Rote Fahne 02/2024
„Wagenknecht“-Partei: Wofür steht sie?
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) hat seine Parteigründung am 8. Januar nun offiziell vollzogen. Wagenknecht will damit „den Grundstein für eine Partei legen, die das Potenzial hat, das bundesdeutsche Parteienspektrum grundlegend zu verändern und vor allem die Politik in unserem Land grundsätzlich zu verändern“.¹ Ein hehrer Anspruch, der große Hoffnungen wecken soll. Die Realität des neuen Projekts fällt weit dahinter zurück
Die Partei wird von einer Doppelspitze der ehemaligen „Linken“-Politikerinnen Sahra Wagenknecht und Amira Mohammed Ali geführt. Christian Leye, Lukas Schön sowie der IT-Unternehmer Ralph Suikat wurden auf der Gründungspressekonferenz als weitere Vorstandsmitglieder vorgestellt. Die Partei hat insgesamt 44 handverlesene Gründungsmitglieder.
Bis zum ersten Parteitag am 27. Januar 2024 sollen es einige Hundert Mitglieder werden. Programmatische Entscheidungen soll dieser aber nicht treffen.
Parteigründung von oben
Ein Parteiprogramm soll gestützt auf die Mitglieder in einem längeren Prozess erarbeitet werden. Hört sich erst mal gut an. Aber bis dahin gilt einstweilen das im Oktober von Wagenknecht im Alleingang vorgestellte „Manifest“ in unwesentlicher Überarbeitung. Die Führung des Vereins BSW um Wagenknecht hat die Parteigründung von Anfang an strikt zentralistisch von oben nach unten vorbereitet. Da es keine Basisgruppen gibt, kann man die Mitgliedschaft nur beim Vorstand beantragen, der ausdrücklich zustimmen muss. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei im Zuwachs durch prominente „Zugpferde“ wie den Düsseldorfer Ex-OB Thomas Geisel (bisher SPD).
Welch Unterschied zum demokratisch-zentralistischen Gründungsprozess der MLPD! Über viele Jahre wurden die ideologischen, politischen und organisatorischen Voraussetzungen systematisch geschaffen – die Gewinnung neuer Mitglieder konzentrierte sich auf Industriearbeiter. Die Mitglieder und Delegierten der Vorläuferorganisation berieten über Monate die Dokumente des Gründungsparteitags im Jahr 1982 – Parteiprogramm, Statut, Richtlinien der Kontrollkommissionen – teilweise gemeinsam mit Freunden und Sympathisanten. Das hatte Hand und Fuß und schuf die Grundlagen für den über 40-jährigen erfolgreichen Aufbau der MLPD als revolutionärer Arbeiterpartei neuen Typs. Sahra Wagenknecht geht es dagegen in erster Linie um parlamentarische Erfolge für ihren x-ten Neuaufguss eines Projekts der Reformierung des Kapitalismus.
Gegenprogramm zu sozialistischer Alternative
Das ist ein regelrechtes Gegenprogramm dazu, der wachsenden Suche der Menschen nach einer Alternative zum Kapitalismus eine fundierte Antwort zu geben und dem Sozialismus ein neues Ansehen zu verschaffen. Das ist wohl auch der Hintergrund für die große mediale Aufmerksamkeit, die diesem Projekt zuteil wird. Das Gründungsmanifest enthält durchaus richtige sozial- und gesellschaftspolitische Anliegen. Hier können sich Berührungspunkte für eine Zusammenarbeit ergeben. Allerdings sind sie oft eher schwammig formuliert: „Um Lohndrückerei zu verhindern, sollte die Tarifbindung wieder gestärkt und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert werden.“ Das so etwas aber durch die Arbeiterklasse erkämpft werden muss – dazu kein Wort!
Vor allem ist das Manifest ein Sammelsurium illusionärer Reformwünsche, die man zum großen Teil bei der Linkspartei, der SPD oder gar der CDU schon gelesen hat. Da wird eine „innovative Wirtschaft mit fairem Wettbewerb, … einem gerechten Steuersystem und einem starken Mittelstand“ angestrebt. „Innovativ“ ist der staatsmonopolistische Kapitalismus aber nur, wenn es um die Steigerung der Maximalprofite internationaler Konzerne geht – unter anderem durch die Erdrückung des „Mittelstands“ – oder um eine wachsende staatliche Umverteilung zu deren Gunsten.
Nicht einmal das Wort „Sozialismus“ kommt vor
Selbst das Wort „Sozialismus“ sucht man vergeblich. Das höchste der Gefühle ist „eine Gesellschaft, in der das Gemeinwohl höher steht als egoistische Interessen“. Wie das angesichts der Alleinherrschaft des internationalen Finanzkapitals über die ganze Gesellschaft bewerkstelligt werden soll, verrät das Manifest allerdings nicht.
Das Manifest grenzt sich begrüßenswert gegen Faschismus ab. Aber es enthält auch rechte Positionen. Die Zuwanderung soll auf „eine Größenordnung begrenzt“ werden, „die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert“. Das unterscheidet sich kaum von den flüchtlingspolitischen Positionen der Regierungs- und Unionsparteien und bedeutet nichts anderes als eine Rechtfertigung für Abschreckungs- und Abschiebepolitik. Die versuchte Versöhnung solch reaktionärer Standpunkte mit einem sozialpolitisch fortschrittlichen Anspruch leistet der Querfront-Taktik Vorschub.
Die neue Partei steht für ein Sammelsurium reformistischer, revisionistischer und sozialchauvinistischer Positionen. Damit kann man eventuell zeitweise parlamentarische Höhen erklimmen. Eine echte gesellschaftliche Alternative sieht anders aus.