Rote Fahne 06/2024

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„Erinnern heißt kämpfen!“ - Gedenken an kommunistische Widerstandskämpferin

Anfang Dezember war es soweit: Vor ihrem letzten Wohnhaus in Berlin-Moabit fand die feierliche Gedenkstunde für Ottilie Pohl statt.

Von Korrespondenten aus Berlin
„Erinnern heißt kämpfen!“ - Gedenken an kommunistische Widerstandskämpferin
(foto: RF)

In klirrender Kälte hörten 30 bis 40 Leute dem kleinen selbstgestalteten Programm zu. Sie kamen aus Stadtteil­initiativen wie Omas gegen rechts, Sozia­le- und Nachbarschaftseinrichtungen, einer Kirchengemeinde, Frauenverband Courage, frauenbewegte Historikerinnen und „Sie waren Nachbarn“. Die MLPD war die einzig vertretene Partei, obwohl Linke und Grüne ihre verhaltene Unterstützung in Worten bekundet hatten. Eine „alternative Gedenktafel“ wurde als Plakat am Haus angebracht. Dies war der eigentliche Anlass für die MLPD-Wohngebietsgruppe gewesen: Die offizielle Gedenktafel war vor Jahren spurlos verschwunden. Wir kämpfen für eine neue Tafel. So kam der Stein ins Rollen, wenn auch zunächst langsam

Wer war Ottilie Pohl?

Geboren 1867, Arbeiterin, Angestellte, jahrzehntelang engagierte Kommunistin, zunächst in der noch revolutionären SPD, dann USPD. Für diese saß sie 1919/20 in der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Später trat sie der Kommunistischen Partei bei und wurde Mitglied der Roten Hilfe. Sie engagierte sich besonders in der Sozial- und Schulpolitik. Früh verwitwet schlug sie sich mit zwei Kindern allein durch. Ottilie war von Beginn ihrer politischen Arbeit Unterdrückung und härteste Kämpfe mit der Staatsmacht und politischen Gegnern gewohnt. Dann wurden die Faschisten an die Macht gehievt.


Und Ottilie Pohl leistete Widerstand – gemeinsam mit einer großen Gruppe von Frauen aus der Arbeiterbewegung.


Nach den Massenverhaftungen von 1933/34 sammelte die „Rote Hilfe“ Geld, Kleider und Lebensmittel für die vielen gefangenen Genossen. In der gesamtem NS-Zeit wurde jeder zweite Kommunist verhaftet, insgesamt sollen es etwa 150.000 Menschen gewesen sein.


Die Rote Hilfe Moabit traf sich oft zum „Kaffeeklatsch“ oder in Gartenlauben, was auch eine gute Tarnung war. Die Gruppe unterstützte die Opfer der Nazi-Verfolgung, sammelte Geld für die Angehörigen der Inhaftierten und half untergetauchten Widerstandskämpfern. Ottilie Pohl kam mehrere Monate ins Gefängnis. Kaum entlassen, nahm sie die illegale Arbeit mit 74 Jahren wieder auf. 1943 wurde sie, die Kommunistin jüdischer Herkunft, wieder verhaftet, ins KZ Theresienstadt deportiert und dort umgebracht. Am 2. Dezember 2023 war ihr 80. Todestag.

Was war das Bemerkenswerte?


Ottilie Pohls Leben war eng verbunden mit Genossinnen und Genossen, mit Nachbarinnen und Nachbarn in Moabit, mit dem ganzen Alltag der Menschen. Ihre Weltanschauung als Kommunistin und diese Verbindung mit den Menschen waren eine wichtige Basis für den späteren Widerstand gegen den Hitlerfaschismus. Denn nur mit Zusammenhalt und Solidarität, mit unbedingter Verlässlichkeit und Verschwiegenheit konnte man der brutalen Unterdrückung standhalten und sogar aktiven Widerstand leisten. Das ging auch über Parteigrenzen hinweg.


Der Widerstand der Frauen im Faschismus wird nur zu oft unterschätzt. Der Kreis um Rosa Lindemann, Ottilie Pohl , Martha Krüger und andere linderte manches Leid und rettete Leben. Darüber hinaus klärten sie die Bevölkerung unter den Bedingungen der Illegalität – so gut es ging – über den Hitlerfaschismus auf, verteilten Flugblätter mit selbst verfassten Gedichten und stärkten den Widerstand. Das „Netzwerk Ottilie Pohl“ will sich jetzt um die Ehrung des organisierten Arbeiterinnenwiderstands in Moabit bemühen und natürlich weiter für einen würdigen Gedenkort kämpfen.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Antikommunismus in der Gruppe „Netzwerk Ottilie Pohl“ gegenüber der MLPD trat zwar auf, konnte sich aber nicht durchsetzen. Es gab Vorbehalte gegenüber der MLPD – zum Beispiel, ob wir „dominieren“ könnten. Wir erreichten aber eine solidarische und zuverlässige Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Die MLPD-Vertreterin wurde als Hauptrednerin des Netzwerks gewählt. Ein junger REBELL erstellte die Grafik für das Plakat mit dem Bild von Ottilie.


Die MLPD hatte ursprünglich die Initiative ergriffen, Unterschriftensammlungen, Parlamentsanfrage, Petition, Aufkleber usw. verbreitet und dann die Aktionseinheit angeschoben. Wir waren selbst überrascht über die gute Resonanz. Dass wir uns teilweise durch die Stadtteilarbeit und Frauenaktivitäten kannten, legte eine Vertrauensbasis und unterstreicht, wie wichtig es ist, sich in einem Wohngebiet zu engagieren.

 

Der Faschismus kommt nicht aus den Köpfen der Massen, sondern ist die offen terroristische Herrschaft des aggressivsten Teils des Monopolkapitals – das müssen wir in unserer antifaschistischen Arbeit besser klarmachen. Einig war sich die Aktionseinheit darin: Uns treibt nicht nur die Vergangenheit an, sondern ein Gedenken im Sinne unseres Mottos: „Erinnern heißt kämpfen!“ Wir verstehen dies als Auftrag, uns auch heute entschieden faschistischen Strömungen in der Gesellschaft entgegenzustellen.