Rote Fahne 25/2023

Rote Fahne 25/2023

Hände weg von unseren sozialen Errungenschaften!

Wie geht es weiter nach dem Verfassungs­gerichtsurteil zum „Klima- und Transformationsfonds“? Zu Recht wächst in den Betrieben und Arbeiterfamilien die Sorge, dass das Haushaltsdesaster zum Startschuss für eine dreiste Attacke auf die erkämpften sozialen Errungenschaften der Masse der Bevölkerung ­werden könnte. Entsprechende Forderungen stoßen auf unverhohlene ­Ablehnung bei den Massen. 59,6 Prozent der Befragten sind für Neuwahlen, aber ebenfalls 59 Prozent glauben nicht, dass die Union besser mit der Krise fertig würde.¹ Warum also auf Wahlen und eine andere Regierung hoffen? Die Frage ist doch, was überhaupt hinter dieser neuen Kulmination des ­kapitalistischen Krisenchaos steckt.

Von fh/ms
Hände weg von unseren sozialen Errungenschaften!
Wenn es um Klarheit, Orientierung und gesellschaftliche Perspektive geht, ist die MLPD die erste Adresse und lädt ein zum Mitmachen (Umweltaktionsstand Gelsenkirchen, 2.12.2023)

Finanzminister Christian Lindner (FDP) betrachtet es als seine „Aufgabe, jetzt reinen Tisch zu machen“. Das fällt ihm ein, nachdem er und seine Koalitionspartner die Verschleierung der wachsenden Staatsverschuldung mit allerlei Schattenhaushalten und Sondervermögen forciert hatte. Noch im August hatte Lindner die Kritik des Bundesrechnungshofs an dieser Finanzakrobatik brüsk zurückgewiesen.² Jetzt ist er unsanft gelandet. Das erste, was ihm einfiel, war eine generelle Haushaltssperre und der Stopp der Gas- und Strompreisbremse ab 1.1.2024. Sein „reiner Tisch“ sieht so aus, dass die Strompreise für eine Durchschnittsfamilie ab nächstem Jahr wieder um mindestens 100 bis 170 Euro im Jahr steigen sollen, wenn dann der Bundeszuschuss für die Netzentgelte gestrichen wird. Und das, obwohl die Marktpreise fallen und die Energiekonzerne Rekordprofite einfahren.³

Noch eine „Zeitenwende“ auf unserem Rücken?

Im internationalen Vergleich liegt die deutsche Verschuldung von 61,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Mittelfeld. Die USA haben mit 121,3 Prozent doppelt so viele, Japan mit 260,1 Prozent viermal so viele Schulden.⁴ Wenn mal eben acht statt vier Milliarden an die Ukraine gehen sollen, kann es so „mau“ um die Staatskasse nicht bestellt sein. 2022 stiegen die Steuereinnahmen vor allem aus den Massensteuern um 7,5 Prozent auf den Rekordwert von 895,7 Milliarden Euro. Für 2023 liegt die Schätzung bei 916,1 Milliarden Euro.

 

In Wirklichkeit gibt es gar keine Haushaltskrise! Geld ist in Hülle und Fülle da, einschließlich der Schattenhaushalte wachsen die staatlichen Gesamtausgaben Jahr um Jahr um mehrere Milliarden Euro. Aber die Monopole werden auch immer frecher in ihrer Gier nach Subventionen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus der BRD hat sich eine ganze Palette von Instrumenten entwickelt, um in der Finanzpolitik zu jonglieren. Meist mit abenteuerlichen Begriffen, die Sympathie wecken sollen. So ist die angebliche „Schuldenbremse“ in Wahrheit alles andere als eine Schuldenbremse. Sie ist nicht mehr als ein Instrument, immer weiter Schulden zu machen, aber im Krisenmanagement ein allzu tiefes Absacken in die Verschuldungskrise zu verhindern. In die angebliche Bremse ist ihre Lockerung schon eingebaut – in „Krisensituationen“ wird sie einfach ausgehebelt. Ansonsten gibt es noch Extratöpfe wie Sondervermögen, die in Wirklichkeit Sonderschulden sind. Wenn man diese Sonderschulden dann auch noch ins Grundgesetz schreibt, wie im Fall des „Sondervermögens Bundeswehr“, ist es dann unantastbar und fällt natürlich nicht unter die „Schuldenbremse“.

 

All das mündet in den Versuch, immer mehr Geld aus der Arbeiterklasse und den breiten Massen herauszuholen. Allerdings lassen die sich das keineswegs mehr widerspruchslos gefallen! Selbstbewusst machen die Kolleginnen und Kollegen in den Tarifrunden kämpferisch die eigene Rechnung auf! Auch innerhalb der Herrschenden gibt es Widersprüche, wie die unersättliche Gier nach der Umverteilung von unten nach oben für den immens verschärften zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf erreicht werden kann.

