Rote Fahne 19/2023
Warum auch die AfD mit der „Deindustrialisierung“ Stimmung macht
Als „Fundamentalopposition“ und Partei der „kleinen Leute“ gibt sich die faschistoide AfD gerne. In der Sorge um die „deutsche Wirtschaft“ ist sie sich jedoch höchst einig mit den Unionsparteien und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). In trauter Eintracht mit diesen malt sie die drohende Gefahr einer „Deindustrialisierung“ in Deutschland an die Wand.
Mit ihrem neuen „Zehn-Punkte-Sofortprogramm“ will die AfD die „Deindustrialisierung Deutschlands stoppen“. Erreichen will sie das unter anderem durch „niedrigere Energiepreise“, Reaktivierung aller „funktionsfähigen Kernkraftwerke“ und den „langfristigen“ Bau neuer AKW, „Technologieoffenheit“ und Abschaffung der „Verbote fossiler Technologien“ und schließlich durch „Freiheit der Wahl des Transportmittels“ und Rückgängigmachung des „Verbrennermotorenverbots auf EU-Ebene“.
Um welche „Freiheit“ geht es?
Ein wahres Sammelsurium des finstersten umweltpolitischen Rückschritts, wie er von einem Teil des herrschenden Finanzkapitals – insbesondere im Automobil- und Energiebereich – gefordert wird. Es ist dessen „Freiheit“ zur ungezügelten Profitmacherei auf Kosten der Umwelt und der Zukunft der Menschheit, die die AfD verficht – nicht die „Freiheit“ der Masse der Autofahrer, die vor allem in immer mehr Staus und horrenden Spritkosten besteht, mit der „Alternative“ eines immer chaotischeren öffentlichen Nahverkehrs.
Die Forderung nach „niedrigeren Energiepreisen“ spricht der Masse der Bevölkerung zweifellos aus der Seele. Doch wird die hemmungslose Rückkehr zu Kohle- und Kernkraft zum genauen Gegenteil führen. So kostet eine Kilowattstunde aus Solar- oder Windenergie heute schon 9,7 Cent weniger als die 17,2 Cent, die für die gleiche Menge aus Kohle- und Gaskraftwerken bezahlt werden müssen.¹ 42,2 Cent kostete zuletzt gar eine Kilowattstunde Atomstrom.²
Schreckgespenst „Deindustrialisierung“
Auch für die AfD muss die angebliche Gefahr einer „Deindustrialisierung“ als Vorwand dafür herhalten, alles rückgängig zu machen, was dem Streben der Monopole nach Maximalprofiten irgendwie entgegensteht. Von einer „Deindustrialisierung“ Deutschlands kann in Wirklichkeit keine Rede sein. Mit 5,59 Millionen erreichte die Zahl der Industriebeschäftigten im März 2023 einen neuen Höchststand. Zehn Jahre zuvor waren es mit 5,27 Millionen rund 300.000 weniger.³
Es sind die Monopole selbst, die gleichzeitig immer wieder Tausende Arbeitsplätze vernichten, ganze Werke schließen und Produktion ins Ausland verlagern. Das treibt die Automobilindustrie munter weiter voran – auch wenn immer davon geredet wird, die Risiken der internationalen Arbeitsteilung zu vermindern. So will VW das neue E-Mobil ID.2all in Spanien bauen, Daimler ein neues Modell in China. Daran gibt es kein Wort der Kritik von der AfD. Das zeigt, ihr geht es in keiner Weise um die Interessen der arbeitenden Menschen, sondern nur um eine noch aggressivere Monopolpolitik, als sie von CDU bis SPD ohnehin vertreten wird.