Rote Fahne 15/2024
Ganz Deutschland schaut nach Thüringen
Wie werden sich die Thüringer und die Sachsen bei der Landtagswahl am 1. September entscheiden? Wird es insbesondere in Thüringen gelingen, einen Wahlsieg des faschistischen Chefideologen Höcke zu verhindern? Gibt es einen Aufschwung der antifaschistischen Bewegung und des Kampfs von links gegen die volksfeindliche Regierungspolitik?
Die Parlamentswahl in Frankreich beweist: Es ist möglich, Faschisten empfindliche Niederlagen beizubringen. Dazu müssen das antifaschistische Bewusstsein und Engagement sowie die kämpferische Opposition in Thüringen erheblich gestärkt werden!
Bei der Europawahl wählten nur noch 14 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Thüringen die Ampel-Parteien – bei einer Wahlbeteiligung von 61,9 Prozent.¹ Stattdessen wurde die AfD in 18 von 22 Regionen teils mit deutlichem Abstand stärkste Kraft. Die AfD hat es geschafft, sich bei einer bestimmten Masse an Leuten durch Demagogie² als Alternative zur Regierungs-Politik zu verkaufen. Dabei kaufen viele AfD-Wähler jedoch die Katze im Sack. Mehr noch: Wer AfD wählt, wählt Faschismus!
Es gibt nicht „DEN Thüringer“
Das Thüringer Wahlprogramm der AfD ist überschrieben mit „Alles für Thüringen“. Das mag Musik in den Ohren mancher AfD-Wähler sein, die meinen, „die jetzige Regierung macht nichts für die eigenen Leute“. Einzelne Zugeständnisse an die Massen macht die Regierung schon, zum Beispiel soll die Steuerprogression abgebaut, das Kindergeld erhöht werden und Ähnliches. Das wird natürlich an anderer Stelle wieder den Leuten aus der Tasche gezogen. Mit der AfD werden sich diese Zustände nicht verbessern. Im Gegenteil! Die AfD ist für Kürzung des Bürgergelds und will die Erbschaftssteuer senken. Eine stärkere Besteuerung der Superreichen lehnt sie ab. Es gibt nicht „DEN Thüringer“, sondern (wenige) Super-Reiche auf der einen Seite und auf der anderen 153 000 Mindestlohnbezieher³.
Auf welcher Seite steht die AfD? Wie ein roter Faden zieht sich das Programm entlang des Mantras der „patriotischen und sozialen Marktwirtschaft“⁴. Die Forderung nach einer „patriotischen“ Wirtschaft heißt nichts anderes als die Unterordnung unter die deutschen Kapitalisten. Eine „soziale Marktwirtschaft“ wird es nicht geben und gab es nie. Der Zwang zur Erzielung von Maximalprofit und die Bedürfnisse von Mensch und Natur sind wie Feuer und Wasser.
Die AfD behauptet: „Wohlstand basiert … auf … klugen Investitionen und kreativen Innovationen, die auf Privateigentum gründen“⁵. Kapitalistischer Wohlstand basiert auf der kapitalistischen Ausbeutung der Lohnarbeit und der Natur – und damit basiert der Wohlstand der Kapitalisten auf der Leistung der Arbeiter. „Wohlstand für alle“ ist eine Lebenslüge des Kapitalismus. In Deutschland ist die Zahl der Superreichen, die mehr als 100 Millionen Dollar besitzen, im vergangenen Jahr um 10 Prozent gestiegen. Da hat die AfD nichts dagegen. Den Spitzensteuersatz möchte sie radikal senken: Verdienste über 20 000 Euro sollen pauschal mit 25 Prozent besteuert werden – egal ob einer 20 001 oder 500 000 Euro bekommt⁶. Eine Erhöhung des BaFöG hingegen lehnte sie im Bundestag ab⁷.
