Rote Fahne 05/2024

Rote Fahne 05/2024

Deutschland auf dem Weg zur „Kriegstauglichkeit“?

„Irgendwo gibt es einen Silberstreif. Aber wir wissen noch nicht, wo er ist.“¹ So eröffnete Christoph Heusgen, der Leiter der Münchner „Sicherheitskonferenz“, die diesjährige Tagung der imperialistischen NATO- Kriegstreiber. Gefunden wurde der Silberstreif des Auswegs aus der offenen Weltkrise des imperialistischen Weltsystems dort allerdings nicht. Die Tagesschau stellte ernüchtert fest, dass „vielen Teilnehmern in diesem Jahr am Ende eher Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben stand“.²

Von fh
Deutschland auf dem Weg zur „Kriegstauglichkeit“?
Foto: wirestock / freepik

Ratlos sind die bei der „Sicherheitskonferenz“ versammelten Spitzenpolitiker vor allem angesichts von immer mehr gesamtgesellschaftlichen Krisen auf der Welt. Im Ukrainekrieg ist die groß angekündigte Offensive der ukrainischen Armee gescheitert und hat sich „an der Ostfront das Blatt der Kriegsführung zugunsten Russlands gewendet“, wie selbst der EVP³-Vorsitzende Manfred Weber kleinlaut zugeben muss. Innenpolitisch nimmt sowohl in Russland wie auch in der Ukraine die Kriegsmüdigkeit unter der Bevölkerung zu und bricht sich verstärkt der Protest Bahn. So protestieren in beiden Ländern Soldatenfrauen für die Rückkehr ihrer Männer von der Front.

 

„Unter den kriegführenden Parteien beider Seiten nehmen nervöse Versuche zu, aus dem Dilemma herauszukommen“, so qualifiziert Gabi Fechtner im Interview mit der Roten Fahne diese Entwicklung. Massive Widersprüche brechen innerhalb der herrschenden Klasse der Ukraine auf, sichtbar im Eklat zwischen Präsident Wolodomyr Selenskyj und dem entlassenen Oberkommandierenden der ukrainischen Armee, Waleri Saluschnyj. Dieser forderte eine strategisch defensive Kriegsführung und die Forcierung des Einsatzes von Drohnen zur Vermeidung von Verlusten, während Selenskyj und Co. uneingeschränkt an den maximalen Kriegszielen festhalten.

Alles nur „Abschreckung“?

Gerechtfertigt wird das damit, dass nur so Russland vom Angriff auf weitere westliche Länder abgehalten werden könne. Umgekehrt begründet Putin das Festhalten an seinen Kriegszielen ebenfalls mit der drohenden Aggression der NATO. Verschwiegen oder geleugnet wird in den westlichen Medien, dass die NATO seit dem Zerfall der Sowjetunion ihren Einflussbereich systematisch bis an die Außengrenzen Russlands ausgedehnt hat – entgegen aller anderslautenden Abkommen und Versprechungen. Massiv nachgeholfen wurde auch bei der Ablösung des russlandfreundlichen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch durch westlich orientierte Nachfolger im Jahr 2014 im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten. Dabei ging es nie um „Freiheit“ für die ukrainische Bevölkerung, sondern den möglichst freien Zugriff der westlichen Imperialisten auf den Rohstoff- und Arbeitskräftereichtum der Ukraine sowie ihre Eignung als Aufmarschgebiet gegen Russland.

 

Deutschland ist mit insgesamt 28 Milliarden Euro an Zahlungen für die Ukraine nach den USA bereits zweitgrößter Finanzier und -Waffenausrüster geworden. Das gegenwärtige Großmanöver „Steadfast Defender“ mit 90.000 Beteiligten unter hauptsächlicher Regie Deutschlands mit der Erprobung von gleichzeitigen Kampfhandlungen entlang der gesamten NATO-Grenze zu Russland ist alles andere als „defensiv“ ausgerichtet. Es entspricht vielmehr dem Szenario eines beginnenden Weltkriegs. Das geht einher mit der Verstärkung der Ambitionen eines eigenständigen imperialistischen EU-Blocks. Der deutsche Imperialismus drängt wesentlich darauf, was bereits bis zu Forderungen eines eigenen „atomaren Schutzschilds“ zusammen mit Frankreich geht.

