Rote Fahne 01/2024
„Man bestiehlt die Bergleute regelrecht“
Eugène Badibanga, Vizepräsident der Gewerkschaft FOSYCO im Kongo und Mitglied der Internationalen Koordinierungsgruppe der Internationalen Bergarbeiterkonferenz (IMC¹), berichtet über das Leben und den Kampf der Bergleute in seiner Heimat
Rote Fahne: Eugène, stellst du dich bitte kurz vor?
Eugène Badibanga: Ich bin FOSYCO-Vizepräsident und für den Bergbaubereich verantwortlich. Ich habe lange Jahre im Diamantenbergbau in Ost-Kasai gearbeitet, jetzt arbeite ich Vollzeit für unsere Gewerkschaft. Wir sind die sechstgrößte Gewerkschaft im Kongo und in allen Regionen aktiv. Bevor wir hierherkamen, waren wir in Katanga, dem größten Bergbaugebiet des Kongo.
Wie ist der Bergbau dort organisiert?
Es gibt große industrielle Minen, die sich auf Kupfer und Kobalt konzentrieren, und drumherum den handwerklichen Bergbau, wo 250.000 Bergleute arbeiten.
Dafür gibt es ein ganzes organisiertes System: Die Bergleute fördern als „Ich-AG“ und bringen ihre Mineralien zu Aufkäufern – das sind vor allem Chinesen – die wiegen sie und testen den Mineraliengehalt. Eine Mannschaft von fünf Bergleuten fördert im Monat üblicherweise rund drei Tonnen Kupfer und verdient dafür 705 Euro, also jeder 141 Euro. Der Verkaufspreis für drei Tonnen liegt aber bei 2820 Euro! Noch dazu sind die Waagen oft manipuliert, man bestiehlt die Leute regelrecht. Von den Aufkäufern geht es weiter an große internationale Konzerne.
Welche Konzerne sind in Katanga aktiv?
Früher hatten wir den Staatskonzern Gécamines mit großen strategischen Reserven. Davon hat der Staat unter Präsident Kabila den größten Anteil dem amerikanischen Konzern Tenke Fugurume Mining verkauft, und der hat ihn nach drei Jahren zum zehnfachen Preis an die Chinesen weiter verkauft. So ein Kuhhandel läuft ständig ab. Außerdem besitzt der Schweizer Konzern Glencore zwei große Minen. Selbst in den industriellen Minen sind die Löhne für die Bergleute miserabel.
Wie stehen die Arbeiter zu den chinesischen Konzernen? Hier vertreten revisionistische Parteien, dass die chinesischen Imperialisten Afrika nicht ausbeuten, sondern helfen.
Das ist falsch! Anfangs haben sie gesagt: Ihr gebt uns Mineralien und wir bauen euch dafür Infrastruktur auf. Was passierte? Die Straßen halten gerade mal ein Jahr, so schlecht sind sie gebaut. Es ist, als ob sie sich unsere Mineralien gratis nehmen. Sie reißen alles an sich, transportieren alles in Lkw ab und sondieren das dann in China. So weiß keiner, was für weitere Mineralien da eventuell noch enthalten sind – es gibt bei uns keine Weiterverarbeitung. Sie versuchen, das Land so schnell wie möglich leer zu machen, auch ohne Rücksicht auf die Umwelt.
In den Abbaugebieten gab es Dörfer und Menschen, die dort gelebt haben. Aber durch den Abbau wurden die ganzen Gewässer vergiftet, und es gibt eine ungeheure Staubentwicklung. Unter diesen Bedingungen können die Menschen dort nicht mehr leben und müssen wegziehen.
Das heißt, die chinesischen Konzerne sind unter den Arbeitern nicht beliebt?
Nein, überhaupt nicht. Traurig ist, dass unsere Regierung das alles mitmacht.
Gibt es auch Arbeiterkämpfe?
In unserem Land ist es nicht einfach, Arbeit zu finden. Deshalb akzeptieren die Leute auch schlecht bezahlte Jobs, um ihre Familie ernähren zu können. Das ist eine schwierige Bedingung für unsere Gewerkschaftsarbeit. Eine weitere ist, dass viele Unternehmen, allen voran die chinesischen, Gewerkschaften den Zutritt verbieten. Gewerkschaftsarbeit bei uns erfordert eine große Selbstlosigkeit. Denn wenn man sich einsetzt, riskiert man auch, ins Gefängnis zu kommen. In der Mine, in der ich gearbeitet habe, habe ich drei Streiks mit durchgeführt und war dafür dreimal im Gefängnis.
Mit den Bergleuten machen wir Versammlungen, Ausbildung, Bildungsabende. Aber sie sind oft ausgehungert, da muss man schon etwas finden, was anziehend ist und die Aufmerksamkeit erregt. Dann können sie auch die Botschaft aufnehmen. Es ist eine herausfordernde Arbeit.
Wie muss es nach der Konferenz weitergehen?
Die 3. Internationale Bergarbeiterkonferenz war anders als die beiden vorherigen. Nicht nur die gewachsene Teilnehmerzahl, auch das Niveau der Diskussion ist höher. Die Länderberichte waren sehr gut ausgearbeitet, und man hat gespürt, dass die Bergleute überall die gleichen Probleme haben und der Wille da ist, praktisch zusammenzuarbeiten. Ich denke, dass man die regionale Koordinierung verstärken muss, um mehr Synergien zu erzielen. Die Diskussionsführung und die gesamte Organisation der Konferenz war ausgezeichnet.
Persönlich berührt mich sehr, die ROTFÜCHSE kennenzulernen, denn sie haben mit ihren Spendensammlungen dazu beigetragen, dass wir überhaupt herkommen konnten!
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für eure Arbeit!