits Ende 1943. Die Befreiung der Hauptstadt wird der Beweis für einen vollständigen, nahen Sieg, der sein Echo in ganz Europa findet. Die offiziellen Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag dieses grandiosen Erfolgs sind diskussionswürdig.

 

1944 hatte die Résistance, die in ihrem linken und revolutionären Flügel von der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) mit ihren Zehntausenden Mitgliedern angeführt wurde, seit Jahren Überzeugungsarbeit gemacht, Opposition und Zorn genährt und organisiert. Sie zeigte vorbildlich, dass es möglich war, zu kämpfen, gab Parolen und geeignete Kampfanweisungen, um den noch zerplitterten Widerstandswillen zu mobilisieren.

Der bewaffnete Widerstand entwickelte sich ...

… seit dem Beginn der Nazi-Besetzung Frankreichs im Juni 1940. Der Widerstand Einzelner wie des späteren Colonel Fabien, der in der Metro einen deutschen Offizier niederstreckte, wird nach und nach kollektiver: Es bildeten sich Gruppen und Netzwerke. Der Kern war streng illegal und militärisch organisiert, diszipliniert und ausgebildet. Die international zusammengesetzte „Gruppe Manouchian“ in Paris ist ein berühmtes Beispiel dafür. Verschiedene Massenstreiks, Proteste von Hausfrauen, von Studenten organisieren sich trotz der Repression!

 

Unzählige Männer und Frauen organisierten sich um diese Formen des Widerstands herum und trugen täglich dazu bei, die Widerstandskämpfer zu unterstützen und zu schützen. Sie alle gingen große Risiken ein. Etwa 50 000 FTP (Franc-tireurs et arti­sans unter kommunistischer Führung) oder FFI (Forces françaises de l‘intérieur, zunächst gaullistisch orientierte französische Streitkräfte - später vereinigten sich FTP und FFI) kamen dabei ums Leben: Im Kampf gefallen, gefoltert oder erschossen, mehr als 60 000 wurden in die Konzentrationslager deportiert. Menschen verschiedener Nationalitäten, aller politischen Richtungen und jeden Alters, vor allem aber viele junge Menschen, bildeten die Résistance. Oft verschweigt die nationalistische Darstellung die internationale Zusammensetzung: die spanischen Republikaner aus dem Bürgerkrieg, Italiener, Polen, Juden verschiedener Nationalität, Armenier …

 

Der spätere Präsident Charles De Gaulle war einer der wenigen Vertreter der Großbourgeoisie, der sich gegen die Besatzung wandte, allerdings vom Standpunkt des französischen Kolonialimperialismus. De Gaulle bildete bereits während der Besatzung eine provisorische Exilregierung „La France libre“ in Algerien und später in England.

Im Laufe des Krieges wächst die Resistance

Am 25. August 1944 versammelten sich Zehntausende Pariserinnen und Pariser, riefen und sangen auf den Champs Élysée. Am Tag zuvor war Paris von der Nazi-Besatzung befreit worden, die deutschen Faschisten waren auf der Flucht. Der Angriff der Nazis auf die sozialistische Sowjetunion, die Einführung des Arbeitsdienstes ‚Service du travail obligatoire‘ durch die Nazis für junge Männer, die nach Deutschland geschickt wurden, und vor allem die Niederlage der Hitler-Armee in Stalingrad im Februar 1943 waren wichtige Etappen. Nazi-Deutschland war nicht mehr unbesiegbar! Dieser Sieg der damals sozialistischen Sowjetunion führte dazu, dass die bis dahin abwartenden alliierten Mächte endlich in den Krieg eintraten. Die Gesamtheit dieser Kräfte machte den Sieg über den Faschismus und die Befreiung möglich. Die verschiedenen Strömungen der Résistance organisierten und vereinigten sich zunehmend und überwanden dabei enorme Hindernisse, Spaltungen und Widersprüche.

Klassenwidersprüche

De Gaulle und seine bürgerliche Umgebung misstrauten den bewaffneten Widerstandskämpfern, dem Volk in Waffen. Ihr Ziel war die Wiederherstellung des bürgerlichen Staates mit einer bereits geplanten Regierung. Profitieren von der Resistance des Volkes und der Kommunisten, sie aber zu kontrollieren und unterzuordnen, war das Hauptziel der provisorischen Regierung. Die Kommunistische Partei zielte hingegen auf die Beteiligung des Volkes auf allen Ebenen des Wiederaufbaus des neuen Staates, von den Gemeinden bis zur Regierung.

