Rote Fahne 21/2023
Ver.di-Kongress mit zwiespältigen Ergebnissen
Vom 17. bis 22. September fand der 6. Ver.di-Kongress statt. Das Motto: „Morgen braucht uns!“
Rund 1000 Ver.di-Delegierte diskutierten sechs Tage über ihre Erfahrungen und bestimmten den künftigen Kurs. In den Diskussionen schlug sich das in den Tarifrunden gewachsene gewerkschaftliche Bewusstsein an verschiedenen Punkten nieder. Allerdings folgte der Kongress mit der Unterstützung von Waffenlieferungen an das reaktionäre Selenskyj-Regime in der Ukraine dem sozialchauvinistischen Kurs der Ver.di-Führung.
Das Spektrum der gesellschaftlichen Vorstellungen ging von „Zurück zur sozialen Marktwirtschaft“ bis zum Eintreten für den echten Sozialismus. Mit Kritik an der Regierung hielten sich die Delegierten in vielen Fragen nicht zurück: „Der Regierungskurs“ fährt „die Richtung des Kapitals“, hieß es in einem Redebeitrag. In vielen Beiträgen zeigte sich eine wachsende Kapitalismuskritik.
Der Vorstand wurde unter anderem für die Teilnahme an der konzertierten Aktion und für die „180-Grad-Wende“ zu einem faulen Kompromiss in den Tarifrunden bei Post und im öffentlichen Dienst kritisiert.
Zustimmung zu Waffenlieferungen
In seiner von Protesten begleiteten Rede griff Olaf Scholz demagogisch die Kritiker der Waffenlieferungen an: „Es ist eine zynische Aussage, jemandem, auf dessen Territorium die Panzer eines anderen Landes rollen, zu sagen, er solle verhandeln, statt sich zu verteidigen.“ Delegierte konterten, dass man weder Putin noch die NATO oder Selenskij unterstützen könne. Eine Rednerin: „Die Alternative ist nicht Bitten und Betteln oder Reden und Verhandeln. Streiks bis hin zu Generalstreiks sind mehr als Reden. Massendemonstrationen wie im Iran oder während des Vietnam-Krieges sind machtvolle Gegenwehr. Wir sollten unsere machtvolle Rolle nicht unterschätzen, sondern endlich wahrnehmen.“ DAS ist die wirkliche Solidarität mit dem ukrainischen Volk, die berechtigt eingefordert wird. Diese Solidarität muss aber auch dem russischen Volk im Kampf gegen die imperialistische Politik Putins gelten. 90 Prozent stimmten für den vom Vorstand vorgelegten Antrag für die Waffenlieferungen. Das kennzeichnet eine Rechtsentwicklung und Revision der bisherigen Ver.di-Positionen, die an der Gewerkschaftsbasis unbedingt kritisch diskutiert werden sollte.
Kritische Forderungen
Zustimmung fanden fortschrittliche Anträge wie zu „30-Stunden-Woche bei vollem Personal- und Lohnausgleich“, „Anerkennung von absoluter Armut und Folgen von Umweltzerstörung und Klimawandel als Asylgrund“, zu bezahlbarem Wohnen, zur kompromisslosen Umsetzung der Istanbul-Konvention und so weiter.Große Einigkeit bestand in der Haltung gegenüber der AfD: „Kein Fußbreit dem Faschismus!“ Der Schulterschluss mit „Fridays for Future“ wurde gefestigt. Unterschätzt wurde nach wie vor die begonnene Umweltkatastrophe, wenn meist noch von „Klimawandel“ die Rede war.
Die Diskussion über „Morgen braucht uns“ ist genau richtig! Aber wie soll das Morgen aussehen? Die Auseinandersetzung darüber muss weiter geführt werden. Vor allem brauchen wir ein Morgen ohne kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur in einer sozialistischen Gesellschaft.