Rote Fahne 12/2024
Städtebau im Sozialismus
Der sowjetische Künstler Alexander Deineka gestaltete ein Plakat für den Aufbau der neuen sowjetischen Städte
Im Kapitalismus wird vor allem die Kunst gefördert, die seinem Erhalt, seiner Denkweise und seinen Geschäften – auch mit den Kunstwerken – nützt.
Im Sozialismus verändert sich die Rolle der Kunst: Sie dient vor allem dem Klassenkampf zur Befreiung des Proletariats und dem Aufbau des Sozialismus und ist damit auch ein Feld des Kampfs um die Denkweise im Sozialismus.
Die antikommunistische Geschichtsschreibung erklärt: Die freie Kunstausübung werde im Sozialismus eingeschränkt, wenn nicht gar vernichtet. Lenin setzte dagegen: Die revolutionäre Kunst ist frei, weil „sie nicht Gewinnsucht und nicht Karriere, … nicht einer übersättigten Heldin, nicht den sich langweilenden … ,oberen Zehntausend‘ dienen wird, sondern den Millionen und aber Millionen Werktätigen, die die Blüte des Landes, seine Kraft, seine Zukunft verkörpern“.1
Mit Beginn des ersten Fünfjahrplans 1928 wurde intensiv diskutiert, wie die neuen Städte in der Sowjetunion aussehen sollen. Alexander Deineka wurde 1899 in Kursk geboren. Begeistert nahm er an der Oktoberrevolution teil und studierte anschließend in Moskau an einer dem Bauhaus vergleichbaren Lehranstalt. Im Auftrag der Zeitschrift „Atheist an der Werkbank“ ging er in die Kohlengruben und Fabriken des Donezk. Ab Mitte der 1920er-Jahre und in der Zeit der ersten beiden Fünfjahrpläne entstehen Gemälde und Plakate, die den Sieg des Sozialismus feiern und die Befreiung der Frau. Seine Bildsprache verbindet das Flächige der abstrakten Kunst mit den reduzierten Formen des Plakats, ohne dabei im Wortsinne plakativ zu werden.
Deinekas Plakat soll diese Diskussion anregen und fördern. Es war relativ klar, dass eine gewachsene Stadt nicht einfach komplett umgebaut werden kann. So zeigt Deineka die eng gewachsenen innerstädtischen Strukturen kombiniert mit durch Parkanlagen großzügig gestalteten neuen Stadtanlagen. Und die enge Verbindung von Fabriken und Wohnhäusern der Arbeiter. Die meisten Wege sollten fußläufig zu machen sein. Wo es nicht geht, wird der ÖPNV ausgebaut. Wir sehen Busse, Straßenbahnen und die Metro, die damals erst in der Planung war. Pkw-Staus gibt es nicht. Der motorisierte Individualverkehr war in großer Form nicht erwünscht. Der Güterverkehr führt bis in die Stadt hinein und bleibt nicht außen vor. Es ist ein fast modernes Plakat, das man heute noch gerne anschaut.
Deineka hat als Künstler auch konkret bei städtischen Bauprojekten teilgenommen. So arbeitete er auch bei der Ausgestaltung der Metro in Moskau mit, bei der Ausgestaltung der Decke in der Haltestelle Majakowskaja.
Das Deckengewölbe des Hauptsaals weist 36 ovale Kuppeln auf mit kleineren Kuppeln aus Glasmosaik. Diese Glasmosaiken gestaltete Deineka wie ein Firmament über der Halle. „Die Metro von Moskau ist berühmt für ihre Bahnhöfe – in der Haltestelle Majakowskaja könnte man glatt Gottesdienste feiern“ – mit diesen Worten ehrte die Süddeutsche Zeitung vom 28. Oktober 2010 auch den großartigen Künstler Alexander Deineka.