 

Der gaullistische Widerstand liefert vor allem der Pariser Region kaum Waffen, aus Angst vor der Arbeiterklasse und dem Volkswiderstand, die er als den „bewaffneten Arm der Kommunistischen Partei“ betrachtet! Der Wunsch der Bourgeoisie nach Befreiung, ihr „Patriotismus“ hat seine Grenzen; das zeigte bereits die Pariser Kommune von 1871. Der bürgerliche Flügel des Widerstands versucht, die Aktionen der Volksmassen, die bereits durch den wachsenden faschistischen Terror bedroht sind, zu bremsen, zu steuern und einzuschränken, umso mehr, als sich der allgemeine Aufstand vorbereitet. Die Führer der verschiedenen Zweige und Organe der Resistance stehen vor enormen Herausforderungen.

Opportunistische Tendenzen ...

… innerhalb der Kommunistischen Partei, die bereits vor dem Krieg bestanden, stifteten Verwirrung. Im September 1938 stimmte die KPF für die Kriegs­kredite zugunsten des französischen Imperialismus, der doch nur wenige Tage zuvor L‘Humanité und andere Zeitungen verboten hatte! Dieser schwere opportunistische Fehler wurde korrigiert, vor allem durch eine grundlegende Kritik der Kommunistischen Internationale. Die KPF konnte die Führung der Arbeiterklasse zurückerobern und den angerichteten politischen Schaden wieder gutmachen. Dennoch blieben die opportunistischen und chauvinistischen Tendenzen in den folgenden Jahren bestehen …

Libération: Das anti­faschistische Bündnis zeigt seine Stärke

Die Arbeiter, das Proletariat, kämpften für die nationale Befreiung, und weitergehend für die echte Republik und die soziale Befreiung. Die Kommunistische Partei Frankreichs war trotz des Verbots seit 1939 eine Massenpartei, die das Vertrauen der Arbeiterklasse besaß. Sie vertrat ihre wirtschaftlichen, demokratischen und politischen Forderungen. Die Kommunisten waren eine Hauptkraft des Widerstands und brachten die größten Opfer. Die Partei arbeitete schon länger auf den bewaffneten nationalen Aufstand hin. Ab der Landung der Alliierten im Juni wurde dieser Aufstand zum konkreten taktischen Ziel.

 

So marschierten in Paris und seinen Vororten trotz polizeilicher Repression 100 000 Menschen zum Gesang der Marseillaise. Die Arbeiterstreiks weiteten sich aus. Die Widerstandskräfte sabotierten nach einem genauen Plan die Bahngleise, Telefonleitungen und elektrischen Anlagen, um den Feind zu schwächen. Waffen- und Munitionslager wurden zerstört, deutscher Nachschub behindert und die Ankunft der Alliierten erleichtert. Am 11. August 1944 streikten die Eisenbahner, stark organisiert in der verbotenen CGT. Der Kampf breitete sich schnell aus. Am 15. ruft die illegale CGT zum Generalstreik auf. Die Polizei tritt in Aktion und unterstützt den bewaffneten Widerstand. Die Postbeamten treten in den Streik, gefolgt von den Arbeitern im Pressewesen, den Angestellten der Metro etc. Während sich in Paris ein Befreiungsfieber ausbreitet, stellen sich Hunderte von Barrikaden dem Vorrücken der faschistischen Panzer entgegen. Das Pariser Komitee für die Befreiung dehnt die Streiklosung auf alle Bereiche aus. Einige Tage später steht der Generalstreik. Am Abend des 24. August marschieren die ersten Armeeeinheiten der „France libre“, der provisorischen Regierung, in Paris ein, und am Morgen folgt die gesamte zweite Panzerdivision. Unter den Truppen sind viele Marokkaner, Algerier, Senegalesen aus den Kolonien. Die Gesamtheit der Kräfte der Resistance nimmt den bereits geschwächten Feind in die Zange. Am 25. August, nach erbitterten Kämpfen gegen die letzten faschistischen Bastionen, bei denen 532 Widerstandskämpfer und 2800 Zivilisten getötet wurden, erklärt die Nazi-Kommandatur den Anführern des Pariser Aufstands ihre Kapitulation. Paris ist befreit!

Schlussfolgerung:

Die Befreiung von Paris war keineswegs ein spontaner Aufstand, sondern Ergebnis einer starken Organisation, unter der Nazi-Diktatur stark zentralisiert und in harten Kämpfen geschmiedet und verteidigt. Tragende Säule des Massenwiderstands und der Befreiung waren zu jener Zeit die sozialistische Sowjetunion und die Kommunisten in Frankreich. Die Kommunistische Partei hatte das Vertrauen der Arbeiter- und Volksschichten und eines Großteils ihrer Verbündeten. Eine geschickte Bündnispolitik garantierte den Sieg. Der Wiederaufbau einer wirklich kommunistischen und verankerten Partei ist heute in Frankreich vorrangig – für den antifaschistischen Kampf und den Kampf um den Sozialismus.