Rote Fahne 17/2024

Rote Fahne 17/2024

„Eine willkommene Rückkehr zum Klassenbewusstsein“

Doug Nicholls ist ehemaliger Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbands GFTU und führender Gewerkschafter in Großbritannien. Die Rote Fahne sprach mit ihm über die Massenkämpfe in seinem Land

„Eine willkommene Rückkehr zum Klassenbewusstsein“
Doug Nicholls, führender Gewerkschafter in Großbritannien

Rote Fahne: Wie hat sich das Klassen­bewusstsein der Arbeiter im Zusammenhang mit den jüngsten Massenkämpfen und Massenstreiks entwickelt?

Doug Nicholls: Wie in den Vereinigten Staaten erleben wir eine willkommene Rückkehr zum Klassenbewusstsein.

 

Es wurden alle möglichen ausgeklügelten postmodernistischen Methoden entwickelt, um die Arbeiter in die Fragmente der Identitätspolitik und verschiedener Regionen Großbritanniens zu spalten. Das ist gescheitert. Die Klassenidentität ist stark – diejenigen, die arbeiten, haben dauerhafte und tiefe Verbindungen und gemeinsame Interessen. Die Bedürfnisse der Arbeiter in Schottland, England und Wales sind dieselben.

 

Es ist wichtig, das Ausmaß und die Tiefe der Beteiligung an Kämpfen und Streiks in den letzten drei Jahren und die führende Rolle¹, die die Gewerkschaften hier wieder einmal gespielt haben, anzuerkennen. Es ist kaum möglich, sich irgendeinen Bereich vorzustellen, der nicht eine wichtige Rolle in den Kämpfen gespielt hat. Alle waren beteiligt: Krankenschwestern, Ärzte, Lehrer, Beamte, Stahlarbeiter, Hafenarbeiter, Eisenbahner, Postangestellte – die Liste ist endlos.

 

Und die Reife und Geschicklichkeit, mit der die Kämpfe – trotz der schlimmsten gewerkschaftsfeindlichen Gesetze in der westlichen Welt – geführt wurden, waren inspirierend.


Du bist seit Jahrzehnten persönlich in der Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Befreiungskampf engagiert. Was denkst du über die große Solidarität in Großbritannien?

Trotz der vielen Stärken der Arbeiterklasse konnten wir die Verbindung zwischen der britischen herrschenden Klasse und dem US-Imperialismus und der NATO nie zerbrechen. Wir können einige der spektakulärsten und regelmäßigsten Anti-Völkermord-Demonstrationen in der Welt auf die Beine stellen und Palästina große Unterstützung geben. Aber wir können die Verbindungen, die die britische herrschende Klasse so gekonnt verwaltet, nicht wesentlich beeinträchtigen. Doch selbst diese werden durch die Umstände ins Wanken gebracht. Israel und seine Unterstützer wie Großbritannien und die USA werden von der Welt verurteilt.

 

Ermutigend ist, dass man sich hier bei uns auf den Kampf konzentriert hat, weitere Waffenverkäufe an Israel zu stoppen. Erfreulich ist auch, dass es unmöglich wurde zu sagen, dass man antisemitisch sei, wenn man sich Israels Maßnahmen widersetzt. Unsere Solidaritätsaktionen müssen in einen neuen Widerstand gegen die Unterstützung der US-Außenpolitik und seiner kriegstreibenden Verbündeten umgesetzt werden.


Vielen Dank für das Gespräch!