Keine freiwilligen Wohltaten

Angesichts des aktuellen wirtschaftlichen Rückfalls Deutschlands im Vergleich zu anderen imperialis­tischen Mächten wie zum Beispiel den USA fordern die Monopole die strikte Konzentration der Staatsausgaben auf die angestrebte „Führungsrolle“ des deutschen Imperialismus. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gibt rigorose Aufträge an seinen Dienstleister, den Staat beziehungsweise die Ampelregierung: „Die Bundesregierung muss Ausgabeentscheidungen konsequent priorisieren und weitere, dauerhafte Investitionsanreize setzen.“⁵

 

Unter „priorisieren“ verstehen sie eine „Zeitenwende auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik“⁶ zu ihren Gunsten und zu Lasten der Massen. Frech verweisen sie darauf, dass immerhin der größte Haushaltsposten „Sozialausgaben“ seien. Dabei bringt dieser Posten vor allem zum Ausdruck, dass eines der reichsten Länder der Welt wachsende Summen aufbringen muss, um die steigende Arbeitslosigkeit, Armut – insbesondere Altersarmut – und Löhne, die nicht zum Leben reichen, etwas zu mildern.

 

Das sind beileibe keine freiwilligen Wohltaten! Die sozialen Errungenschaften in Deutschland sind hart erkämpft. Manche Zugeständnisse leisten aber auch ihren Dienst im System der kleinbürgerlichen Denkweise. Sie dienen als materielle Grundlage für die Illusion einer fruchtbaren Klassenzusammenarbeitspolitik oder vom gütigen „Sozialstaat“, den SPD und Linkspartei immer wieder beschwören.

 

Neidisch verweisen die bundesdeutschen Politiker auf die Brutalpolitik ihrer imperialistischen Konkurrenten. Der „Inflation Reduction Act“ von US-Präsident Joe Biden hat mit Inflationsbekämpfung rein gar nichts zu tun. Dieses Gesetz ist nicht mehr als das Aushängeschild für Monopolsubventionen in Höhe von 737 Milliarden Dollar an Konzerne, die in den USA produzieren.

 

In seiner Regierungserklärung vom 28. November folgte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dienst­beflissen den Vorgaben der Monopole. Seine Rede gipfelte in dem Ausruf: „Ich will, dass Deutschland ganz vorne dabei ist!“ Und da sage noch mal einer, Olaf Scholz lasse Entschlossenheit vermissen und würde nicht Klartext reden! Es ist der eigentliche Skandal, dass Regierung und Monopole die sozialen und umweltpolitischen Errungenschaften und damit letztendlich die Zukunft der Menschheit opfern wollen, damit der deutsche Imperialismus „ganz vorne dabei“ ist.

„Massenmigration“ schuld?

Schützenhilfe für die Monopole kommt von der AfD, garniert mit völkisch-rassistischer Hetze. So forderte Fraktionschefin Alice Weidel im Bundestag von der Regierung, die „Massenmigration“ zu stoppen, „indem Sie die Grenzen schließen und Einwanderungsmagneten wie Bürgergeld und Kindergrundsicherung … abschalten“.

 

Außer den ukrainischen Flüchtlingen kriegt sowieso kein Flüchtling erst mal Bürgergeld. Und die Behauptung von den „Einwanderungsmagneten“ ist reine Hetze. Die Menschen fliehen, um zu überleben! Vor allem vor dem, was der Imperialismus in ihren Ländern angerichtet hat. Noch schlechtere Bedingungen für Flüchtlinge verhindern keine einzige Flucht.

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!

Mit Verweis auf die angebliche Haushaltskrise sollen jetzt die bereits beschlossene Erhöhung des Bürgergelds, die Zuschüsse für zahllose soziale Einrichtungen, Rentenerhöhungen und ökologische Reformen gestrichen oder sogar noch abgesenkt werden. Da gibt es nur eines: Auf einen groben Klotz gehört auch ein grober Keil! Berechtigt werden über die ökonomischen Forderungen hinaus in den Tarifkämpfen derzeit breit die bürgerlichen Parteien, die Ampelregierung und die Profitgier der Monopole ins Visier genommen. Genau richtig!

 

Die MLPD-Mitglieder stehen in diesen Kämpfen und Debatten mittendrin und vornedran. Sie befriedigen darüber hinaus das massenhafte Bedürfnis nach Klarheit über die wahren Ursachen von Krisen und Kriegen, vorneweg der globalen Umweltkatastrophe. Überall wird das Buch „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“ vorgestellt, vertrieben, diskutiert und gemeinschaftlich studiert. Die Strategiedebatte über den echten Sozialismus, und die Lehren aus dem Verrat daran in den ehemals sozialistischen Ländern muss zum breiten Thema werden. Die geplante „sozial- und umweltpolitische Zeitenwende“ der Herrschenden zeigt, wie notwendig es ist, sich für diesen Weg jetzt zu entscheiden.