Rote Fahne 12/2023
Bundeswehr in Personalnot – kein Ausweg für Jugendliche!
Inessa Rißmann ist Mitglied der Verbandsleitung des REBELL. Im Gespräch positioniert sie sich zu den Rekrutierungsproblemen und Werbekampagnen der Bundeswehr
Rote Fahne: Auf dem Rebellischen Musikfestival habt ihr on stage einen Programmblock gemacht: „Stoppt den Krieg – weltweit!“ Was sagten die Teilnehmer?
Inessa Rißmann: Wir waren uns alle einig, egal ob Russe, Ukrainer, Deutsche oder andere Jugendliche: Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter! Und wir sind keine Minderheit.
Noch nie hatte die Bundeswehr solche Personalprobleme wie heute. Vor Kurzem wurde bekannt, dass 2022 mehr als 4200 Soldaten und Soldatinnen ihren Dienst vorzeitig quittierten. Dieser Rekord zeigt: Selbst in der Bundeswehr wächst der Widerspruch und Widerstand.
Aber es bewerben sich immer noch viele bei der Bundeswehr?
Ja, sie nimmt inzwischen jeden, den sie kriegen kann, 17-Jährige, Migranten, Quereinsteiger bis zu 60 Jahren, Jugendliche ohne Hauptschulabschluss.
Ein Nachbar von mir, 18 Jahre, ist gerade zum Bund gegangen. Ich fragte ihn, warum? Er: „Ich habe über 30 Bewerbungen geschrieben – und fast keine Antwort und erst recht keinen Ausbildungsplatz bekommen. Beim Bund bekomme ich sofort eine gute Ausbildung.“ Ich: „Aber wenn du in den Krieg gehen und schießen musst, was dann?“ Er: „Ihr habt doch gesagt, man kann das Gewehr auch umdrehen, du wirst schon sehen …“. Da werden wir uns noch öfter unterhalten.
Immer wieder kehren Soldaten und Soldatinnen körperlich oder seelisch kaputt aus einem Auslandseinsatz zurück. Das spricht sich rum, auch wenn die Bundeswehr für deren Betreuung inzwischen fast 900 „Lotsen“ = betreuende Helfer eingesetzt hat.
Die Bundeswehr investiert doch immer mehr in die Werbung …
Ja, in fantastische Abenteuer-, Action- und Technikfilme. Aber trotzdem ist im letzten Jahr die Zahl der Bewerber um elf Prozent gesunken. Denn die Realität imperialistischer Kriege sieht anders aus.
Die innere Führung der Bundeswehr fordert zum Beispiel von den Offizieren: „Resilienz stärken!“ Mit dem Fremdwort für „Widerstandsfähigkeit“ ist gemeint, dass sie sich vor allem ein dickeres Fell gegen Brutalität und Abschlachterei im Krieg zulegen sollen.
Die neueste Plakatserie heißt: „Damit – ganz fett – unsere Freiheit – grenzenlos bleibt“. Zum einen ist nicht mehr von Verteidigung die Rede, sondern von einem grenzenlosen, also weltweiten Einsatz. Zum anderen: Was ist denn „unsere Freiheit“? Unser Staat sichert zuvorderst die Freiheit der Monopole, uns und natürlich auch die Ukrainer auszubeuten, und uns, wenn wir uns dagegen wehren, zu unterdrücken. Die Monopole nehmen sich auch die Freiheit, uns in den Krieg zu schicken für ihren Kampf um Weltmacht- und Weltmarktanteile!
Diese kapitalistische Freiheit wollen wir abschaffen – und uns unsere eigene Freiheit im Sozialismus erkämpfen!