Rote Fahne 18/2024
Stopp der umfassenden Militarisierung und forcierten Rechtsentwicklung an Hochschulen, Schulen und Kultureinrichtungen!
Am 17. Juli 2024 beschloss der bayerische Landtag mit den Stimmen von CSU, SPD und Freie Wähler ein Gesetz zur Zwangsverpflichtung von Hochschulen zur Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Bundeswehr im „Interesse der nationalen Sicherheit“. Ebenso die Verpflichtung von Schulen zur Zusammenarbeit mit Jugendoffizieren
Bayern ist damit der Vorreiter einer von Regierung und allen bürgerlichen Parteien vorangetriebenen neuen Qualität der Militarisierung, der forcierten Rechtsentwicklung mit dem Ausbau der politischen Repression an Schulen, Hochschulen, Kultur- und Bildungseinrichtungen bis hin zu Tendenzen der Faschisierung.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): Vorbild Militärforschung in Israel
„So können wir nicht weitermachen.“1 Und: „Wir müssen bei Sicherheit und Wehrfähigkeit besser werden.“2 Habeck will nach dem Vorbild Israels die Gründung von Hightech-Rüstungs-Start-ups ausgehend von Hochschulen fördern, wofür die bisherigen – von der Friedensbewegung erkämpften – Einschränkungen der Militärforschung an Hochschulen durch „Zivilklauseln“ im Weg sind. In einem Interview mit dem Handelsblatt am 6. März begeistert Habeck sich für die israelische Militäreinheit „Unit 8200“.
Diese für geheime Operationen und militärische Aufklärung zuständige Einheit wurde im Gazakrieg für ihre Kriegsverbrechen bekannt: Mit „künstlicher Intelligenz“ konnten mehr Ziele in kürzester Zeit identifiziert werden, als dies jemals vorher möglich war, was zu einer massenhaft gesteigerten Zahl von zivilen Todesopfern führte.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will Trennung von ziviler und Militärforschung aufheben
Die Grundausrichtung dafür wurde bereits im „Positionspapier“ des Ministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom März 2024 vorgegeben, in dem die Zivilklauseln und „die teilweise strikte Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung in Deutschland“ infragegestellt werden.3 Im Rahmen der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ der Bundesregierung soll die „Forschungssicherheit“ ausgebaut werden, im Klartext die Überwachung und Bespitzelung von Wissenschaftlern und Hochschulen.
Bisher war Artikel 3 Grundgesetz zur Freiheit von „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre“ ein Heiligtum, allerdings mit der Einschränkung der „Verfassungstreue“. Solch ein Recht ist aufgrund der Macht der Monopole im Kapitalismus eine Illusion. Es konnte aber im Sinne der Arbeiterbewegung im Kampf für fortschrittliche Forschung und gegen Repressionen genutzt werden. Nun soll es „mit unseren sicherheitspolitischen Interessen in Einklang“4 gebracht, sprich den Bedürfnissen imperialistischer Kriegsführung und Zielen entsprechend geändert werden. Das Thema ist brisant, weil es bislang gewährte Zugeständnisse der Monopole für ihre Massenbasis unter der kleinbürgerlichen Intelligenz berührt. Deren verbreiteter Friedenswillen ist jedoch der Militarisierung der Hochschulen im Wege. Deshalb stehen auch die „Selbstregulierungsinstrumente der Wissenschaft im Lichte der Zeitenwende“ auf dem Prüfstand, gemeint ist die akademische Selbstverwaltung von Hochschulen.
Als im Mai bekannt wurde, dass Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger die politische Gesinnung und dienstrechtliche Sanktionen für die Unterzeichnenden eines Protestbriefs gegen die Unterdrückung der Proteste gegen Völkermord in Gaza durch die Berliner Polizei an Berliner Hochschulen prüfen ließ, forderten mittlerweile mehr als 3300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren Rücktritt.
Als Bauernopfer wurde ihre Staatssekretärin, Sabine Döring, gefeuert und bekam ab sofort einen Maulkorb verpasst, womit diese aber nicht einverstanden ist. Was soll wirklich verborgen werden? Die Vorbereitung der umfassenden Überwachung von Wissenschaft, Forschung und Kultur durch den Inlandsgeheimdienst? Der Rücktritt von Stark-Watzinger ist überfällig!
Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) fordert Entscheidung von Förderanträgen in Wissenschaft und Kultur durch Geheimdienst
Dass genau dies hinter den Kulissen vorbereitet wird, bringt die Berliner Justizsenatorin und ehemalige Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes, Felor Badenberg (CDU), offen auf den Tisch: Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll bei allen Förderanträgen die Verfassungstreue der Antragstellenden überprüfen und entscheiden, was förderwürdig ist.5
Ein Gesetzentwurf sei bereits in Vorbereitung. Badenberg machte ihre Karriere im Inlandsgeheimdienst unter dem damaligen Präsidenten Hans-Georg Maaßen, der im Februar 2024 mit der Werteunion eine ultrareaktionäre, faschistoide und stramm antikommunistische Partei gründete.6
Derselbe Verfassungsschutz, der offenbar den NSU-Komplex protegiert hat, der Neonazi-Strukturen mit aufgebaut hat soll nun entscheiden, welche Wissenschaftler und Kulturschaffende weiterhin Fördermittel bekommen? Badenberg ist seit 2023 auch Lehrbeauftragte der Universität Köln, was wohl ein Modell für die Durchdringung von Geheimdienst und Hochschulen ist.
Bundestagsresolution bereitet Ausweitung der politischen Repression und Gesinnungsprüfung vor
Eine faschistoide Rechtfertigungslinie wird derzeit von den Bundestagsfraktionen der Ampel und der Union in einer gemeinsamen Resolution vorbereitet.7 Unter dem verlogenen Vorwand des „Schutzes des jüdischen Lebens in Deutschland“ sollen Antragsteller von Fördermitteln für Forschung und Kultur auf die vom Bundestag beschlossene erweiterte „IHRA-Antisemitismusdefinition“ verpflichtet werden. Diese bezeichnet absurderweise Kritik und Angriffe auf den Staat Israel bzw. seinen Institutionen als „Antisemitismus“. Damit wird Antisemitismus als ein Bestandteil von Rassismus und Antikommunismus bösartig verfälscht zu einem Kampfbegriff gegen alle Kritiker der israelisch-faschistischen Regierungspolitik Netanjahus.
Ein Kern einer Ausweitung der Repression ist die Verfolgung von „linkem“ Antisemitismus als Straftat, wie es Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) für die Unterzeichner der Berliner Protesterklärung gegen den Polizeieinsatz auf dem Uni-Campus forderte.8
Kriegsvorbereitung der Herrschenden treibt die Rechtsentwicklung und fördert mit der AfD den Faschismus
Hintergrund dieser Rechtsentwicklung ist, dass der deutsche Imperialismus bis zum Jahr 2029 „kriegstüchtig“ sein will (Verteidigungsminister Pistorius: Befragung im Bundestag vom 5. Juni 2024). Er strebt im Kampf um die Neuaufteilung der Einflusssphären in Europa eine Führungsrolle an.
Deshalb ist der Gleichklang dieser forcierten Politik der Militarisierung, Faschisierung und politischen Unterdrückung an Hochschulen von den „Grünen“ über CDU bis AfD kein Zufall. Ein Entwurf für ein ganz ähnliches Gesetz zur Zwangsverpflichtung wie in Bayern liegt bei der schwarz-roten Landesregierung in Hessen vor.9 Ein entsprechender Entwurf war im Frühjahr 2024 von der AfD-Fraktion im Landtag von Nordrheinwestfalen eingebracht worden.10 In diesem hatte sie auch beantragt, die Zivilklauseln abzuschaffen. Von wegen AfD als angebliche „Friedenspartei“. Sie fordert „den Erhalt und Ausbau der wehrtechnischen Fähigkeiten (…) Dafür müssen unter anderem neue wehrtechnische Programme initiiert werden.“11
Es ist notwendig, dass der Kampf gegen Militarismus mit dem Kampf gegen Rechtsentwicklung und Faschismus, gegen politische Repression und für den Erhalt und die Erweiterung bürgerlich-demokratischer Rechte verbunden wird. Die MLPD tritt dafür ein, dass Arbeiterbewegung, die neue Friedensbewegung, die begonnene neue fortschrittliche Studierendenbewegung, fortschrittliche kritische und demokratische Wissenschaftler und andere Bewegungen einen gemeinsamen Kampf gegen Rechtsentwicklung und Militarismus führen.