Rote Fahne 11/2024

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EU: „Klimaprojekt“ – Kahlschlag beim Umweltschutz!

Bei der Verkündung des „European Green Deal“1 Ende 2019 versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass Europa bis 2050 der erste „klima­neutrale“ Kontinent wird.

Von (dr/ms)
EU: „Klimaprojekt“ – Kahlschlag beim Umweltschutz!
Foto: EyeEm_Freepik_PREMIUM

Das großartige Versprechen entpuppte sich als Treppenwitz. So enthält der „Green Deal“ nur das völlig unzureichende Zwischenziel, bis 2030 den Ausstoß der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Alles, was darüber hinausgeht, ist völlig unverbindlich. Und selbst von den 55 Prozent ist die EU weit entfernt. Bis 2021 betrug der Rückgang im Vergleich zu 1990 gerade mal 28 Prozent. Seit der Verkündung des „Green Deal“ sind nur 3,7 Prozentpunkte dazugekommen und zuletzt war die Tendenz wieder steigend.2 Um eine drastische Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen ging es beim „Green Deal“ nie. Doch auch solche Betrugsmaßnahmen sind jetzt Schnee von gestern. Im Europawahlkampf betont Ursula von der Leyen, man müsse bei der Erreichung der Klimaziele „mit Augenmaß vorgehen und in engem Schulterschluss mit den Unternehmen“.­3 Denn das „Leitmotiv der EU für die kommenden Jahre“ sei „die Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit“.4 Was steckt hinter der Neuausrichtung?


BusinessEurope, einer der größten Monopoldachverbände Europas, fordert einen „Industrial Deal“ an Stelle des „Green Deal“: „Angesichts mehrerer geopolitischer Risiken und wirtschaftlicher Unsicherheit ... sollte die EU ihre Attraktivität als Investitionsstandort verbessern.“5 Dafür sollen die Subventionen für Monopole weiter hochgefahren und der Umweltschutz zurückgefahren werden. Der neue „Deal“ für die Industrie beinhaltet eine drastische Senkung der Energiekosten für Konzerne, unter anderem durch „Diversifizierung unserer Energiequellen einschließlich Übergangsquellen“. Unter „Übergangstechnologien“ verstehen die Monopole insbesondere Erdgasverbrennung und Atomenergie. Beim „Übergang“ wird es allerdings nach dem Willen derjenigen Konzerne, die davon profitieren, kaum bleiben. BusinessEurope fordert auch, „die Erteilung von Industriegenehmigungen an die Spitze der Tagesordnung zu setzen“. Ganz hinten auf die Tagesordnung rücken demnach Einwände von Umweltschützern, wie etwa beim Tesla-Werk in Grünheide.


Das ist die Ausrichtung auf einen verschärften internationalen Konkurrenzkampf in der gegenseitigen Vernichtungsschlacht der Übermonopole, verbunden mit der Hochrüstung für imperialistische Kriege. Das Bruttoinlandsprodukt der EU wuchs 2023 nur um 0,5 Prozent gegenüber 3,1 Prozent in den USA und 5,2 Prozent in China. Diesen Rückfall wollen die Monopole um jeden Preis wieder wettmachen. Mit imperialistischen Kriegen wie in der Ukraine oder in Gaza wird die Umweltzerstörung weiter auf die Spitze getrieben. Die Ukraine geht jetzt zum Angriff auf Ölraffinerien in Russland über, was genauso zu großflächiger Verseuchung führt wie der Bomben- und Panzerkrieg in der Ostukraine.


„Green Deal“ – Subventionsprogramm für Monopole


BussinessEurope beklagt, dass die EU in den letzten „fünf Jahren ... auf die Regulierung der grünen und digitalen Transformation fokussiert“ war. Diese Regulierung umfasste aber bereits gigantische Subventionen und Geschäfte für die Monopole. So flossen allein 750 Milliarden Euro aus dem Investitionsprogramm „NextGenerationEU“. CO2-Zertifikate beziehungsweise „Verschmutzungsrechte“ gab es kostenlos für die größten industriellen Umweltzerstörer. Doch sie verlegten die umweltschädlichste Produktion kurzerhand ins Ausland, um dann glänzende Geschäfte mit dem Verkauf ihrer „Verschmutzungsrechte“ zu machen.


Schon in den letzten Jahren wurde die Rückwärtsrolle bei den ohnehin bescheidenen Umweltschutzmaßnahmen verschärft. Die Automonopole lehnten neue Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub auf Basis der WHO-Grenzwerte als „unzumutbar“ ab und drohten mit Arbeitsplatzvernichtung. Die EU verwässerte daraufhin die Grenzwerte und vertröstete auf ein „schadstoffreies Europa“ bis 2050. Beim Schutz der Arten und Böden ruderte die EU nach der Blockade einer reaktionären Allianz, gesteuert durch Agrar- und Chemiekonzerne, ebenfalls zurück.