Zwei Prozent? „Natürlich brauchen wir mehr ...“

In seiner mitreißenden Art wirbt Bundeskanzler Olaf Scholz für seinen Kriegskurs: „Dieser Krieg mitten in Europa verlangt uns einiges ab. Geld, das wir jetzt und in Zukunft für unsere Sicherheit ausgeben, fehlt uns an anderer Stelle.“⁴ Die meisten Menschen unterschätzen, was die 2 Prozent bedeuten, auf die der Militärhaushalt gesteigert werden soll. Spontan beziehen sie das meist auf den Bundeshaushalt. Die NATO fordert aber eine Steigerung auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das betrug 2023 in Deutschland 4120 Milliarden Euro. 2 Prozent davon sind 82,4 Milliarden, was 18 Prozent des Bundeshaushalts von 2023 in Höhe von 457,1 Milliarden Euro entspricht, und den gegenwärtigen Militärhaushalt von 73,4 Milliarden noch erheblich übersteigen würde. Aber die Kriegsrüstung soll nicht bei diesen 2 Prozent halt machen. „Natürlich brauchen wir mehr“⁵, erklärte Pistorius kürzlich in München. Er erwartet einen Anstieg auf 3 oder 3,5 Prozent. Das wären im Jahr 2027 etwa 166 Milliarden Euro⁶, also 36,6 Prozent des heutigen Bundeshaushalts.

 

Dieser Kurs bedeutet eine gewaltige Verschärfung der Klassenwidersprüche. Jeder kann sich ausrechnen, dass dies einhergehen wird mit Versuchen, Umweltstandards zusammenzustreichen, Sozialleistungen weiter zu kürzen, das Bildungs- oder Gesundheitswesen noch mehr zu verschlechtern. Das führende militaristische Magazin „Europäische Sicherheit & Technik“ ist da ganz offen: „Der einzige Posten im Bundeshaushalt, der die Masse dieses zusätzlichen Bedarfes decken könnte, ist der des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Debatte wird sich also um die Streichung von Sozial-Ausgaben für Militär und Rüstung drehen.“⁷

Aktiver Widerstand ist nötig!

In ihrer Zeitung UZ vom 23.3.2023 verklärte die revi­sionistische DKP die Tendenz zu „Multipolarität“ als „eine Etappe, die möglicherweise den Weg“ zum Sozialismus öffne. Tatsächlich ist die heutige Multipolarität der imperialistischen Mächte kein zukunftsweisendes oder friedenstiftendes Konzept, sondern verschärft im Gegenteil die zwischenimperialistischen Widersprüche massiv. Die brisante Gefahr des letztlich kriegerischen Austragens dieser Widersprüche drückt sich in derzeit 50 gefährlichen Kriegen und Kriegsbrandherden auf der Welt aus, laut dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte „so viele wie seit 1945 nicht mehr“.

 

Unter vielen Arbeiterinnen und Arbeitern sowie unter den breiten Massen wird die gefährliche Kriegstreiberei des deutschen Imperialismus unterschätzt. Kräfte der alten Friedensbewegung tragen dazu bei, indem sie sich entweder dem russischen oder dem europäischen Imperialismus unterordnen. Umso wichtiger ist die Stärkung der neuen Friedensbewegung – die sich gegen alle imperialistischen Mächte richtet. Die AfD versucht sich als Friedenskraft zu inszenieren, ist aber eine aggressive Kriegspartei! Sie ist für Aufrüstung und vertritt die Teile der Herrschenden, die für die Weltkriegsvorbereitung das Bündnis der EU mit Russland suchen (mehr auf Seite 21).

Morgenröte statt Silberstreif

Während bei der „Sicherheitskonferenz“ vergeblich der Silberstreif gesucht wurde, gab es bei der Anti-SiKo-Demonstration in München und bei den Aktionen am Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine am 24. Februar positive Antworten der MLPD. Entsprechend der Losung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ unterstützte sie den Widerstand sowohl gegen Russland wie auch gegen die NATO an der Seite der Ukraine. Und sie zeigte sich solidarisch mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes gegen die brutale Kriegsführung der israelischen Armee in Gaza, aber auch gegen dessen Missbrauch durch die faschistische Hamas.

 

Angeboten wurde unter anderem das Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“. Denn nur der echte Sozialismus auf Grundlage der proletarischen Denkweise kann eine friedliche und gerechte Weltordnung errichten.

 

Der Kampf gegen den forcierten Kriegskurs der EU und der Bundeswehr wird ein zentrales Thema des Europawahlkampfs der Internationalistischen Liste/MLPD sein.