Rote Fahne 11/2024

Rote Fahne 11/2024

Machtpolitik am Golf

Die tiefe Verbeugung des grünen Wirtschaftsministers Habeck vor dem Emir von Katar ist noch in lebhafter Erinnerung.

Von Anna Bartholomé
Machtpolitik am Golf
Mit dieser Gesellschaft sieht Annalena Baerbock „hervorragendes Potential für eine Klimapartnerschaft“ (Trump in Saudi-Arabien, Mai 2017). Foto: The White House from Washington, DC/President Trump‘s Trip Abroad, Gemeinfrei

Das war nicht nur eine erbärmliche Bettelei bei der Suche nach Ersatz für russisches Erdgas. Das war auch das Eingeständnis, sich von dem dringend notwendigen Verzicht auf die fossile Verbrennung zu verabschieden.


Die ach so „feministische“ Außenministerin Annalena Baerbock war vorne dran, die feudalen Herrscher in Saudi-Arabien zu hofieren. Die nach wie vor mittelalterliche Unterdrückung der Frauen und die erbärmliche Ausplünderung der aus dem Ausland herbeigeschafften Arbeitskräfte in diesen Ländern war ihr plötzlich keine Silbe mehr wert. Schließlich hat sie „hervorragendes Potenzial für eine Klimapartnerschaft“1 entdeckt und da verschwinden die Menschenrechte dezent in einer Fußnote.


Was sind das für Länder, die lange Zeit nur als Lieferanten von Öl und Gas für alte imperialistische Länder wie die USA und Deutschland interessant schienen?


Auf der Basis ihres überquellenden Rohstoffreichtums haben sie sich in relativ kurzer Zeit zu neuimperialistischen Mächten entwickelt. Heute sind sie mit den Ölmilliarden der Könige und Scheichs selbstbewusste und machtgierige imperialistische Vertreter des internationalen Finanzkapitals geworden. Dazu haben sie ihre enormen Reichtümer in Anteilen an internationalen Übermonopolen angelegt. Ihr aggressives Auftreten geht mit einem raschen imperialistischen Aufstieg und zutiefst rückständigen politischen und sozialen Verhältnissen einher.


Die Staatsfonds alleine der drei neuimperialistischen Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und Vereinigte Arabische Emirate (VAE) verfügen über rund 2,2 Billionen US-Dollar. Mit diesen gigantischen Summen überschüssigen Kapitals drängen sie aggressiv auf den weltweiten Kapitalmarkt. So ist das Mobilfunkunternehmen Etisalat aus den VAE, das selbst 146 Millionen Kunden in vielen Ländern hat und mit Chinas Huawei zusammenarbeitet, größter Aktionär des Mobilfunkriesen Vodafone.


Sie drängen verstärkt auf den afrikanischen Rohstoffmarkt mit dem Kauf einer Kupfermine in Sambia durch die VAE.


Katar ist auch in Deutschland überaus aktiv. Wesentlicher Finanzier deutscher Monopole ist das Land mit einer Beteiligung von 17 Prozent bei VW, 9 Prozent bei RWE, 6,1 Prozent bei der Deutschen Bank, 3 Prozent bei Siemens und anderen. Auch ohne Mehrheitsbeteiligung bedeutet das finanzielle Abhängigkeit.


Das saudische Ölmonopol Aramco ist heute das zweitgrößte Monopol der Welt.

 

Auf Saudi Arabien und Katar trifft zu, was Lenin zum parasitären Wesen des Imperialismus schrieb: „Immer plastischer tritt als eine Tendenz des Imperialismus die Bildung des ,Rentnerstaates‘, des Wucherstaates hervor, dessen Bourgeoisie in steigendem Maße von Kapitalexport und ,Kuponschneiden‘ lebt.“ 2


Für ihre imperialistischen Ziele rüsten die Golfstaaten massiv auf. Saudi-Arabien hat den viertgrößten Militärhaushalt der Welt und ist der zweitgrößte Rüstungsimporteur.


Aber wie auch bei den alten imperialistischen Mächten treten diese neuen imperialistischen Mächte zunehmend in erbit­terte Konkurrenz zueinander. Nichts macht das deutlicher als der immer weiter eskalierende Nahostkrieg. Während sich Saudi-Arabien – allen propalästinensischen Worthülsen zum Trotz – zusammen mit den USA auf die Seite des imperialistischen Israel geschlagen hat und zum Helfershelfer des Vernichtungskriegs gegen das palästinensische Volk wird, sucht Katar den Zusammenschluss mit dem ebenfalls neuimperialistischen Iran – dem Erzfeind Israels. Allerdings bleiben die imperialistischen Weltmächte USA und China weiterhin tonangebend in der Region – die USA gestützt auf Israel und Saudi-Arabien, China vor allem gestützt auf den Iran.


Saudi-Arabien hat im Jemen einen skrupellosen Stellvertreterkrieg mit dem Iran geführt mit 400.000 Toten. Das faschis­tische Massaker der Hamas vom 7. Oktober in Israel richtete sich direkt gegen Bestrebung­en Saudi-Arabiens, sich Israel und den USA mit dem sogenannten Abraham-Abkommen anzunähern.


Das brachte die ebenfalls neuimperialistischen Mächte Türkei und Katar in Rage. Auch mit erheb­lichen Geldmitteln – sind sie die Förderer islamistisch verbrämter faschistischer Kräfte, wie Hisbollah, Dschihad oder Hamas, die aus der Muslimbruderschaft hervorgingen. Letztere wurden sogar lange von Israel begünstigt – um den säkularen3 Kräften im palästinensischen Widerstand das Wasser abzugraben.


Es kann keine Bündnisse mit der einen oder anderen alten oder neuen imperia­listischen Macht geben – es kann nur den Zusammenschluss mit allen wirklich friedliebenden Menschen in allen beteiligten Ländern geben – im gemeinsamen antiimperialistischen Kampf mit einer sozialistischen Perspektive.