Rote Fahne 12/2024
Wasserstoff – Champagner der Energiewende?
Es ist ein Erfolg der Umweltbewegung, dass jetzt Kohlekraftwerke in Deutschland stillgelegt werden. Doch statt die Verbrennung fossiler Energieträger konsequent zu beenden, stellen alle Energiekonzerne auf Erdgas um. An Stelle von Greenwashing und Wasserstoff-Hype braucht es den massiven Ausbau erneuerbarer Energien
Aktuell will die Bundesregierung etwa 20 neue Gaskraftwerke fördern – wohl als ersten Fördereinstieg. Denn das Handelsblatt sieht den Bedarf bis 2040 sogar bei 120. Diese Anlagen werden als Reserve für die sogenannte „Dunkelflaute“ bei Wind- und Solarstrom gerechtfertigt. Frech wird behauptet, damit würden die CO2-Emissionen gegenüber Kohle um 60 Prozent verringert. Glatt gelogen, wenn nicht nur der unmittelbare Brennvorgang, sondern die gesamte Prozesskette bei Erdgas (Methan) betrachtet wird.
Besonders bei der Förderung von amerikanischen Fracking-Gas entweichen bis zu 7 Prozent (bei Pipeline-Erdgas werden 2 Prozent angenommen) ungenutzt, weil von drei Millionen Bohrlöchern zwei Millionen schlecht oder gar nicht abgedichtet sind. Methan ist laut dem 5. Sachstandsbericht des IPCC (Weltklimarat) auf 20 Jahre gesehen 84-mal klimaschädlicher als CO2. Dies eingerechnet, ist die CO2-Bilanz von Erdgas gleich schlecht wie die der Steinkohleverbrennung. Obendrein gehen bei der Verflüssigung von Erdgas zu LNG (Liquid Natural Gas) für den Schiffstransport rund 25 Prozent der Energie drauf. Das alles wird in der LNG-Propaganda unterschlagen. Dieses Greenwashing muss aufgedeckt und angegriffen werden.
Hype um Wasserstoff – eine Beruhigungspille
Die Investitionen der BRD für LNG-Terminals, Pipelines und neue Gaskraftwerke von 40 bis 50 Milliarden Euro zielen auf die Fortführung der Verbrennung fossiler Energieträger für die nächsten 30 Jahre! Sie fehlen für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Weiterentwicklung effektiver Speicherungsmöglichkeiten.
LNG-Lieferverträge hat zum Beispiel die EnBW für 20 Jahre abgeschlossen. Da dies zunehmend in die Kritik kommt, wird ein Riesenhype um Wasserstoff (H2) entfacht – eine Beruhigungspille. Gaskraftwerke werden dafür als „H2-ready“ deklariert, als müsse man nur den Schalter umlegen. Grüner, mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff ist ein wertvolles Gas, vor allem für Industrieprozesse und Stahlherstellung sowie zur Speicherung von Strom-Überschuss. Aber Wasserstoff ist zu wertvoll zur Verfeuerung für die Stromerzeugung. Strom aus Wind und Photovoltaik – Umwandlung in Wasserstoff per Elektrolyse – Verflüssigung von Wasserstoff für den Transport – Rückverstromung im Gaskraftwerk. Das ergibt letztlich heute einen Wirkungsgrad von nur 25 Prozent. Sicher ist bei der Elektrolyse noch eine Steigerung zu erwarten, die weiter entwickelt und ausgebaut werden muss. Doch hat Wasserstoff ein völlig anderes Brennverhalten als Methan, 300 Grad heißer und aggressiver. Das erfordert unter anderem andere Turbinen. Aktuell gibt es nur einen Prototyp. Das Erdgasnetz ist entgegen allen Verkündungen kaum brauchbar. Bisher kann maximal 30 Prozent Wasserstoff dem Erdgas beigemischt werden. Wasserstoff pur braucht viel größere Leitungen, denn es hat eine geringere volumenspezifische Energiedichte.
Paradigmenwechsel erfordert sozialistische Gesellschaft
Bis 2030 soll in der BRD eine Elektrolysekapazität für eine Million Tonnen Wasserstoff aufgebaut werden. Der Rest soll aus Neuseeland, Australien, Neufundland, Kasachstan und aus 30 Ländern Afrikas kommen. Dafür müsste in diesen Ländern erst einmal eine Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik von 800 TWh aufgebaut werden. Das Dreifache des heute in Deutschland erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien. Keine einzige Stadt in Afrika oder sonst wo würde je davon profitieren. Beim Kolonialismus würde eine neue Seite aufgeschlagen, mit einem imperialistischen Kampf um die Wüsten und um das knappe Wasser.
Für eine Million Tonnen Wasserstoff benötigt man zur Herstellung etwa neun Millionen Kubikmeter gereinigtes Wasser. Der Hype um Wasserstoffkraftwerke ist eine Fatamorgana. In Wirklichkeit läuft es darauf hinaus, die Verbrennung von Erdgas noch Jahrzehnte weiterzubetreiben.
Aber Wasserstoff verspricht ein riesiges Geschäft. Da winken Profite und Milliardensubventionen für die Monopole. Unter der Weltmarktführerschaft tut man‘s ja nicht. Bundes- und Landesregierungen wollen richtig klotzen, reisen um die Welt und schließen Vorverträge. Die EU sieht bis 2030 einen Bedarf von 460 Milliarden Euro für eine Wasserstoffwirtschaft – inklusive Zugriff auf Afrika.
Notwendig ist der massive Ausbau der erneuerbaren Energien und sinnvolle Elektrifizierungen. Der Güterverkehr muss auf die Schiene! Außerdem braucht es die industrielle Umsetzung der Wasserstoff-Elektrolyse auch als Speichertechnik sowie Forschungsförderung zur Erhöhung ihres Wirkungsgrads. Für einen Paradigmenwechsel in einer vom Kapitalismus befreiten Gesellschaft!