Rote Fahne 11/2024

Rote Fahne 11/2024

„Ich möchte, dass die Arbeiter bewusster über die Umwelt denken“

Chaia Seini ist Vertreterin der Nationalen Union der Frauen der Sahara (Westsahara) und aktiv in der United Front. Am Rande der Umweltstrategiekonferenz im April in Potsdam führte die Rote Fahne ein Gespräch mit ihr

„Ich möchte, dass die Arbeiter bewusster über die Umwelt denken“
Chaia Seini auf der Umweltstrategiekonferenz in Potsdam


Rote Fahne: Was bedeutet die Umweltkrise für die Menschen in Westsahara?


Chaia Seini: Wir leben in Flüchtlings­lagern in der Wüste. Im Sommer steigen die Temperaturen auf mehr als 50 Grad. Und wir wohnen in kleinen Behausungen mit Dächern aus Metall, die die Hitze noch mehr anziehen. Du kannst dir also vorstellen – 170.000 Menschen, unter ihnen Alte, Kinder, Frauen – es ist sehr heftig für uns.


Auch brauchen wir Wasser. Aber alle zehn Jahre erleben wir eine Katastrophe mit Überschwemmungen, die die Lager zerstören. All die Jahre bauen wir Lager auf, doch alle zehn Jahre müssen wir sie verlassen wegen der Katastrophe.


Und noch ein Punkt: Wir sind eines der führenden Länder bei Phosphat. Auch haben wir Fischreichtum. Diese Ressourcen werden von multinationalen Unternehmen total ausgebeutet, auch aus Spanien und Frankreich. Auch wenn wir im Europarat immer den Fall gewinnen, der dieser Ausbeutung ein Ende bereiten soll – das wird nicht respektiert. Die Unternehmen sind immer noch da. Also haben wir diese Naturschätze und gleichzeitig müssen wir so leben. Es ist verrückt, es macht mich wütend.


Ist die Umweltfrage Teil eures Befreiungskampfes?


Es ist nicht so, dass wir kein Interesse an der Umwelt haben. Aber wenn du besetzt bist und Menschen deshalb sterben, dann konzentrierst du dich voll darauf, wie man das Leben dieser Menschen retten kann.


Dabei vergessen wir nicht die Klima­veränderung. Tatsächlich haben wir eine kleine Gruppe – sie nennt sich SandShip1 –, die aus Ökologen, wie ich eine bin, besteht. Diese kleine Gruppe sucht nach Lösungen, nach ökologischen Lösungen, um in der Wüste zu leben, wie zum Beispiel Bäume pflanzen. Oder Mittel und Wege finden, an mehr Wasser zu kommen und Häuser zu bauen, die nicht mehr unter der Hitze leiden. Also sind wir sehr an der Umwelt interessiert, aber der Fokus ist vor allem auf dem bewaffneten Konflikt, ohne jedoch die Umwelt zu vergessen.


Wie beurteilst du die Umweltstrategiekonferenz?


Es war großartig, weil es so viele Menschen aus verschiedenen Bereichen gibt. Alle haben ihre Vorstellung über die Klimakrise. Sie sind unterschiedlich, aber gleichzeitig sind wir alle zusammen wegen der Umweltkrise und ihrer Folgen. Von dieser Konferenz nehme ich mit, dass ich mich mehr auf das Thema konzentrieren muss.


Was ist deine Botschaft an die deutsche Umweltbewegung?


Meine Botschaft ist: Es gibt einen großen Zusammenhang zwischen der Umwelt und den Arbeitern. Ich möchte nur, dass die Arbeiter bewusster über die Umwelt denken. Ich weiß, es ist sehr schwierig für sie, aber sie werden die Opfer sein, wenn die Umwelt sich verschlechtert. Also will ich, dass sie sich zusammentun und versuchen, einen Weg zu finden.


Danke für das Interview!