Rote Fahne 08/2024
„Freies“ Internet? Wie TikTok, Facebook oder YouTube uns manipulieren wollen
Scrollen, swipen, posten, liken ... mit diesen Handgriffen und Begriffen wachsen heute schon die Kleinsten auf.
Rund 90 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nutzen regelmäßig „soziale Netzwerke“ wie Instagram, Snapchat, Pinterest oder TikTok.¹ Auch unter Erwachsenen lösen Facebook, YouTube oder Telegram andere Medien zunehmend als hauptsächliche Informationsquelle ab. In einem Ministerratsbeschluss der OSZE² von 2004 wurde das Internet als „offenes und öffentliches Forum für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung“ definiert. Die „sozialen Netzwerke“ sollen als Mittel dienen, „Informationen zu suchen“ und „zu erhalten“.³ Wer hier nach Informationen sucht, muss sich allerdings nicht wundern, dass revolutionäre Positionen auf den ersten Blick kaum zu finden sind, während die Narrative der bürgerlichen Meinungsmanipulation das Bild bestimmen – bis hin zu Fake News der AfD, Pornovideos und gewaltverherrlichenden Beiträgen. Wie „frei“ sind also die „sozialen Medien“?
„Soziale Medien“ ermöglichen Kommunikation in Echtzeit, Interaktion in Gruppen, Austausch von Erlebnissen und Erfahrungen. Bei YouTube gibt es zu jeder erdenklichen Frage Videoanleitungen, mit deren Hilfe man zum Beispiel technische Probleme lösen oder Gitarrespielen üben kann. Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime und Spotify bieten eine riesige Auswahl an Unterhaltung: Von Serien, Blockbustern, Podcasts bis hin zu aufklärerischen, fortschrittlichen Dokumentionen. Videospiele wie „Super Mario 3D“ machen nicht nur Spaß, sie fördern teilweise auch Reaktions- und Kooperationsvermögen.⁴
Gegenüber den positiven Potenzialen treten heute aber ihre destruktiven Seiten in den Vordergrund. Vor allem Jüngere werden zu ausuferndem und unkritischem Umgang mit den „sozialen Medien“ – bis hin zur Abhängigkeit – verleitet. Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren verbringen durchschnittlich zweieinhalb Stunden pro Tag damit. Jede(r) vierte verwendet sogar mehr als vier Stunden dafür. Knapp ein Viertel bekommt deshalb manchmal, häufig oder sogar sehr häufig zu wenig Schlaf.⁵
Wie „sozial“ sind die „sozialen Medien“?
In einem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung ist zu lesen: „‘Sozial’ sind diese Medien, weil sie den schnellen Austausch von Informationen und Meinungen zwischen Nutzer/innen möglich machen.“⁶ Ein Hauptgrund für ihre wachsende Verbreitung ist tatsächlich, dass sie von den meisten Menschen als Kommunikationsmittel angesehen werden, über das sie selbst bestimmen. Doch die Abhängigkeit vieler Jugendlicher von den „sozialen Medien“ ist nicht wirklich selbstbestimmt, sondern wird von deren Anbietern ganz bewusst gefördert.
Das läuft zum Beispiel über das Gefühl, nicht alles mitzubekommen und nicht mitreden zu können, wenn man nicht ständig bei Instagram oder TikTok reinschaut. Fakt ist: Man kann sich dort so lange tummeln wie man will und bekommt trotzdem kaum etwas von dem mit, was auf der Welt tatsächlich wichtig ist. Die „sozialen Medien“ lenken vielmehr ab von der gesellschaftlichen Realität, gewöhnen die Nutzer an Oberflächlichkeit, Sprunghaftigkeit und einseitig gefühlsmäßiges Denken und Handeln.
Zu den übelsten zersetzenden und dekadenten Erscheinungen der „sozialen Medien“ gehören ätzendes Cybermobbing, Pornovideos und Gewaltverherrlichung. Kinder sind heute im Durchschnitt elf bis zwölf Jahre alt, wenn sie das erste Mal ein Pornovideo sehen.⁷ Fast jede(r) fünfte Jugendliche war schon von Mobbing in Form von Beleidigung, Belästigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Ausgrenzung im Internet betroffen.⁸ Killervideospiele führen zur Abstumpfung gegenüber Gewalt und setzen die Hemmschwelle für echte Gewalt herab. Sie dienen damit auch der militaristischen Beeinflussung der Jugend. Die Entwickler solcher Spiele arbeiten teilweise eng mit dem Militär zusammen.⁹ All das ist weder sozial noch dient es dem harmlosen „Informationsaustausch“ – es zielt auf die offen reaktionäre bis faschistische Spaltung und Verrohung der Jugend.