 

Doch auch das reicht den Monopolen nicht. Manfred Weber, Fraktionschef der reaktionären EVP, hat ihre Forderungen erhört: „Beispielsweise war die Entscheidung, den Verbrennungsmotor zu verbieten, aus unserer Sicht eine Fehlentscheidung. Und wenn wir Mehrheiten haben, werden wir diese Fehlentscheidung in der nächsten Legislaturperiode rückgängig machen.“


„Ideologiefreie“ Verdammung jedes Umweltschutzes?

 

Zum offenen Fürsprecher des geforderten umweltpolitischen Kahlschlags machen sich ultrareaktionäre bis faschistische Kräfte im EU-Parlament. So fordert die AfD in ihrem Europawahlprogramm: „Abschaffung aller Klimagesetze auf nationaler und europäischer Ebene sowie Stopp ... anderer CO2-Reduktionspläne der Brüsseler Bürokraten.“ Die „ideologische Energiepolitik“ der EU mache „Strom, Mobilität, warme Wohnungen und Nahrung für die Bürger zum Luxus“. Es ist aber nicht die Umstellung auf erneuerbare Energien, die die Inflation befördert, es sind die Preistreiberei der Konzerne und die Abwälzung der Folgen der Umweltkrise durch CO2-Steuern auf die Massen. Während die gesamtgesellschaftlichen Kosten für Atomstrom 2021 bei 37,8 Cent pro Kilowattstunde lagen, waren es bei Braunkohle 25,5 Cent, bei Steinkohle 23,3 Cent, bei Solarstrom 22,8 Cent und bei Windenergie (onshore) 8,8 Cent pro Kilowattstunde.6


Die AfD und ihre europäischen Bündnispartner missbrauchen die berechtigte Kritik an den unsozialen CO2-Steuern, um Stimmung gegen jeden Umweltschutz zu machen. „Ideologiefrei“ ist das nicht. Sie sind vielmehr getrieben von rückschrittlicher Wissenschaftsfeindlichkeit und massenfeindlicher Leugnung der begonnenen globalen Umweltkatastrophe - im Interesse derjenigen Teile des Finanzkapitals, die an der Förderung und Verbrennung fossiler Energieträger profitieren.


Keine Stimme verschenken!


Ein Drittel der Unter-30-Jährigen hat 2019 die Grünen gewählt. Die Enttäuschung ist groß. Doch es gibt nicht zuletzt in der Umweltbewegung auch noch Hoffnungen, dass sie zumindest das Schlimmste verhindern. Im Aufruf zum „Klimastreik“ am 31. Mai warnen die Organisatoren von „Fridays for Future“: „Doch jetzt droht ein anti-ökologischer Rechtsruck.“ Dagegen machen sie nicht nur auf der Straße mobil, auch das richtige Kreuz bei der „Klimawahl“ soll dabei helfen. Mit den Grünen im Parlament den „Rechtsruck“ verhindern? Diese Taktik schlägt in Deutschland längst fehl. Es ist die Ampelregierung mitsamt den Grünen, die den „anti-ökologischen Rechtsruck“ auf leisen Sohlen durchsetzt.


Dass die Umweltfrage im Wahlkampf der bürgerlichen Parteien mehr denn je ausgeblendet wird, trägt teilweise auch unter der Masse der Bevölkerung zu ihrer Unterschätzung bei. Umso dringlicher ist die Bewusstseinsbildung über die dramatische Entwicklung des Beginns einer globalen Umweltkatastrophe. Aber auch darüber, dass diese nicht „abgewählt“, sondern nur durch die Erkämpfung vereinigter sozialistischer Staaten der Welt abgedämpft, teilweise auch gestoppt und umgekehrt werden kann.


Das stellt die MLPD mit der Verbreitung des Buchs „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ ins Zentrum ihrer Kleinarbeit im Rahmen des Wahlkampfs der Internationalistischen Liste/MLPD. Das Buch macht Hoffnung mit einem detaillierten Plan zum Kampf für Sofort- und Schutzmaßnahmen, die teilweise heute schon erkämpft, im Sozialismus aber umfassend verwirklicht werden können. Deshalb unterdrücken die Herrschenden das Buch (mehr auf Seite 26/27). Die MLPD wird die Steilvorlage der Zensur gegen dieses Buch erst recht für eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber nützen. Wer das fördern will, sollte der Internationalistischen Liste/MLPD die Stimme geben, statt diese an Gesundbeter des Kapitalismus wie die Grünen, die Linkspartei oder das „Bündnis Wagenknecht“ zu verschenken.