Außerdem muss jeder wissen: Wer Höcke wählt, wählt einen Faschisten! In der langen Liste seiner faschistischen Aussagen findet man zum Beispiel diese: „Das Problem ist, dass Hitler als das absolut Böse dargestellt wird.“ Bitte was? Hitler war als Führer des faschistischen Deutschland für die bestialische Unterdrückung und Ermordung hunderttausender Kommunisten, Gewerkschafter und Sozialdemokraten verantwortlich. Er war verantwortlich für den Holocaust an sechs Millionen Juden und für 60 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg. Faschisten empfinden es als „Problem“, diese Tatsachen zu benennen und relativieren deshalb die faschistische Diktatur in Deutschland.
Die AfD – eine Oppositionspartei?
Viele fragen sich, wie es sein kann, dass die AfD einen solchen Einfluss gewonnen hat. Ampelregierung und CDU/CSU machen eine ultrareaktionäre Flücht-lingspolitik, die AfD treibt die faschistische Hetze gegen Flüchtlinge und Migranten auf die Spitze. In den bürgerlichen Medien wird die AfD behandelt, als sei sie eine ganz normale Oppositionspartei. In Bezug auf den Ukrainekrieg ist die AfD tatsächlich in einer Opposition zur Bundesregierung und zur NATO. Sie ist gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, wohl aber für weitere Militarisierung und Aufrüstung der Bundeswehr. Alice Weidel sagte im Sommerinterview, dass „wir für diesen Krieg nicht unsere Väter und Söhne opfern“. Für andere Kriege dagegen schon? Faschismus und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille. Wer Faschismus wählt, wählt Krieg! Wer die AfD wählt, wählt auch eine ultrareaktionäre Umweltpolitik.
Alternative Linkspartei oder Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)?
Mit der Arbeit der Thüringer Landesregierung sind aktuell 62 Prozent „weniger“ oder „gar nicht zufrieden“⁸ Die Löhne in Thüringen sind die zweitniedrigsten Deutschlands und fast 700 Euro unter dem bundesweiten Vergleich. Studenten in Jena müssen teils monatelang auf eine Wohnung warten, in vielen Dörfern schloss der letzte Fleischer oder die Sparkasse.⁹
Ziel von Bodo Ramelow ist ein Thüringen, was „Menschlich.Stark.Gerecht“ ist. Wie soll das zu verwirklichen sein, ohne den Kapitalismus in Frage zu stellen? „Stark und gerecht“ ist der Kapitalismus bekanntlich nur für die herrschende Klasse. Will die Linkspartei ernsthaft zum 300sten Mal versuchen, die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus durch Reförmchen auszuhebeln?
Was ist mit dem BSW, das in Thüringen bei aktuellen Umfragen bei über 20 Prozent liegt? Sahra Wagenknecht hat sich nicht nur längst vom Kommunismus verabschiedet, sondern ist mit einem Teil ihrer Standpunkte im rechten Lager gelandet. So schrieb sie auf X (ehem. Twitter) am 9. Juli: „Das Land nimmt in nicht verkraftbaren Größenordnungen Flüchtlinge auf … Politik gegen die eigene Bevölkerung“. Geradezu eine Bewerbung für eine Koalition mit der reaktionären CDU. Man darf gespannt sein, wie es diese mit der viel beschworenen Brandmauer gegen die AfD hält.
Bresche gegen die faschistische Gefahr schlagen und MLPD stärken!
Wir nehmen die Demagogie der AfD nach Strich und Faden auseinander. In einer breiten Wahlkämpferbewegung kann jeder aktiv werden. MLPD, REBELL und die überparteilichen Selbstorganisationen der Massen gilt es, erheblich zu stärken. Der Sozialismus als konsequentester Gegenpol zum Faschismus braucht ein neues Ansehen! Wir wollen erreichen, dass über den Sozialismus thüringenweit diskutiert wird. Dabei bringen wir unsere Schlussfolgerungen aus dem Verrat am Sozialismus in allen ehemals sozialistischen Ländern ein und die positiven Schlussfolgerungen, damit es beim nächsten Anlauf klappt!