Wachsende Kritik an der Abhängigkeit von Facebook und Co.
An der Abhängigkeit von „sozialen Medien“ und Smartphones wächst die Kritik. Nicht wenige Menschen verordnen sich deshalb „digitale Auszeiten“. Notwendig ist aber auch die kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten und Methoden der Manipulation unserer Denkweise, wie sie gerade in den „sozialen Medien“ stattfindet. Wenn man Selfies bei jeder Gelegenheit aufnimmt und postet, dreht man sich nur noch um das eigene Erleben oder Aussehen, statt dies objektiv in den sozialen Zusammenhang einzuordnen. Die meisten „Challenges“¹⁰ bei TikTok sind abartige Mutproben, losgelöst von jeder sinnvollen gesellschaftlichen Betätigung – manche wie die „Hot Chip-Challenge“ sind lebensgefährlich. Gebraucht wird heute vor allem Rebellion gegen die herrschenden Zustände. Um sie zu fördern, bilden die MLPD und ihr Jugendverband REBELL Jugendliche und Erwachsene für die dialektische Herangehensweise an die komplizierte Wirklichkeit aus.
„Frei entscheiden“, was man macht oder anschaut?
Die OSZE träumt allen Ernstes davon, dass „soziale Netzwerke … zum Mittel für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Medienfreiheit werden“ könnten.¹¹ Tatsächlich verleitet die große Auswahl an Angeboten dieser Netzwerke zur Annahme, man könne sich „unabhängig“ und „frei“ informieren und individuell kommunizieren.
In Wirklichkeit haben sich die herrschenden Monopole auch „das Internet als neue wirksame Methode der Massenbeeinflussung nahezu vollständig untergeordnet“.¹² Die fünf führenden Techgiganten Alphabet, Meta, Amazon und Microsoft und andere kontrollieren die meistgenutzten Plattformen und Onlinedienste. In den Chefetagen dieser Konzerne wird vorgegeben, was für Inhalte produziert und wie sie verbreitet werden. Bei TikTok und Co. werden gezielt bestimmte Videos, Filme und Serien gepusht oder auch unterdrückt. Auf TikTok erreicht die AfD mehr als dreimal so viele Accounts wie alle anderen Parteien im Bundestag zusammen.¹³ Die Verbreitung von Beiträgen der MLPD wird dagegen im Internet durch verschiedene Mittel systematisch behindert (siehe Seite 24).
Nicht zuletzt sind die „sozialen Medien“ ein Tummelplatz der Geheimdienste, die mit den Betreiberkonzernen eng zusammenarbeiten. Sie ermöglichen die fast lückenlose und massenhafte Überwachung des persönlichen Verhaltens und der sozialen Kontakte der Nutzer (mehr auf Seite 19). Gefährlich wird das vor allem dann, wenn sich regierungskritische und fortschrittliche Bewegungen oder Organisationen über solche Medien unbekümmert organisieren. So haben Revolutionäre in der Türkei und vielen anderen Ländern mehrfach die bittere Erfahrung gemacht, wie nach intensiver Ausspähung ganze Strukturen zerschlagen oder Aktivisten gezielt liquidiert wurden. Um revolutionäre Bewegungen zu behindern und zu unterdrücken, wird in vielen Fällen – wie zuletzt im Iran – das Internet kurzerhand abgeschaltet.
Das fortschrittliche Potenzial nutzen
Das zeigt, welche Wachsamkeit im Umgang mit dem Internet und den „sozialen Medien“ notwendig ist. Für die selbständige Orientierung braucht es heute vor allem den Zusammenschluss in kämpferischen Organisationen in Wechselwirkung mit der marxistisch-leninistischen Kleinarbeit der MLPD und der Nutzung fortschrittlicher Medien. Dazu gehören echte Freundschaften, gemeinsames Feiern, solidarischer Zusammenhalt, Diskussions- und Bildungsveranstaltungen, Sport und körperliche Betätigung bei Einsätzen im Dienst des Volks – statt vor allem zuhause herumzuhängen und über das Internet zu kommunizieren. Das bestärkt die revolutionäre Zuversicht, dass auch die ganze Gesellschaft – im echten Sozialismus – auf dieser Grundlage aufgebaut werden kann. Persönlich und ganz unvirtuell kennenlernen kann man eine solche Kultur auf dem überparteilichen Internationalen Pfingstjugendtreffen am 18./19. Mai in Truckenthal (Thüringen) sowie bei den Sommercamps des REBELL.