Rote Fahne 23/2023

Rote Fahne 23/2023

„Unsere Solidarität ist sehr, sehr stark“

George Windau, Aktivist der US-amerikanischen Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), zu Hintergründen des bedeutenden wochenlangen Streiks bei den „Big Three“, den drei großen Autokonzernen der USA – Ford, General Motors, Stellantis

„Unsere Solidarität ist sehr, sehr stark“
George Windau (foto: Jim West (Labornotes))

Rote Fahne: Herzlichen Glückwunsch zu eurem Streik! Inwiefern ist es ein historischer Streik?

George Windau: Der Streik ist aus zwei Gründen historisch.

  • Erstens wurde unsere oberste Gewerkschaftsführung zum ersten Mal in der ­Geschichte der UAW direkt von den Mitgliedern gewählt. Unsere neue Führung hat ihr Amt im März angetreten.
  • Zweitens war es das erste Mal in der Geschichte, dass die UAW Werke aller drei großen Automobilhersteller stilllegte. Wir nennen diese neue Idee die „Stand Up“-Streikstrategie. Sie ähnelt dem bekannten „Chaos-Streik“ in lokalen Fabriken, nur in großem Maßstab und gegen drei Unternehmen auf einmal.


Wie haben sich Selbstvertrauen und ­gewerkschaftliche Organisierung während des Streiks entwickelt?

Ich bin seit 46 Jahren Mitglied der UAW und habe noch nie an einem formellen, ­legitimen Streik teilgenommen, zu dem unsere nationale UAW-Führung aufgerufen hatte.

 

Ja, ich habe einige „Wildcat“- und „Chaos“-Streiks¹ erlebt, die einen Tag oder ein paar Stunden dauerten. Aber im Jeep-Werk Toledo in Ohio zum Beispiel hat es seit 1972 keinen formellen Streik mehr gegeben. Im Grunde haben alle unsere jungen Mitglieder sehr gut reagiert, sowohl durch die Gewerkschaftsführung als auch durch die Selbstorganisation in Basisausschüssen, die für die Bedürfnisse der Streikenden an der Streikpostenkette sorgen. Unsere Solidarität ist sehr, sehr stark.


Es gibt erste vorläufige Vereinbarungen, ­zuerst mit Ford, jetzt auch mit Stellantis. Was ist Deine Meinung dazu?

Nach dem, was ich bisher über den vorläufigen Tarifvertrag gehört habe, lässt er viel zu wünschen übrig.

 

Was mich wirklich beunruhigt, ist, dass unsere Führer die Beschäftigten auffordern, zur Arbeit zurückzukehren, bevor im November abgestimmt wird. Das ist ein Novum und ich bin noch nicht davon überzeugt, dass dies eine gute Idee ist. Ich finde das nicht gut.


Wie wichtig ist die Idee der internationalen Einheit für die streikenden Arbeiter?

US-amerikanische Arbeiter sind ständig bedroht von Werksschließungen, ihre Arbeitsplätze werden in Niedriglohnländer exportiert. Die Arbeiter haben keine andere Wahl, als international zu denken.

 

Die meisten Kolleginnen und Kollegen in Betrieben ausländischer Konzerne in den USA sind noch nicht Mitglied der UAW. Aber vielleicht werden sie nach diesem Streik beitreten. Unser UAW-Präsident, Shawn Fain, hat den Aspekt des Klassenkampfs und der Klassensolidarität mit unseren Brüdern und Schwestern in diesen Werken betont.

 

Unsere Führer verstehen die internationale Solidarität, und auch unsere Mitglieder beginnen sie zu schätzen. Wir danken allen unseren internationalen Brüdern und Schwestern für die ­Unterstützung unseres historischen Streiks.


Vielen Dank für das Interview!