Rote Fahne 08/2024

Rote Fahne 08/2024

Leipziger Buchmesse: Großes Lesefest, Politisierung und sozialistische Perspektive beim Verlag Neuer Weg

Die Leipziger Buchmesse, begleitet vom Lesefest „Leipzig liest“, der Manga-Comic-Con und der Antiquariatsmesse, gehört zu den größten Branchentreffen von Verlagen, Autoren, Buchhändlern. Sie ist durchgängig für das breite Publikum geöffnet. Das macht bei aller Geschäftemacherei und bürgerlicher Kultur eine aufgeschlossene, interessierte, unterhaltsame und fröhliche Atmosphäre aus

Von hi / gis
Leipziger Buchmesse: Großes Lesefest, Politisierung und sozialistische Perspektive beim Verlag Neuer Weg
Leipziger Buchmesse - aufgeschlossene unterhaltsame Atmosphäre Foto: RF

Die Bevölkerung hat die Leipziger Buchmesse ins Herz geschlossen. Nicht nur Schulklassen kommen gemeinsam, auch Familien, Nachbarn, Frauengruppen. Das war auch in der DDR so, in der Literatur finden sich dazu zahlreiche Beispiele. Westdeutsche Verlage unterhielten einen Gemeinschaftsstand und es gab einen Austausch zwischen BRD- und DDR-Literatur.

Buchpreis für Omri Boehm

Traditionell startet die Buchmesse am Mittwochabend im Gewandhaus zu Leipzig mit der Verleihung des „Leipziger Buchpreises zur europäischen Verständigung“. Es gibt ihn seit 1994. Die Stadt Leipzig, der Freistaat Sachsen, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Leipziger Messe entscheiden in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Noch selten hat ein fortschrittlicher Mensch diesen Preis bekommen.


Heuer ging er an den israelisch-deutschen Philosophen Omri Boehm. Vor dem Gewandhaus, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz die Buchmesse eröffnete, protestieren mutige Frauen mit Transparenten und Schildern gegen den Völkermord in Gaza und für die Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Sie erklären uns, dass sie das wegen Scholz tun, nicht gegen den Preisträger, im Gegenteil. Sie haben auf ihre Schilder Zitate von Omri Boehm geschrieben, darunter: „Wenn wir Israelis nicht die Verantwortung für das Verbrechen der ethnischen Säuberung übernehmen, dann werden die gegenwärtigen politischen Entwicklungen dazu führen, dass wir es wiederholen.“ Es ist zweifellos ein Zugeständnis an den fortschrittlichen Stimmungsumschwung, dass der Preis nicht an einen reaktionären Vertreter des Zionismus ging.


Boehm tritt für ein gleichberechtigtes, friedliches und freundschaftliches Zusammenleben von Juden und Palästinensern in einem Staat ein. Weltanschaulich beschreitet er mit seinem zentralen Begriff „Radikaler Universalismus“ jedoch idealistische Abwege. Mit seiner Behauptung, der Universalismus werde von „rechten und linken Identitäten“ bedroht, wendet er sich der reaktionären Totalitarismus-Theorie zu. So würdigt er auch deren Vertreterin Hannah Arendt positiv. Dazu malt er ein falsches Bild davon, was „links“ ist. Die Interessen einzelner unterdrückter Gruppen besonders herauszuheben, ist nicht links, sondern untergräbt den gemeinsamen Kampf. Die Arbeiterbewegung zielt nicht auf Abspaltung. Seine Ignoranz gegenüber dem Marxismus-Leninismus ist ein großes Handicap von Omri Boehm.


Erfreulich war, dass die Antisemitismuskeule gegen die Buchmesse gescheitert ist. Zwar rief die Preisvergabe an Omri Boehm sogleich die Hetze in der Neuen Zürcher Zeitung auf den Plan, jüdische Intellektuelle sollen doch endlich ihre Kritik an der israe­lischen Politik unterlassen. Aber auf der Messe selbst unterblieb das hysterische Geschrei.

Antifaschistische Bewegung wichtiges Thema – Umweltkatastrophe heruntergespielt


Es gab viele schöpferische und interessante Beiträge auf dieser Buchmesse. Leider haben etliche Krimi-Autorinnen ihre frühere Angriffslust eingebüßt. Politisch zog sich als roter Faden durch, ob sich die antifaschistische Massenbewegung weiterentwickelt und den Blick weitet oder sich an die staatstreue Leine legen lässt. Bei der Podiumsdiskussion „Journalisten gegen rechts“ platzte der Raum aus allen Nähten. Der „Correctiv“-Vertreter sprach sich dafür aus, „unsere Demokratie“ zu verteidigen. Die beiden (Investigativ-)Journalistinnen hielten von dieser nicht allzu viel und wiesen darauf hin, dass es bei der Polizei regelrechte faschistische Strukturen gäbe.

 

Für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch war ein Buch von Jens Beckert nominiert: „Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht.“ Richtig schreibt der Autor, dass die Problematik seit 30 bis 40 Jahren bekannt ist. Aber dann stellt der bürgerliche Soziologe das Ganze als Problem von Gruppen- und Einzelinteressen dar, die jeweils wirksame Maßnahmen verhindern. Die bewusste und mutwillige Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch das internationale Finanzkapital bleibt völlig im Dunkeln und die Schlussfolgerung ist Kapitulation.


Der Trend, den Bereich der Manga- und Fantasykultur auszuweiten, setzte sich fort. Die komplette Halle 3, früher Zentrum der Buchherstellung und -gestaltung, ist jetzt eine riesige Verkaufsausstellung für Cosplay-Zubehör. Andererseits: Die antiquarische Literaturmeile ist zurück! Lange Regalbretter voll mit wirklicher Weltliteratur zu erschwinglichen Preisen. Vor allem Jugendliche machen Gebrauch von diesem Angebot.

Durchblick und Perspektive beim Verlag Neuer Weg

Wie schon auf Rote Fahne News berichtet, standen Jugendliche zeitweise auch beim Stand des Verlags Neuer Weg Schlange. Zur Buchvorstellung von „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“ im Fachforum Sachbuch kamen 100 Besucherinnen und Besucher. Der Auftritt des Verlags Neuer Weg war einzigartig. Nirgends sonst gab es eine Antwort auf die brennende Menschheitsfrage, wie unsere Lebensgrundlagen angesichts der begonnenen globalen Umweltkatastrophe gerettet werden können. In hunderten Gesprächen stand im Mittelpunkt, dass der Kampf um den Sozialismus auf der Tagesordnung steht und warum der Sozialismus „echt“ sein muss.

 

Bilanz des Verlags Neuer Weg: Viele Diskussionen zum Sozialismus und wachsende Offenheit dafür