Rote Fahne 26/2023

Rote Fahne 26/2023

„Wir müssen eine Arbeiterbewegung mit sozialistischer Perspektive aufbauen“

Am Rande der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz (IMC) Anfang September in Thüringen sprach die "Rote Fahne" mit einem Bergmann aus Westpapua – ein Inselteil, der von Indonesien kontrolliert wird:

„Wir müssen eine Arbeiterbewegung mit sozialistischer Perspektive aufbauen“
Die Kumpel bei Freeport haben teilweise unerträgliche Arbeitsbedingungen – und wehren sich! (foto: Richarderari/CC BY-SA 4.0 Deed)

Rote Fahne: Kannst du uns über die Situation der Bergarbeiter berichten?

Bergmann: Die Arbeitsmittel wurden modernisiert. Ich hatte im Länderbericht bei der IMC darüber gesprochen, dass Freeport 120 000 Arbeiter beschäftigt, davon aber nur 6000 festangestellte. Nach Regierungsangaben gibt es offiziell 1,5 Million Beschäftigte im Bergbau, aber die Dunkelziffer ist viel höher. Der kleine handwerkliche Bergbau wird in der Statistik nicht erfasst.

 

Üblich sind Arbeitszeiten von acht Stunden am Tag. Die Firma Freeport verlangt zwölf Stunden. 2017 wurden 8300 Arbeiter bei Freeport entlassen, nachdem sie gestreikt haben.

 

Die meisten Arbeiter sind Kontraktarbeiter. Deswegen können sie auch nicht direkt gegen den Freeport-Kapitalisten kämpfen, bei dem sie arbeiten, weil sie bei einer Leiharbeits-Firma beschäftigt sind. Normalerweise beträgt die Dauer ihrer Verträge ein Jahr.

 

Dann endet der Vertrag. Erhält das Subunternehmen von der ausleihenden Firma keinen Auftrag zur Weiterbeschäftigung des Arbeiters, hat er keine Arbeit. Es ist schwierig, diese Kontraktarbeiter zu organisieren, weil sie Angst haben, dass sie nicht mehr bestellt werden, wenn sie sich organisieren.

 

Einschneidende Erfahrungen habe ich 2020 gemacht, als Covid aufkam. Damals durften die Arbeiter ihre Familie sechs Monate nicht sehen. Sie blockierten daraufhin die Straße, so dass man nicht mehr in die Fabrik kam. Sie haben die Straße zehn Tage lang blockiert.

 

Die Firma merkte, dass sie durch die Blockade Verluste einfährt, und hat daraufhin zwölf Arbeiter entlassen. Ich schätze, dass an dieser Blockade 3000 Arbeiter teilgenommen haben von verschiedenen Subunternehmen. Es beteiligten sich auch Arbeiter von Freeport.

 

Acht von ihnen bekamen drei Abmahnungen auf einen Schlag. Das bedeutet eine harte arbeitsrechtliche Maßnahme, deren Folge Versetzung ist. Sie wurden daraufhin von der Mine an den Hafen versetzt.

 

Zwölf andere Kollegen wurden sofort nach Hause geschickt und entlassen. Hier wird der Unterschied deutlich in der   >
Behandlung von Kontraktarbeitern und den festangestellten Arbeitern.

 

Ein großes Problem ist die Gesundheitsversorgung. Wenn die Arbeiter entlassen werden, haben sie überhaupt keine Gesundheitsversorgung und keine Ver­sicherung mehr. Es gibt keine Absicherungen bei Arbeitslosigkeit. Wenn wir als Kontraktarbeiter eine schwere Krankheit haben, wie zum Beispiel eine Lungen- oder Knochenkrankheit oder etwas an der Leber oder dem Herzen, dann müssen wir die Behandlung aus der eigenen Tasche bezahlen.

 

Für die Festangestellten bezahlt Freeport die Krankenversorgung und wenn nötig, schicken sie die Menschen zur Behandlung ins Ausland, in die USA oder nach Deutschland. Sie bekommen die beste Behandlung – im Gegensatz zu den Kontraktarbeitern. Es gibt eine sehr unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Arbeiter.


Welche Erfahrungen nimmst du von der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz mit?

Ich habe viel gelernt. Die Arbeiter, die hier teilgenommen haben, bauen eine feste Bewegung auf. Aus den hier gewonnenen Erfahrungen nehme ich es als eine große Aufgabe an, eine Arbeiterbewegung aufzubauen, die eine sozialistische Perspektive hat. Das kann nicht schnell aufgebaut werden, weil die heutige Regierung gegen den Marxismus ist.

 

Ich denke, dass ich auch einige Argumente mitgenommen habe, die ich benutzen kann, um gegen den Antikommunismus und für den Sozialismus und Marxismus zu argumentieren. Das habe ich hier gelernt. Ich kannte zwar schon die Namen Marx, Engels und Lenin. Aber jetzt bin ich hier im Land von Marx und Engels!

 

Um die Arbeiterbewegung aufzubauen, braucht man auch Genossen, die diese Klassentheorie verstehen. Darin sehe ich meine Aufgabe. Wir glauben, dass es möglich ist, von Indonesien unabhängig zu werden so wie West-Timor.


Vielen Dank für das Interview!